Der Wahlkampf ist tot, es lebe der Wahlkampf!

Die Bundestagswahlen sind vorbei und schon stehen die nächsten Wahlen an. Nicht nur für den Landtag, sondern auch da, wo es Euch, liebe LeserInnen, ähnlich direkt betrifft, an der Universität. Aus diesem Grund wollen auch wir als Liste mit linksradikalem Selbstverständnis zu Eurem Willensbildungsprozess unseren Beitrag leisten. Warum wir es hier, anders als bei den Bundestags- oder Landtagswahlen, wichtig finden, zu wählen und auch selbst zu dieser Wahl anzutreten, möchten wir Euch zumindest ansatzweise in diesem Text vermitteln.

Die Uni - nicht außenvor sondern mittendrin
Ausgehend von der fundamentalen Kritik, die sich am herrschenden System üben lässt, ist es unserem Verständnis nach wichtig, die Universität als gesellschaftlichen Teilbereich politischer Auseinandersetzung zu begreifen.. In der bürgerlichen Gesellschaft ist die Uni Trägerin ideologischer, politischer und juristischer Legitimation dieses Systems und gleichzeitig Ausgangspunkt für die Entwicklung neuer Strategien zur Kapitalverwertung. Sie leistet nicht anderes als ihren Beitrag zum Bestehenden: Reproduktion von Herrschaft, Eliten, usw. Da Wissenschaft inzwischen Hauptproduktivkraft im Sinne des Wissenschaftsstandorts Deutschland geworden ist, ist sie selbst der Kapitallogik unterworfen. Das heißt allerdings nicht, dass es keine Freiräume an der Universität gibt; es werden bloß immer weniger und sie sind nicht mehr von denen gewollt, die sie mal genutzt haben.
Als Studierende muss man keine Lust haben, sein Leben an dem Zweck zu orientieren, sich möglichst profitabel verkaufen zu können. Ums mitspielen kommt man jedoch trotzdem nicht herum, bleibt einem in der kapitalistischen Logik doch nur der Verkauf der eigenen Arbeitskraft als Mittel zum überleben. Studierende sind diesem Zwang allerdings nur teilweise unterworfen. Sie befinden sich zumindest im Moment außerhalb der direkten Konkurrenz. Die Konkurrenz um den besten, schnellsten Abschluss ist vorerst nur vermittelt. Auch wenn der Druck groß ist, diesen Zustand des "den Eltern oder dem Staat auf der Tasche liegens" schnellstmöglich zu beenden. Was dennoch bleibt ist der Zustand, den Adorno folgendermaßen formuliert hat, es bleibt den Studierenden "in der Hölle noch die Luft zum Atmen". So können sie im Gegensatz zu denen, die schon arbeiten, die schon mittendrin sind, noch die "systematischen Scheuklappen" beiseite legen und versuchen, dem Charakter dieser "Hölle" auf die Spur zu kommen.
Auch an der Uni bietet sich die Möglichkeit der politischen Betätigung und die Möglichkeit zur Wahl. Hier verhält es sich minimal anders als in der "großen Politik". Natürlich wird auch hier Demokratie gespielt, nicht anders als sonst wo, es stehen die Ableger der gleichen Parteien zur Wahl und man wählt nichts anderes als ein Parlament und eine Regierung.

Die Qual hat, .....
Im Februar ist es den Studies jedes Jahr im Sinne des Demokratiespielens möglich, das Studierendenparlament und somit auch einen AStA zu wählen, welcher dann die sogenannte Interessensvertretung der Studierenden betreiben soll.
Zur Zeit gibt es eine rechte Mehrheit im Studierendenparlament und dementsprechend natürlich auch einen bürgerlichen rechten AStA, der bisher nicht sonderlich viel Reden von sich gemacht hat. Gutmütig kann gesagt werden, dass die Damen und Herren von RCDS, ADF und LHG diesmal ganz gut verstanden haben, wie das Spiel Parlamentarismus, Demokratie, Kapitalismus und so gespielt wird; da hört mensch von Pizzabestellungen auf Studiekosten und großzügigen Geschenken untereinander, nicht zu vergessen die Erhöhung der eigenen Gehälter und die Verwandlung des AstAs in ein modernes Bürogebäude mit den exklusivsten Bürodesignermöbeln. Ein Vorwurf kann ihnen deshalb nicht unbedingt gemacht werden, wie gesagt, sie haben's verstanden. Auch das Abfeiern der Fußballweltmeisterschaft und die Übertragung der Fußballspiele im ZHG reiht sich ein in die "große Politik", soviel an Deutschtümelei ist man sonst an der Uni nicht gewohnt. An dem Vorsatz, bloß kein allgemeinpolitisches Mandat auszuüben wird sich geflissentlich gehalten, aber auch dort wo es die Universität und damit die Studies direkter betrifft, nämlich bei Langzeitstudiengebühren, NHG-Novelle, Umwandlung der Uni in eine Stiftung, usw. findet keine Positionierung statt. Um schon mal der eigenen politischen Zukunft bei der CDU oder FDP gerecht zu werden, wird verwaltet und beschrieben. So wird bei den LeserInnen der AStA Revista der Eindruck vermittelt, die Vorhaben der Landesregierung seien unumstößliche Tatsachen, die es nur noch zur Kenntnis zu nehmen gilt. Die Möglichkeit, Widerstand z.B. gegen Langzeit-studiengebühren zu organisieren, kommt den AStA-ReferentInnen überhaupt nicht in den Sinn. Auch zum Naziaufmarsch am 1. Mai bezog der AStA keine klare Stellung, ihre Beteiligung am DGB Bündnis, bei dem sie übrigens nie erschienen, drückten sie dadurch aus, dass sie DGB Plakate mit dem Zusatz "unterstützt vom AStA Göttingen" versahen. Was die AStA ReferenInnen an diesem Tag als Privatpersonen taten ist weitestgehend ihr Ding, das Engagement gegen den Naziaufmarsch war aber offensichtlich nicht sehr groß. Der AStA Vorsitzende kam morgens volltrunken einigen AntifaschistInnen grob aus Richtung Wölfis entgegen, während andere am Morgen auf dem Weg zur Demonstration gesehen wurden, bleibt die Frage zu welcher eigentlich. Soviel zum rechten AStA. Zum Glück muss man diese Gruppen nicht wählen, zumindest muss man sie nicht wieder wählen.

...,wer die Wahl hat
Trotz der Albernheit, die dieses Demokratiespiel ausdrückt, kann es Sinn machen, im nächsten Februar zur Uniwahl zu gehen und sei es nur, um den rechten AStA wieder abzuwählen. Es bleibt wichtig, die Freiräume, die die Universität bietet, zu nutzen und natürlich ihr Schrumpfen zu verhindern oder zumindest zu verzögern. So ist es an der Uni im Rahmen eines linken AStAs zumindest noch ansatzweise möglich, emanzipative Politik zu betreiben und zu verwirklichen. Zudem bietet ein linker AStA hervorragende Infrastruktur nicht nur für linke Unigruppen, sondern auch für Stadtgruppen. Dies trägt im Endeffekt zu einer stärkeren Linken in Göttingen bei. Und wenn schon wählen, dann:

Die Antifaschistische Liste...
hat sich als Hochschulgruppe vor neun Jahren mit dem Ziel gegründet, antifaschistische und antirassistische Politik an der Uni zu verankern. Sie besteht aus Menschen unterschiedlicher politischer Herkunft, die größtenteils auch in anderen linken Gruppen außerhalb der Uni aktiv sind. Wir verorten unsere Politik nicht nur an der Uni, sondern stellen uns in den Zusammenhang der regionalen und bundesweiten antifaschistischen Arbeit. Dies bedeutet einen Ansatz, der die Universität als Teil der Gesellschaft begreift und die anzugreifenden Widersprüche in einen gesamtgesellschaftlichen Zusammenhang stellt. Daher streben wir über die reine Interessenvertretung der Studierenden hinaus die fundamentale Kritik bestehender kapitalistischer Verhältnisse an.

Wer vom Faschismus redet...
Da wir den Faschismus nicht nur als singuläre Erscheinung, sondern als eine besonders aggressive Form bürgerlich-kapitalistischer Herrschaft begreifen, ist unser Augenmerk nicht nur auf faschistische Organisationen gerichtet. Vielmehr rücken wir deren Funktion innerhalb einer allgemeinen Rechtsentwicklung des bürgerlichen Staates in den Vordergrund. Dies bedeutet zum einen, auf der Erscheinungsebene die Schnittfläche von faschistischer und konservatistischer Ideologie im gesellschaftlichen Diskurs aufzuzeigen und zu bekämpfen. Zum anderen liegen für uns die Wurzeln des Faschismus in den ökonomischen Strukturen des Kapitalismus selbst, so dass Antifaschismus immer die spezifische Verwaltung kapitalistischer Entwicklung durch den bürgerlichen Staat in den Brennpunkt der Kritik rücken muss. Die jüngsten, von Otto Schily vorangetriebenen Entwicklungen der BRD zu einem sich subtil bis offen aggressiven äußernden Überwachungsstaat mit zunehmend minimalisierten sozialen Standards sind für uns Ausdruck einer allgemeinen globalen krisenhaften Entwicklung der kapitalistischen Verwertungs- und Produktionsmaschinerie. Erste Anzeichen davon sind das "Rette-sich-wer-kann-Programm" des Neoliberalismus und das Aufbrechen althergebrachter Identifikationsmuster des sogenannten "Sozialstaates", in der BRD gepaart mit einer Remilitarisierung und vorerst nicht mehr steigerbaren Aggressivität der Außenpolitik, die sich darin begründet, Krieg nicht trotz, sondern wegen Auschwitz zu führen. Diese Entwicklung kann nicht tatenlos mitangesehen und hingenommen werden, radikaler Widerstand ist notwendig und muss sich weiter entwickeln.

Sozialabbau und seine Folgen...
Seitdem auch in der BRD die prekären Folgen der neoliberalen Schlanker-Staat-Ideologie in Gestalt des Sozialabbaus und Uni-Sparkurs ausgebrochen sind, gilt diesem Problem ein wesentlicher Teil unserer Arbeit.. Die derzeit erkennbare gesellschaftliche Entwicklung wird die sozialen Widersprüche der Gesellschaft immer weiter verschärfen. An der Uni macht diese Entwicklung nicht halt und äußert sich in einer wilden Sparpolitik und betrieblichen Durchrationalisierung der Universität zu einem leistungsstarken Lieferanten der gesellschaftlichen Hauptproduktivkraft Wissenschaft. Da eine Stiftung dies besser bewerkstelligen kann, ist die Uni Göttingen jetzt halt eine Stiftungsuniversität. Dies bedeutet im wesentlichen, dass sie Spenden und Geldmittel von Firmen erhalten kann, die dafür im Gegenzug allerdings auch ihre Interessen verwirklicht sehen wollen. Dies bedeutet, dass Fächer, die keine ökonomisch verwertbaren Ergebnisse produzieren, dementsprechend auch nicht gefördert werden, also früher oder später aus dem Stundenplan gestrichen werden.
Der derzeit durchgeboxte Sozialkahlschlag, der die ersten Folgen der fundamentalen Krise des kapitalistischen Systems auf dem Rücken der Bevölkerung austrägt, ist ein Angriff auf die im "Spätkapitalismus" erworbenen sozialen Standards der Bevölkerung. Die revolutionäre Praxis und Theoriebildung muss an diesem Punkt ansetzen und Perspektiven über die reine Forderung nach Erhalt eines vermeintlichen "Kapitalismus mit menschlichem Antlitz", den es nie gab und geben kann, entwickeln.


Also aufraffen zur AStA-Wahl vom 21. bis 23.01.2003 und die AL im
Wahlbündnis Anständiger Aufstand auf Liste 9 wählen.

Für einen linken AStA!

Für antifaschistische Politik an der Uni!
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