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Flugblatt von 2002
Im Rathaus hängt ein Hakenkreuz
über "Bremer Kinder und Jugendliche in der Nazizeit"
Der 11.September und der 3.Oktober begrenzen zeitlich die Ausstellung "Am Roland hing ein Hakenkreuz", welche gerade im Bremer Rathaus zu sehen ist. In der taz vom 28.Februar erklären die Veranstalter ihr Ziel: "Wir wollen den Kindern und Jugendlichen heute die Zeit damals erst einmal zeigen und nicht so belehrend sein." Die Belehrung etwa, dass der nationalsozialistische Massenvernichtung samt ihrer deutschen Exekutoren nur Abscheu und Wut gebühren, sparen sich die Kinder jener Generation, welche da gezeigt wird. Darum wurde auch auf Bilder jüdischer Kinder aus den Ghettos verzichtet, die kenne man ja. Stattdessen wird man zum Einfühlen aufgefordert in die Mörder und Mitläufer, Pimpfe und Mädels. Wird belehrt, dass an der Rassentheorie der Nazis etwas drangewesen sein muß, wenn zu 'rassischen Kriterien' die Distanz qua Anführungsstriche fehlt.[footnote: Zu den NAPOLAs etwa erfahren wir: "In strengen Ausleseverfahren wurden sie auf ihre rassische, charakterliche, körperliche und geistige Eignung geprüft." Als wären die Kriterien der Nazis ihre eigenen, vergessen die Austeller zu erwähnen welche 'rassischen', charakterlichen, körperlichen und geistigen Eignungen da gefordert wurden.] Man wird ungefragt vom Personal informiert, dass Hitler das biologische 'Rentenproblem' früh erkannt und mit Mutterkreuzen bekämpft habe, und lernt, dass jüdische Kinder keine Bremer gewesen sein können, weil ihr Schicksal in den Vernichtungslagern kaum der Rede wert ist[footnote: Um Mißverständnissen vorzubeugen: Um einen 'Täter-Opfer-Ausgleich', um 'gerechte' Verteilung der Berichterstattung der 'Schicksale', geht es uns nicht.]. Man erfährt etwa, dass jüdische Kinder unter "Demütigung, Verarmung, Entrechtung und Verfolgung" litten, Vernichtung aber in großen Lettern an die Wand zu schreiben, wäre wohl zu viel der Wahrheit und damit Belehrung. Mehr noch, der Massenmord ist den Austellern kein Entsetzen wert: "Zu wünschen ist, dass sie [die Ausstellung] dazu herausfordert, menschenverachtende Ideologien in unserer Gegenwart zu hinterfragen: den totalen und globalisierten Kapitalismus(!), die weltweite Zerstörung der Umwelt (!) und die vielfache Rückkehr(?) zu gewaltsamen Lösungen in der Politik."[footnote: Bauriedl, Thea, Wenn wir bereit sind zu verstehen, was damals geschehen ist, in AM ROLAND HING EIN HAKENKREUZ, Schulgeschichtliche Sammlung Bremen (Hrsg), 2002, Bremen, S.9ff] Dass es so schlimm nicht gewesen sein kann, liest man im folgenden: "Wie sich Mitschülerinnen und Mitschüler in der Judenfrage verhielten, hing sehr wohl von der politischen Grundstimmung an den einzelnen Schulen ab." 'Sehr richtig', wollte man zustimmen, wäre nicht vergessen worden zu erwähnen, dass diese Grundstimmung landauf landab nationalsozialistisch war. Zu erkennen an Entlassungszahlen 'antinationalsozialistischer' Lehrer 1933: Weniger als 3% verloren ihre Stelle. Doch weiter im Text: "Die wenigen jüdischen Schülerinnen und Schüler von damals, die überlebt haben und Auskunft geben, haben sowohl die in der Hitlerjugend eingetrichterte Judenhetze von Klassenkameraden und Schikane von fanatischen Lehrern erfahren, als auch Freundschaft sowie Schutz vor Demütigung und Trost durch Lehrerinnen." Ein wenig 'Demütigung' hier, ein wenig 'Trost' da, welcher Schüler kennt das nicht. Eine Ausstellung also, die so manche Gemeinheit bereithält und deren faktische Zielgruppe die fanatischen Nazikinder von damals sowie deren Enkelgeneration - im selben Alter - sind. Anhand dieser Ausstellung heute läßt sich erahnen, wie damals Kinder versaut wurden, so dass ihre Mordsbande militärisch zerschlagen werden mußte und man ihnen die Gewalt von Umerziehungslagern an den Hals wünschen muß [footnote: Statt sich zu beklagen, dass die Nazikinder die Schrecken des Bombenkrieges und die Auflösung jeder vertrauten Ordnung erlebten, wäre es doch das mindeste jede Bombe auf Bremen als Beitrag zum antifaschistischen Kampf zu begrüßen und die gewaltsame Auflösung der vertrauten Naziordnung, etwa durch alliierte Umerziehungslager, als eine vertane Chance zu begreifen.], um Schaden von der Menschheit abzuwenden.
"Kinder können so leicht verführt und missbraucht werden"[footnote: Bauriedl, A.a.O.] schreibt die Psychoanalytikerin Bauriedl in ihrem Einführungstext im Begleitungsbuch zur Ausstellung. Die Unschuld der Kinder ist also Gegenstand. "Verführt wurden die damaligen Kinder zum Beispiel durch Spiele und Figuren, die den Nationalsozialismus in die Kinderstuben trugen und zur Identifikation mit der 'großen, wichtigen und richtigen Sache' einluden"[footnote: Bauriedl, A.a.O.] Was hier an Kindern exemplarisch vollführt werden soll, ist die Mär von den getriebenen, indoktrinierten und mißbrauchten Deutschen, denen eine äußerliche Macht - der Nationalsozialismus - gegenübertrat und sie sonderbare Dinge tun ließ: Ein Gegensatz also zwischen politischer Öffentlichkeit des Nationalsozialismus und Privatheit der ganz normalen Deutschen. Nun ist es aber so, dass dieser Gegensatz nicht existierte. Waren es doch die ganz normalen Deutschen, welche den völkischen Wahn ins Werk setzen und niemand sonst. Sie waren eben Nationalsozialisten. Die Psychoanalytikerin weiß das auch, nur zieht sie daraus keine Konsequenzen: "Die Kinder bekamen, was sie sich wünschten, um sich dazugehörig zu fühlen: Sie durften(!) uniforme Kleidung tragen, gut geordnet(!) in der Hitlerjugend oder im Bund Deutscher Mädchen (BDM) gemeinsam Lieder singen, Abenteuer erleben, bei Wohlverhalten bald in der Hirarchie aufsteigen und von Befehlsempfängern zu Befehlenden werden." Wenn diese Kinder Ordnung und Uniformität als Belohnung statt als Strafe, als Lust bereitend statt als beschränkend empfanden, kann man von Unschuld wohl kaum noch sprechen. Sie hatten offensichtlich Bedürfnisse, die der Nationalsozialismus befriedigt. Die Grenze zwischen Privatem und Politischem bestand nicht mehr im Nationalsozialismus. Genauso, wie Volk und Staat zum Volksstaat verschmolzen, verschmolz auch Privates und Politisches durch Mutterkreuz, Ernährungsschlacht, Arisierungen, Kraft durch Freude, Volksempfänger und Winterhilfswerk. Pimpfe, die jede protesthafte Note ihrer Eltern der HJ meldeten, sind Ausdruck dieser gefallenen Grenze. Aus der einfachen Tatsache, dass niemand als Nazi geboren wird, macht die Ausstellung eine Entschuldigung für die Täter. Mit der einfachen Tatsache, dass Nazis - weder jugendliche noch erwachsene - eben keine souveränen Ich-starken Charaktere sind, macht die Ausstellung die deutschen Mörder zu unfreien Opfern.
Galt es in den 50iger Jahren noch den NS zu verschweigen, indem man eben schwieg, ist es nun das Geschwätz, dass die Erkenntnis über den NS verhindern soll. Das Gerede über die Bauern, Kinder, Hausfrauen, Flüchtlinge, Pensionäre, Bombenopfer, Teddybären usw. im Nationalsozialismus überdeckt zunehmend die Beschäftigung mit dem, was den NS ausmachte: Die Vernichtung der europäischen Juden. Sie werden eingereiht in eine lange Kette der Verstrickung, die in Auschwitz endete. Das verschweigt niemand: "Kein ernst zu nehmender Mensch leugnet Auschwitz."[footnote:Martin Walser] Aber das Monopol als Opfer will man ihnen schon streitig machen: "Wenn wir bereit sind zu verstehen, was damals geschehen ist, und aus dieser Vergangenheit zu lernen, können wir viel gewinnen, für uns(!), für unsere Kinder(!) und deren Zukunft."[footnote: Bauriedl, A.a.O.] Inhalt und Form korrespondieren. Das Geschwätz bedarf der Geschwätzigkeit von Zeitzeugen[footnote: Der Begriff selbst ist unwahr, zwischen Opfern und Tätern fehlt jede Differenz. Zusammen ist man Zeuge der Zeit.] Wer nach erlebbarer Geschichte, Erinnerungen, authentischen Berichten, nach Wahrheit also, die ohne Abstraktion auskommt, sucht, dem fehlt die einfache Erkenntnis, dass man nicht aus Erfahrungen lernt, sondern nur aus der Reflexion derselben, dass das unmittelbare Einfühlen und Erleben einem kein Stück Erkenntnis über den Gegenstand gewinnen läßt. Dem Fetisch der Authentizität wird die Wahrheit geopfert, wahr ist nicht mehr, was objektiv ist, sondern dass, woran man sich erinnert[footnote: "So unterschiedlich haben Zeitzeugen ihre damalige Schulzeit empfunden. Da sich Zeiterfahrungen stets individuell aus äußeren Erlebnissen und inneren Einstellungen zusammensetzen, sind beide Äußerungen sicher richtig(!) und legitim" (Wissmann, Sylvelin, Auf dem Weg in den Krieg, in AM ROLAND HING EIN HAKENKREUZ, Schulgeschichtliche Sammlung Bremen (Hrsg), 2002, Bremen, S.31ff)]. So etwa in Dresden: "'Ich protestiere dagegen, dass fremde Historiker, die gar nicht in Dresden zuhause sind, über unsere Heimatstadt schreiben dürfen' [...] Was war passiert? Der Konstanzer Historiker Helmut Schnatz hatte einen Vortrag gehalten, in dem er nachwies, daß während der Bombardierung Dresdens am 14. und 15.02.1945 keine alliierten Tiefflieger Jagd auf die vor dem Feuersturm Fliehenden gemacht haben konnten, weil Rauch, Flammen und Hitze ein Anfliegen der Stadt in niedriger Höhe schlicht unmöglich machten. Die Behauptung solcher Menschenjagden aber ist eiserner Bestandteil der kollektiven Erinnerung fast aller Dresdner Zeitzeugen."[footnote: Heinz, Tina, Mein Vater war ein Wandersmann, in BAHAMAS 25, 2001]. Ebensowenig wie in Dresden geht es in Bremen um die Erinnerung von Einzelnen, sondern um die Erfahrung eines Volkes: "Die Lebendigkeit jedes einzelnen Menschen, einer Gruppe oder eines Volkes hängt davon ab, wie sie mit ihrer jeweiligen Vergangenheit umgehen können. [...] einem Volk kann die selbstkritische Erforschung der gemeinsamen Vergangenheit helfen, lebendig zu bleiben oder wieder lebendig zu werden." [footnote: Bauriedl, A.a.O.] Durch die Zeitzeugen spricht das Kollektiv, sie erinnern sich an das, was der eine Deutsche schon weiß, bevor der andere es ausspricht. Die nächste Gemeinheit deutscher Vergangenheitsbewältigung ist bereits in Vorbereitung: In den Austellungsräumen hängt die Bitte aus, sich als Zeitzeuge der nächsten Ausstellung zur Verfügung zu stellen: Bremen im Bombenkrieg.
Kein Mitleid mit den Mördern!
Nieder mit Deutschland!
Für den Kommunismus!
::Antinationale Gruppe Bremen
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