Zur Geschichte der Göttinger ArbeiterInnenbewegung
Biographie Gustav Kuhn: Er war der Leiter der Göttinger "Antifa" und saß dafür fast 12 Jahre in den Gefängnissen und Konzentrationslagern der Nazis. Der Kommunist und Antifaschist Gustav Kuhn wirkte seit 1922 in Göttingen und starb hier 1954. Biographie als PDF-Datei.
Broschüre "Antifaschistische Geschichtspolitik" (50 Seiten) zum historischen antifaschistischen Widerstand, zur Erinnerungskultur und zur regionalen Arbeiter_innenbewegung. Wir senden die Broschüre auf Anfrage gerne zu, die Publikation kann hier auch als pdf-Datei (103 MB) runtergeladen werden.
Stadtplan von Göttingen. Historischer antifaschistischer Widerstand: Wirkstätten, Biographien, Gedenkorte (4 Seiten). Wir senden den Stadtplan auf Anfrage gerne zu, das Faltblatt kann hier auch als pdf-Datei runter geladen werden. Geführte historische Stadtrundgänge bieten wir gerne an.
Zur Geschichte der Antifaschistischen Aktion
Im Juni 2012 hat der Verein zur Förderung antifaschistischer Kultur die Broschüre 80 Jahre Antifaschistische Aktion herausgegeben. Diese kann als PDF-Datei herunter geladen (5,33 MB) werden.
Im folgenden Text geht es um die
Entstehung der
Antifaschistischen Aktion von 1932. Um zu verstehen, wie es zur
Gründung dieser
Initiative kam, ist es notwendig, die geschichtliche Entwicklung
zu betrachten, aus der diese Bewegung entstanden ist. Entscheidend
für die Politik und organisatorische Gestaltung waren sowohl
die Erfahrungen der Kampforganisationen kommunistischer als auch
sozialdemokratischer ArbeiterInnen. Darüberhinaus spielten die
Erfahrungen und Niederlagen der revolutionären
Aufstände innerhalb des Deutschen Reiches und Weimar seit 1918
eine Rolle. Im folgenden wird deshalb kurz dargestellt, welche Aufstände
es gegeben hat, um dann zur Suche nach Fehlern und fortschrittlichen
Ansätzen innerhalb der Antifaschistischen Aktion zu kommen. Um
zu begreifen, welche Unzulänglichkeiten dazu führten,
daß auch ein alles in allem positiv zu bewertender Ansatz
linker Kräfte - wie die Antifaschistische Aktion - nicht
vermochte, faschistische Tendenzen innerhalb der Weimarer Republik und
letztlich den Faschismus
umgreifend zu bekämpfen oder aufzuhalten, ist ein
Verständnis des geschichtlichen Hintergrundes unabdingbar.
Der 9. November 1918
| Vaterland statt Klassenkampf | Der
9. November - Revolution und "Dolchstoß" | Die Rolle der SPD | Der
Kapp-Lüttwitz-Putsch 1920 | Fortschritt oder Reaktion
1921-1923 | Der
Rathenaumord und die erste antifaschistische Einheitsfront | 1923 | Zeit
der
Konsolidierung | Analyse contra Einheitspolitik | Die
Sozialfaschismusthese |
Antifaschistische
Organisationen in der Weimarer Zeit | SPD-nahe
Organisationen | KPD-nahe
Organisationen |
Exkurs zu den
Unterorganisationen des RFB | Einheitsfrontbestrebungen
anhand der
Fürstenenteignungskampagne | Bilder
der Straßen | Das Ende von
Weimar | Der Preußenschlag Zurück
zum
Antifaschismus |
Die Antifaschistische Aktion | Roter Massenselbstschutz | Fazit | Einige
Gründe des Scheiterns des antifaschistischen
Widerstands | Anmerkungen
zu inhaltlichen Schwächen | Letzte Worte
Der
9. November 1918
Der Krieg sollte nur wenige Wochen dauern, das jedenfalls war das
Versprechen der deutschen kriegführenden Regierung beim
Ausbruch des I. Weltkrieges im August 1914. Aus Monaten wurden Jahre,
ohne daß ein Ende des Krieges abzusehen war. Massenhafter Tod
und unvorstellbares Elend ließen die anfängliche
nationale Kriegsbegeisterung schnell schwinden. Im besonderen die
katastrophale Lebensmittelversorgung in Ballungsgebieten
(Städten, Industrieregionen) und an der Front hatte die
Bevölkerung und einen Teil der Soldaten mehr und mehr gegen
den Krieg eingenommen.
Mit Kriegsbeginn wurde über jede deutsche Provinz der
Belagerungszustand verhängt, zur Steigerung und
Aufrechterhaltung der Produktion auch während des Krieges und
zur Vermeidung von Streiks und Unruhen wurden Arbeitsschutzgesetze
aufgehoben.
Die Militarisierung der Betriebe, die Einsetzung von Frauen in die der
Rüstungsindustrie, die Überwachung und das Verbot
mißliebiger Versammlungen, die Einberufung "aufgefallener
Rädelsführer" zum Militär, Sicherheitshaft
und kriegsrechtlich schnelle Verurteilung linker Kräfte sowie
eine scharfe Zensur über alle Publikationen, waren die
wichtigsten Instrumente, die der Staatsgewalt im Krieg
zusätzlich zur Verfügung standen, um die
Kriegsproduktion ideologisch und ökonomisch aufrecht zu
erhalten.
Vaterland
statt Klassenkampf
Die sozialdemokratische Reichtstagsfraktion hatte die zur
Kriegsführung benötigten Kredite im August 1914
bewilligt (»Wir lassen in der Stunde der Gefahr das eigene
Vaterland nicht im Stich«) und trug während des
Krieges mehrheitlich die obrigkeitstaatliche Politik (Verzicht auf
Lohnforderungen und Streikmaßnahmen, Zusammenarbeit mit
Unternehmern und staatlichen Stellen).
Sie hatte innenpolitisch "Burgfrieden" geschlossen mit den
Nationalisten und Reaktionären und verzichtete bereitwillig
auf eine grundlegende Konfrontation mit den ökonomisch und
politisch Herrschenden. Die revisionistischen Positionen, die
unterschwellig schon vor Beginn des I. Weltkrieges die Politik der
Sozialdemokratie und Gewerkschaften bestimmt hatten, beherrschten
nunmehr offen ihre Politik.
Je länger der Krieg jedoch andauerte, desto brüchiger
wurde der Burgfrieden. Die Militärdiktatur im Innern des
Landes, wachsende Not und Elend, zunehmender Vertrauensverlust der
Bevölkerung in die alten obrigkeitsstaatlichen
Autoritäten und eine wachsende Opposition innerhalb der
traditionellen ArbeiterInnenorganisationen SPD und Gewerkschaften, dazu
eine wachsende antimilitaristisch geprägte
Kriegsmüdigkeit verschärften die Spannungen im
Gesellschaftsgefüge, vor allem zwischen den Klassen.
Vor diesem Hintergrund entstand eine politische oppositionelle
Massenbewegung, die das Geschehen Ende 1918 entscheidend bestimmte.
Der
9. November - Revolution und "Dolchstoß"
Kam es im April 1917 schon zu einer Streikbewegung in der
Rüstungsindustrie und bereits im August 1917 zu einer Meuterei
in der deutschen Flotte, blieben all diese Aktionen trotzdem bis dahin
zunächst erfolglos.
Mit der Oktoberrevolution 1917 in Rußland, dem Sieg der
RevolutionärInnen über das alte Zarenreich, bekamen
die revolutionären Kräfte im Deutschen Reich einen
entscheidenden Impuls.
Als nach der gescheiterten deutschen Offensive vom Sommer 1918 die
militärische Niederlage unübersehbar bevorstand,
vollzog die monarchistisch-nationalistische "Obere Heeresleitung" unter
Generalfeldmarschall von Hindenburg und Ludendorff eine
plötzliche Wende und forderte die Bildung einer
parlamentarischen - auch von der SPD mitgetragenen - Reichsregierung
als Voraussetzung für Waffenstillstandsverhandlungen. Mit
diesem taktischen Schwenk wollten sich die reaktionären - mit
ihrer Kriegspolitik gescheiterten - Militärs aus der
Verantwortung für die Folgen des verlorengegangenen Krieges
ziehen.
Zugleich wurde damit der Grundstein für die
"Dolchstoßlegende" gelegt, welche die Entstehung der Weimarer
Republik mit dem Makel republikanischen Kapitulantentums verband.
Für die reaktionären Kräfte war der I.
Weltkrieg nur deshalb verloren gegangen, weil die verhaßten
"Sozialisten und Demokraten den deutschen Soldaten den Dolch in den
Rücken gerammt" hatten.
Als Kaiser Wilhelm II. die Gesetze zur Einführung einer
Parlamentarischen Monarchie unterschrieb, meuterten in Wilhelmshaven
bereits Mannschaften gegen die Marineleitung, die zur "Ehrenrettung"
der kaiserlichen Marine einen letzten und chancenlosen
Flottenvorstoß unternehmen lassen wollte.
Die erschöpften und kriegsmüden Matrosen verstanden
dies als Kampfansage auf "ihre friedenswillige" Reichsregierung.
Am 3. November 1918 erfolgte der Aufstand der Kieler Matrosen;
Dockarbeiter schlossen sich dem Aufstand an und beschlossen den
Generalstreik. Zwischen dem 4. und 9. November 1918 verbreitete sich
der Aufstand über ganz Deutschland. In vielen Städten
übernahmen spontan gewählte Arbeiter- und
Soldatenräte die Kontrolle, so zum Beispiel in
Lübeck, Hamburg, Bremen, Wilhelmshaven, Hannover,
Köln und vielen anderen Städten.
Ȇberall geschah wie auf stillschweigende
Verabredung dasselbe: Die Soldaten der Garnisonen wählten
Soldatenräte, die Arbeiter
wähltenArbeiterräte, die
Militärbehörden ergaben
sich oder flohen. Die zivilen Behörden erkannten erschrocken
und verschüchtert die neue Oberhoheit der Arbeiter- und
Soldatenräte an. Das äußere Bild war
überall dasselbe: Überall große
Umzüge auf den Straßen, große
Versammlungen auf den Marktplätzen (...). Überall
wurden als erstes die politischen Gefangenen befreit, nach den
Gefängnissen die Rathäuser, die Bahnhöfe,
die Generalkommandos, manchmal auch Zeitungsredaktionen
besetzt.«
(Sebastian Haffner, Die Verratene Revolution, München 1969)
Der 9. November markiert das Ende des I.Weltkrieges; in der Nacht zum
10. November floh Kaiser Wilhelm II. über Belgien nach
Holland. Im Zuge der Revolution wurden verschiedene politische und
soziale Errungenschaften wie der 8-Stundentag oder allgemeine (und
Frauen-)Wahlrecht erkämpft (zuvor 3-Klassen-Wahlrecht!).
Die
Rolle der SPD
Die Rolle der SPD läßt sich nur aus ihrer
traditionellen Position als Vertreterin der revolutionären
ArbeiterInnenschaft verstehen.
Die Räte als (spontan entstandene) radikaldemokratische
Basisorganisationen waren nicht unmittelbar sozialistische oder
spartakistisch/ kommunistische Organisationen.
Die Streikbewegung, die sich Arbeiter- und Soldatenräte als
Führungs- und Organisationsgremien schufen, waren mehrheitlich
SozialdemokratInnen und glaubten sich eins mit
ihrerParteiführung im Willen um eine grundlegende,
revolutionäre Veränderung.
Das Bewußtsein breiter Schichten der ArbeiterInnen, die die
Revolution mittrugen, war auf die SPD fixiert. Einer Partei, die alles
andere als die Revolution im Sinn hatte und die sich im Kern auch schon
ordnungsgemäß in das bürgerliche
Parteienspektrum eingegliedert hatte. (Ebert, Vorsitzender der SPD zu
Prinz Max von Baden am 6. November 1918: »Wenn der Kaiser
abdankt, ist die soziale Revolution unvermeidlich. Ich aber will sie
nicht, ja ich hasse sie wie die Sünde.«). Zwar
stimmten die SozialdemokratInnen der staatsrechtlichen Stellung der
Räte zu: »Die politische Macht liegt in den
Händen der Arbeiter- und Soldatenräte der deutschen
sozialistischen Republik. Ihre Aufgabe ist es, die Errungenschaften der
Revolution zu behaupten und auszubauen, sowie die Gegenrevolution
niederzuhalten.« Doch je mehr die Räte ihre
Kompetenzen auszuüben versuchten, desto stärker
propagierte die SPD die Nutzlosigkeit der Rätevertretungen, da
es inDeutschland ja eine "revolutionäre Regierung"
gäbe. Sie war von Beginn an damit beschäftigt, im
Bündnis mit den alten gesellschaftlichen Kräften
(Militär, Junkertum, Verwaltung) die revolutionäre
Bewegung "zurückzurollen".
Auf dem Reichskongreß der Arbeiter- und Soldatenräte
in Berlin im Zirkus Krone vom 16. bis 20. Dezember 1918 ging es um die
Frage der Volksvertretung. Hier wurde die Entscheidung zwischen
Rätesystem oder Nationalsversammlung (bürgerlicher
Demokratie) durch die Arbeiter- und Soldatenräte
gefällt, die zunächst mit dem "Rat der
Volksbeauftragten" der SPD und USPD ihr Vertrauen aussprachen, im
trügerischen Glauben daran, daß ihren Forderungen
nach Sozialisierung der Industrie, nachErgreifung aller
Maßnahmen zur Entwaffnung der konterrevolutionären
Truppen, nach Errichtung einer Volkswehr anstelle der Reichswehr u.a.
unverzüglich Folge geleistet würde. Die Wahl der
Nationalversammlung wurde auf den 19. Januar 1919 angesetzt. Damit
hattensich bereits tendenziell die rechten Führer der
Sozialdemokratie durchgesetzt und noch im Jahre 1918 begann die blutige
Niederschlagung revolutionärer Kräfte unter
Führung der SPD, die mehr Opfer mit sich brachte als die
Revolution selbst. (Angriff auf die Volksmarinedivision durch die
Reichswehr in Berlin; 24. Dezember 1918).
Doch am gestecktenZiel der SPD mit allen Mitteln, selbst gegen
große Teile der ArbeiterInnen, eine Nationalversammlung
durchzusetzen, kam es zum Bruch mit der USPD. Die SPD verfolgte ihr
Ziel unter anderem bereits zu dieser Zeit in Bündnissen mit
reaktionären Kräften in Militär und
Wirtschaft.
Bewaffnete
Aufstände
Freikorps
Oben bereits erwähnt ist die Tatsache, daß unter der
Führung der SPD rechte Freikorpsverbände gegen
aufständische Soldaten und streikende ArbeiterInnen eingesetzt
wurden.
»Bereits seit Ende November/ Anfang Dezember 1918 hatten
kaiserliche Offiziere im Auftrag der OHL (oberste Heeresleitung, d.V.)
in vielen Teilen Deutschlands der Reaktion ergebene Kräfte zu
konterrevolutionären Formationen zusammengefaßt,
denen sie die von 1912/13 bekannte und populäre Bezeichnung
"Freikorps" gaben. Die rekrutierten sich vorwiegend aus dem Offiziers-
und Unteroffizierskorps der kaiserlichen Armee, aus Studentenkreisen,
aus kleinbürgerlich-bäuerischen Elementen sowie aus
Randschichten der werktätigen Klassen. Politisch-ideologisch
standen die Freikorps auf dem Boden eines militanten Antikommunismus
und Chauvinismus mit starken monarchistischen Tendenzen. Gliederung,
Bewaffnung, Ausrüstung und Ausbildung entsprachen ihrem
Bürgerkriegsauftrag. Die Kommandogewalt der Offiziere war in
ihnen wieder völlig hergestellt. Gestützt auf
Geldmittel des Reiches sowie auf beträchtliche finanzielle
Zuschüsse von Konzernen und reaktionären
Organisationen, konnten ihren Angehörigen einen hohen Sold
zahlen.«
(Dreetz/Geßner/Sperling, Bewaffnete Aufstände
inDeutschland 1918-1923, Militärverlag der DDR, 1988).
Berlin 1919
Noch vor den Wahlen zur Nationalversammlung wurden Schritte seitens der
politischen Führung eingeleitet, die auf die
Bekämpfung revolutionärer Errungenschaften
schließen ließen. So wurde der Berliner
Polizeipräsident Emil Eichorn, der als linker Vertreter der
USPD galt, von der SPD aus dem Amt entfernt und steckbrieflich gesucht.
Dies war Anlaß und Ausgangspunkt für die bewaffneten
Auseinandersetzungen im Berliner Zeitungsviertel.Waren es
zunächst Demonstrationen für den Erhalt des
fortschrittlichen Polizeipräsidenten Eichorn und für
Volksbewaffnung gewesen, mündeten diese in dem
Entschluß, notfalls bewaffnet gegen die Regierung vorzugehen
und deren Absetzung zu fordern.
Ab dem 4. Januar bis zum 12. Januar 1919 kam es zu heftigen
Auseinandersetzungen zwischen RevolutionärInnen und
eingesetzten Freikorpsverbänden. Verhielt sich die Reichswehr
in Berlin anfänglich weitesgehend neutral, ging die politische
Führung der SPD mit Noske (offiziell "Befehlshaber der
regierungstreuen Truppen in und um Berlin") mit den Worten
»Meinetwegen! einer muß der Bluthund werden, ich
scheue die Verantwortung nicht.«, in die Geschichte ein. Er
erlies im Laufe der Kämpfe den Befehl, jedeN bewaffneteN
ArbeiterIn zu erschießen. Ihren Höhpunkt und Ende
fanden die Kämpfe in denAuseinandersetzungen um das
"Vorwärts"-Verlags- und Druckhaus. (Die Zeitung
"Vorwärts" war das Organ der SPD).Die Tage der Kämpfe
und die anschließenden Durchsuchungen nach Waffen, vor allem
bei kommunistischen ArbeiterInnen kosteten mehreren hundert
RevolutionärInnen das Leben. Im Zuge der Razzien und
Festnahmen wurden am 15. Januar 1919 Rosa Luxemburg und Karl Leibknecht
durch konterrevolutionäre Truppen ermordet.
Unter dem Eindruck der blutigen Niederschlagung der
revolutionären Soldaten und ArbeiterInnen fand am 19. Januar
1919 die Wahl zur Nationalversammlung statt. Als Sieger gingen die
bürgerlichen Parteien der Mitte unter Führung der SPD
(Ebert) hervor. Die am 1. Januar 1919 gegründete KPD
beteiligte sich folgerichtig nicht an der Wahl zur Nationalversammlung,
da sie für ein Rätesystem eintrat. So begann die
Weimarer Republik auf dem Blut der RevolutionärInnen ihre
Geschichte.
Frühjahr 1919
Auch die Folgezeit der revolutionären Erhebung vom 9. November
1918, das Frühjahr 1919, war dadurch gekennzeichnet,
daß über das gesamte DeutscheReich verteilt immer
wieder Forderungen nach einer Räteregierung, einem
sozialistischen System erhoben wurden. So kam es beispielsweise sowohl
in Mitteldeutschland, um Halle als auch im Ruhrgebiet zu
großen Massenstreiks, die die Wahl von Betriebs- und
Arbeiter- und Soldatenräten forderten. Immer wieder wurden
reaktionäre bewaffnete Freikorps und Reichswehr gegen die
ArbeiterInnen eingesetzt. In Bremen und in München wurde der
Versuch unternommen, eine Räteregierung zu errichten und
durchzusetzen. Überdauerte die Bremer Räterepublik
lediglich knapp zwei Wochen - sie wurde bereits am 6. Februar 1919
niedergeschlagen - konnte in München die Räterepublik
länger überleben (2 Phasen). Aber auch sie wurde nach
einem Monat blutig niedergeschlagen und fand am 4. Mai 1919 ihr Ende.
Beide Räterepubliken wurden auf Befehl aus Berlin von
Reichswehrminister Noske (SPD) niedergeschlagen. Auch hier erging
jeweils der Befehl, keine FührerInnen der Räte lebend
entkommen zu lassen.
»Von Januar bis Mai 1919, mit Ausläufern bis in den
Hochsommer hinein, tobte in Deutschland ein blutiger
Bürgerkrieg, der tausende von Todesopfern und
unsägliche Bitterkeit (unter den revolutionären
ArbeiterInnen, d. V.) hinterließ (...). Überall ging
es nur um eins: um die Existenz der Arbeiter- und Soldatenräte
und damit um die Legitimität der Revolution. Noskes
"Städteeroberer", General Maerker, hat das ganz offen
ausgesprochen: "Im Kampf der Reichsregierung (unter
Federführung der SPD, d.V.) handelte es sich
ausschließlich um die Erhaltung der politischen Macht. Zu
diesem rein politischen Zweck wurde die Truppe eingesetzt: als
Machtmittel zur Festigung der inneren Politik. Die Schwäche
der Regierung gestattete es aber nicht, das offen zu sagen. Sie
fürchtete sich, Farbe zu bekennen, und zu erklären,
daß die Freiwilligentruppe dazu diene, die
Räteherrschaft zu beseitigen, wo sie noch bestand, denn darauf
kam es letzten Endes an. Sie umging es, indem sie militärische
Angelegenheiten zum Anlaß desEingreifens machte. Mir lag
dieses unaufrichtige Verhalten keineswegs. Ich hätte den
Arbeiterführern gegenüber sicherer dagestanden, wenn
ich offen hätte erklären können: Meine
Anwesenheit bedeutet den Kampf gegen die von euch erstrebte
Räteherrschaft und gegen die Gewaltherrschaft des bewaffneten
Proletariats."«
(Sebastian Haffner, Die verratene Revolution, München 1969).
Die Niederschlagung der Münchener Räterepublik am 4.
Mai 1919 steht als Ende der Novemberrevolution im Deutschen Reich.
Hauptsächliche Ursachen für das Scheitern sind nicht
nur in der militärischen Schwäche und der voneinander
isoliert stattgefundenen Aufstände der
RevolutionärInnen zu suchen. Politisch entscheidend war das
Vertrauen des Gros der Basis in die Führung der SPD, die es
immer wieder verstand in den Verhandlungen (basis)demokratisch
aufzutreten, aber parallel in Wirtschaft, Politik und Militär
längst mit den reaktionären Kräften ein
Bündnis eingegangen war, um ihre machtpolitische Stellung als
nun staatstragende Partei abzusichern.
Zwar hatte sich der Rätegedanke - in Anlehnung der
Oktoberrevolution 1917 in Rußland -, der den politischen
Ausdruck für die Errungenschaften der Revolution darstellte,
gegen den rechten Flügel (Führer) der
Sozialdemokratie nicht durchsetzen können, dennoch kam es noch
bis Ende 1923 immer wieder zu Erhebungen und Bestrebungen
revolutionärer Kräfte.
Der
Kapp-Lüttwitz-Putsch 1920
Rechtsreaktionäre Kräfte, bestehend aus Kreisen der
Wirtschaft, adeligen Offizieren, sowie Vertretern aus dem
deutschnationalen Parteienspektrum versuchten im März des
Jahres 1920 einen Putsch, um eine Militärdiktatur zu
erzwingen. Die ersten Putschvorbereitungen wurden von
einflußreichen Kapitalisten maßgebend
unterstützt, so z.B von Hugo Stinnes und Wolfgang Kapp,
Gutsbesitzer, Direktor der ostpreußischen Generallandschaft
(einer öffentlich rechtlichen Kreditanstalt).Er war
desweiteren im Aufsichtsrat der DeutschenBank und im Hauptvorstand der
Deutschnationalen Volkspartei (DNVP) tätig und arbeitete Hand
in Hand mit dem General der Infantrie,Walter Freiherr von
Lüttwitz.
»VonReusch, Krupp, Hugenberg,Stinnes, der Deutschen Bank, der
Commerzbank, der Dresdner Bank, der Nationalbank und ähnlichen
Kreisen finanziert, von der deutschnationalen und volksparteilichen
Führung unterstützt, schufen sie eine
Dachorganisation der Verschwörer, die "Nationale Vereinigung",
mit Pabst, Ludendorff, Lüttwitz und dem als Ultrachauvinisten
bekannten antikommunistischen Gutsbesitzer Kapp an der Spitze, (...).
Bereits Mitte September 1919 erließ Lüttwitz, dem
die republikanische Regierung (...) den höchsten
Offiziersposten (Befehlshaber des Reichswehrgruppenkommandos I)
überlassen hatte, einen "Vorbereitenden Befehl zur
Unterdrückung größerer Unruhen", der zum
"rücksichtslosen Gebrauch der Machtmittel" verpflichtete und
durch "allgemeine Richtlinien für die Bekämpfung des
Generalstreiks" ergänzt wurde. Während die
Reaktionäre im ganzen Lande einen wüsten
Propagandafeldzug gegen die Regierung starteten, entwarfen die
Staatsstreichler im engsten Kreise eine Notstandsverfassung, deren
Inhalt sich in einem Satz zusammenfassen läßt: Wer
nicht pariert, wird arretiert.
Die ultrachauvinistischen und verbissen antisowjetischen
Verschwörer rechneten sich nicht zuletzt deshalb eine Chance
für ihr "Unternehmen" aus, weil sie die weltpolitische
Situation für die Wiedererrichtung eines
schwarzweißroten Reiches für günstig
hielten.«
(Wolfgang Ruge,Weimar - Republik auf Zeit, S. 51; das
europäische buch; Literaturvertrieb GmbH Westberlin, (c) 1969
by Deutscher Verlag der Wissenschaften Berlin, DDR).
Am 13. März 1920 wurde der Putsch über Berlin
ausgelöst. Kapp ernannte sich selbst zum Reichskanzler und
preußischen Ministerpräsidenten. Friedrich Ebert,
damaliger Reichspräsident und fast alle Mitglieder der
Regierung flohen erst nachDresden und dann nach Stuttgart, weil bekannt
geworden war, daß die Putschisten diese verhaften lassen
wollten.
Generalstreik als Waffe gegen
den Putsch
Zu dieser Zeit lebten etwa vier Millionen ArbeiterInnen im Ruhrgebiet.
Viele waren im Bergarbeiterstreik von 1912, sowie in
Streikkämpfen des I. Weltkrieges und an der Novemberrevolution
1918 beteiligt gewesen. Deshalb war es nicht verwunderlich,
daß gerade diese Region an der Spitze des Kampfes gegen die
rechten Putschisten stand. Der militärische Ausnahmezustand
wurde per Verordnung über die Regierungsbezirke Arnsberg,
Düsseldorf, Minden und Münster erlassen. Dagegen
wuchs die Empörung zusehends. Die Vertreter der drei
ArbeiterInnenparteien USPD, KPD,SPD verurteilten den Putsch und
forderten geeint den Generalstreik, der am 14. März 1920 mit
einem gemeinsamen Aufruf eingeleitet wurde.
Zwei Zielsetzungen charakterisierten die politischen Vorstellungen: Zum
ersten die Erringung der politischen Macht auf der Grundlage des
Rätesystems und zum zweiten die sofortige Sozialisierung
vieler Betriebe. Es folgte der Generalstreik und Demonstrationen in
Bochum, Duisburg, Essen, Hagen, Hamborn, Haspel, Unna und Wetter. Zur
Verteidigung und Durchsetzung des Generalstreiks und der politischen
Forderungen begannen sich die ArbeiterInnen zu bewaffnen.Sie schafften
es innerhalb weniger Tage ca. 10000 Männer und erstmalig auch
einen größeren Anteil vonFrauen, in bewaffneten
Verbänden der Roten Ruhrarmee aufzustellen und ihre politische
und militärische Führung sowie die Versorgung der
Arbeiterformationen weitgehend zu sichern. Ähnliche
Volkswehren wie die Rote Ruhrarmee waren die erste Volksarmee
Thüringens, die Rote Vulkanarmee inStettin, die Rostocker
ArbeiterInnenwehren und die Roten Garden in der Niederlausitz. In
diesem, mehrere tausend ArbeiterInnen umfassenden Wehren, waren
vorwiegend politisch organisierte ArbeiterInnen, die über
militärische Erfahrung noch aus dem I.Weltkrieg
verfügten. Sie entstanden auf Orts-, weniger auf
Betriebsbasis. Mit dem Generalstreik war den Putschisten die
ökonomische und politische Basis entzogen worden und der
Putsch war somit gescheitert.
Nachdem die Putschisten abgesetzt waren, übernahm die SPD
wieder die politische Führung.Die bewaffneten
Ruhraufständischen weigerten sich jedoch mehrheitlich die
Waffen abzugeben und ihre politischen Vorstellungen fanden in der
Forderung nach einer Räteregierung ihren Ausdruck.
»Die drei sozialistischen Parteien des Industriegebietes, die
heute morgen zu einer Konferenz hier vereinigt waren, stellten sich
einmütig auf den Standpunkt, daß alle
Kräfte eingesetzt werden müssen, um die Reaktion
niederzuschlagen. (...) Wir verlangen sofortige Einstellung der
Truppenbewegung, da wir sonst gezwungen sind, in berechtigter Abwehr
zum Angriff zu schreiten, um zu verhindern, daß
zusammengezogene reaktionäre Truppenkörper im
Industriegebiet den weißem Schrecken einführen.
(...).
Im Gegensatz zu allen anderen Behauptungen erklären wir,
daß im Industriegebiet größte Ruhe und
Ordnung herrscht und die Arbeit mit Ausnahme der unter Waffen stehenden
Arbeiter voll aufgenommen wurde. Wir bitten sofortige Entscheidung zu
treffen.«
(Forderung der drei ArbeiterInnenparteien SPD, USPD und KPD des
Industriegebietes an Reichspräsident Ebert nach Einstellung
des Vormarsches gegenrevolutionärer Truppen, Hagen, 21.
März 1920).
Wieder spielte die SPD die Rolle, die sie schon während der
Aufstände im November 1918 gespielt hatte. Unter Zusicherung,
die rechten Freikorpsverbände nicht gegen die
RevolutionärInnen einzusetzen, wurden die ArbeiterInnen dazu
gebracht, ihre Waffen abzuliefern (Bielefelder Abkommen).
Ihr Versprechen hielt die SPD, nicht die rechts-reaktionären
Freikorps marschierten in das Ruhrgebiet ein, sondern die Reichswehr
rückte vor und metzelte die größtenteils
entwaffneten ArbeiterInnen nieder. Allerdings waren die Freikorps
kurzerhand in die Reichswehr als bezahlte Söldner
eingegliedert worden. So marschierten die gleichen
reaktionären Freikorpsler nicht mit dem Totenkopf am Helm,
sondern mit der Legitimation zum Töten als Reichswehrler ein.
Mehrere tausend ArbeiterInnen ließen bei diesem Verrat der
SPD ihr Leben (sofortige Erschießungen, Folterungen durch die
Truppen) und wurden zu Tausenden anschließend in die
Gefängnisse geworfen. In einem Brief vom 2. April eines
Mitgliedes des Freikorps der "Brigade Epp" an nationalistische
Krankenschwestern hieß es:
»Gestern Vormittag (...) kam ich zu meiner Kompanie, und
nachmittags um 1 Uhr machten wir den ersten Sturm. Wenn ich Euch alles
schreiben würde, da würdet ihr sagen, das sind
Lügen. Pardon gibt es überhaupt nicht. Selbst die
Verwundeten erschießen wir noch. Die Begeisterung ist
großartig, fast unglaublich. Unser Batallion hat zwei Tote.
Die Roten 200 bis 300.Alles, was und in die Hände kommt, wird
mit dem Gewehrkolben zuerst abgefertigt und dann mit der Kugel. Ich
dachte während des ganzen Gefechts an Station A. Das kommt
nämlich daher, daß wir auch zwei
Rote-Kreuz-Schwestern sofort erschossen haben, von denen jede eine
Pistole bei sich trug. Mit Freuden schossen wir auf diese Schandbilder,
und wie sie geweint und gebeten haben, wir sollten ihnen das Leben
lassen. Nichts! Wer mit der Waffe angetroffen wird, der ist unser
Gegner und muß dran glauben. Gegen die Franzosen waren wir im
Feld viel humaner.«
(W. Ruge, s.o., S. 71. Quelle: MA, Nr. R 4454, Bl. 1 ff.).
Während die RevolutionärInnen teilweise bestialisch
hingerichtet und abgeschlachtet wurden, konnten die rechten Putschisten
vor allem in den Prozessen damit rechnen, mit Samthandschuhen
angefaßt zu werden. Von 705 amtlich bekanntgewordenen
Straftaten der Rechten waren bis 1922 bereits 412 amnestiert, 176
Verfahren eingestellt, 109 durch Tod oder sonstige Gründe
nicht weiter verfolgt, noch nicht erledigt 7 und bestraft sage und
schreibe 1 Person.
(Quelle: Walter Tolmein, Die Entstehung und Entwicklung der Weimarer
Republik bis Eberts Tod, S. 110, Hannover 1973).
Fortschritt
oder Reaktion 1921-1923
Nach dem Versuch der Rechten unter Führung von Kapp und
Lüttwitz einen Putsch zu wagen und dem
anschließenden Generalstreik und dessen blutiger
Niederschlagung unter politischer Verantwortung der SPD waren
große Teile der sich als revolutionär begreifenden
Kräfte ermordet worden oder saßen in den
Gefängnissen.Die Hoffnung der Errichtung einer Alternative -
eines Rätestaates - zur bürgerlichen Demokratie der
Weimarer Republik unter der politischen Führung der
bürgerlichen Parteien im Pakt mit dem reaktionären
Militärwesen und unter der Dirigentenschaft des
nationalistischen Großkapitals der Großindustrie
war zu diesem Zeitpunkt faktisch geschwunden. Nicht nur psychologisch
und politisch auch praktisch waren die revolutionären
ArbeiterInnen weitesgehend entwaffnet.
Nichtsdestotrotz waren nicht alle revolutionärenVorstellungen
innerhalb der Bevölkerung verlorengegangen. So gab es in der
WeimarerRepublik Gebiete, in denen fortschrittliche Kräfte
hohe Stimmenanteile gewinnen konnten. Zwar erstarkten die rechten
deutschnationalen Kräfte republikweit betrachtet immer mehr,
jedoch hatten gerade in Industrieregionen die ArbeiterInnenparteien ein
große AnhängerInnenschaft.
Mitteldeutscher Aufstand
Im damaligen Mitteldeutschland (Merseburg, Halle, Leuna, Mansfelder
Land) waren größere Industriezweige
ansässig, vor allem im Bereich der Chemie-, Metall-, und
Bergbauindustrie. Die dort lebenden ArbeiterInnen waren nicht nur in
der Novemberrevolution emanzipiert aufgetreten und hatten sich aktiv in
die Kämpfe eingebracht, sondern auch während des
Kapp-Lüttwitz-Putsches wurde der Generalstreik und
Großdemonstrationen durch diese ArbeiterInnen
maßgeblich vorangetrieben.
Dieser Landstrich kann faktisch als Hochburg radikaler linker
ArbeiterInnen betrachtet werden. Daraus ergab sich im Jahre 1921 eine
folgenschwere Situation.
Bei denWahlen zum Preußischen Landtag am 20. Januar 1921
erzielte die kommunistische Partei vergleichsweise hohe Stimmenanteile.
Allein die Zahlen imMansfelder Land machten deutlich, wie stark die
Kommunistische Partei dort war:
Die VKPD (Vereinigte Kommunistische Partei - Zusammenschluß
linker USPD und der KPD) erhielt 33374 Stimmen, die USPD 4311 Stimmen,
die SPD 9920 Stimmen, die DDP 5892 Stimmen, die Zentrumspartei 2504
Stimmen, die DVP 10402 Stimmen und die DNVP 15483 Stimmen.
Die Zahlen zeigen nicht nur die Stärke der KommunistInnen,
sondern verdeutlichen ebenfalls die immer stärker werdende
Polarisierung innerhalb der Gesellschaft, denn auch die Rechten hatten
einen beträchtlichen Stimmenanteil zu verzeichnen.
»Diese Situation ist für den sozialdemokratischen
Oberpräsidenten (der Provinz Sachsen, d.V.) Otto
Hörsing (später Führer des Reichsbanner
Schwarz-Rot-Gold, d.V.) Anlaß, eine Konferenz in Merseburg
einzuberufen, an der Landräte, Oberbürgermeister,
Führer der Schutzpolizei, die Direktoren des Leunawerkes, des
Mansfelder Kupferschieferbergbaus, der Mitteldeutschen
Braunkohlekonzerne und die Gutsbesitzer der Umgebung teilnehmen. Es
wird beschlossen, gegen das Mitteldeutsche Industriegebiet eine
Polizeiaktion zur Herstellung der Staatsautorität"
durchzuführen.
(Weimarer Republik, Hrsg: vom Kunstamt Kreuzberg und dem Institut
für Theaterwissenschaften der Universität
Köln, ELEFANTENPRESS reg., S. 256).
Diese Polizeiaktion wurde vorbereitet durch eine ungeheuerliche
Pressehetze gegen radikale ArbeiterInnen, dessen propagandistische
Kernaussage darin bestand, zu behaupten, daß ein
kommunistischer Putsch unmittelbar bevorstehe. Im März 1921
wurde diese Polizeiaktion durchgeführt. Das bedeutete
Hausdurchsuchungen bei linken ArbeiterInnen, Verhaftungen sowie
polizeiliche Kontrollen und Überwachung in den Betrieben.
Die Antwort großer Teile der ArbeiterInnen waren nicht nur
Streiks und Betriebsbesetzungen. Es kam von Mitte März bis
Ende März zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen sich
bewaffnenden ArbeiterInnen und der Polizei (teilweise auchReichswehr).
Den Höhepunkt bildeten die Auseinandersetzungen um das
Chemiewerk Leuna. Im Zusammenhang mit dem Mitteldeutschen Aufstand
wurde der Name Max Hoelz bekannt. Dieser schaffte es innerhalb weniger
Tage die größte Gruppe bewaffneter ArbeiterInnen um
sich zu scharen (etwa 1000 Menschen).
Max Hoelz schrieb in seiner Biographie "Vom Weißen Kreuz zur
Roten Fahne":
»Der Aufstand der mitteldeutschen Arbeiter im März
1921 war die unmittelbare Folge der Provokation Hörsings, der
nach dem Prinzip handelte "Der Angriff ist die beste Parade!".Er
wußte, daß die mitteldeutsche Arbeiterschaft ihren
revolutionären Elan nicht eingebüßt hatte
und daß die gährende Unruhe bald zu Entladungen
führen mußte. Deshalb kam er zuvor, schickte -
angeblich um Werksdiebstähle zu verhindern - seine bis an die
Zähne bewaffneten Sipos (Sicherheitspolizei, d. V.) in die
mitteldeutschen Betriebe und Bergwerke. Hörsing provozierte
die unterernährten und ausgemergelten Arbeiter dadurch,
daß er ihnen zumutete, unter Aufsicht der Polizei zu
arbeiten.«
Ende März hatte sich die militärische
Polizeiübermacht durchgesetzt. Auch dieser Aufstand forderte
wieder einen hohen Blutzoll und Verhaftungen. Mehrere hundert Tote und
über 3000 Verhaftete waren zu verzeichnen.
Kritisch bleibt auf Seiten (der Führung) der
Revolutionäre anzumerken, daß gerade aufgrund der
seit 1918 immer wieder stattgefundenen bewaffneten Aufstände
und des täglichen Streikkampfes innerhalb der KPD eine
Diskussion um den Sinn von bewaffneten Aufständen im Gange
war. Von einigen KommunistInnen wurde die gesellschaftliche Situation
so analysiert, daß die Chance über bewaffnete
Aufstände unmittelbar eine sozialistische Republik zu
errichten, zu dieser Zeit nicht bestehen würde. Mitten in
diese Diskussionen platzte die Provokation Hörsings. Auf
drängen der Kommunistischen Internationale
befürwortete die KPD den Provokationen Hörsings mit
bewaffneten Aktionen zu begegnen. Hierbei muß kritisch
gesehen werden, daß die Kommunistische Internationale die
Situation die gesamten 20er Jahre teilweise noch in den 30ern in
Deutschland grundsätzlich so bewertete, daß die
Entwicklung der kapitalistischen Demokratie in der
Zwangsläufigkeit des Sieges der
revolutionärenArbeiterInnenschaft enden würde. D.h.,
zum einen wurde das Bewußtsein breiterArbeiterInnenschichten
als revolutionär beurteilt, zum anderen die Zeit als reif
für den Umsturz der Republik. Das dies eine fatale
Einschätzung war, kann heute rückblickend beurteilt
werden.
»Die Delegierten der KI drängten die
KPD-Führung, diese Provokation mit dem bewaffneten Aufstand zu
beantworten.
Das Scheitern war total und seine Konsequenzen schwerwiegend. Von den
350000 Mitgliedern, die die Partei Ende 1920 zählte (nach
ihrer Vereinigung mit der USPD), blieben im Sommer 1921 nur noch 180442
übrig.«
(Aufstieg und Untergang der KPD, Kommunistische Politik zwischen 1918
und 1935, Broschüre der Ex-Nato-Gruppe, Frühjahr
1989).
Im Anschluß an den Mitteldeutschen Aufstand kam es zu
heftigen Auseinandersetzungen zwischen Teilen der KPD-Führung
und der Kommunistischen Internationale.
Der
Rathenaumord und die erste antifaschistische Einheitsfront
Am 24. Juni 1922 wurde der damalige deutsche Außenminister
Walter Rathenau, Angehöriger der Deutschen Demokratischen
Partei (DDP) durch ein Mitglied der ultrarechten, militaristischen
"Organisation Konsul" ermordet.
Anlaß und Ursache des Mordes an Rathenau war dessen Funktion
als Außenminister und seine Rolle im Zustandekommen des
sogenannten Rapallovertrages. Eines politisch-wirtschaftlichen
Abkommens mit der Sowjetunion, welches deren staatliche
Souveränität als erster sozialistischer Staat
faktisch (international) anerkannte. Das wurde von den Rechten
natürlich als Schlag ins Gesicht aufgefaßt; nicht
nur, daß die "Novemberverbrecher" der Monarchie 1918 ein Ende
gesetzt hatten, jetzt begannen selbst bürgerliche Kreise mit
dem "Bolschewismus zu paktieren".
»An sich war der Rathenaumord nichts ungewöhnliches,
wenn man so will, denn Morde an Sozialisten und Pazifisten hatte es
vorher en gros gegeben, ohne daß viel passierte. Gepaart nun
auch mit faschistischen Akzenten, entsteht eine sehr breite
Massenbewegung. Die Einheitsfrontaktionen, von der KPD damals durch
Bündnisangebote eingeleitet, führen zu riesigen
Demonstrationen in allen Großstädten. Mit dem
wunderlichen Akzent, damals existierte neben der KPD noch die rechte
USPD, und davon rechts die SPD, daß nicht nur die drei
Arbeiterparteien, und zwar gemeinsam, sondern auch die Deutsche
Demokratische Partei zu Aktionen aufrufen, und natürlich die
freien Gewerkschaften, und natürlich nicht die christlichen
Gewerkschaften. Das ist also eine ungeheuer starke antifaschistische
Welle... Da bildet sich also so etwas wie antifaschistisches
Bewußtsein, so auch terminologisch ausgedrückt. Aber
mit dieser Terminologie ist die gedankliche Verbindung mit den
italienischen Faschisten gemeint, die in dieser Zeit die Macht
ergreifen.«
(Wolfgang Abendroth; Antifaschismus oder Niederlagen beweisen nichts,
als das wir wenige sind; Frankfurt 1983).
Zwar entwickelte sich seit der Machtergreifung der italienischen
Faschisten im Jahre 1922 innerhalb der Kommunistischen Internationale
eine Diskussion um die Gefahr des Faschismus auch in Deutschland,
jedoch wurden die Ansätze der breiteren Einheitsfrontpolitik,
wie zur Zeit des Rathenaumordes, schwerpunktmäßig
nicht weiter verfolgt. Im Faschismus selbst wurde zu dieser Zeit keine
konkret drohende Gefahr gesehen, außer für die
spätere KPD oppositionelle Gruppe (um Thalheimer) spielte die
Weiterentwicklung der Einheitsfrontpolitik bis zum Massenaufstieg der
NSDAP ab 1928 keine zentrale Rolle.
1923
Das Jahr 1923 markiert den Abschluß der
revolutionären Aufstände in Deutschland sowie der
Versuche rechter und faschistischer Kräfte in der noch
unsicheren Weimarer Republik an die Macht zu putschen. Wie unklar und
unterschiedlich die Situation zu dieser Zeit war, dokumentieren die
Ereignisse in diesem Jahr.
Die durch den 1919 unterzeichneten "Versailler Vertrag" auferlegten
Reparationszahlungen sowie die Besetzung des Ruhrgebietes und
Profitierung der Siegermächte vor allem vom Kohleabbau, trafen
in erster Linie die arbeitenden Bevölkerung. Zur Besetzung
Anfang des Jahres 1923 war es deshalb gekommen, weil die deutsche
Regierung große Teile der Reparationszahlungen eingestellt
hatte. Die ohnehin labile wirtschaftliche Lage und die folgende
Besetzung des Ruhrgebietes gab der amtierenden deutschen Regierung die
Legitimation, eine Politik durchzuführen, die in der
sogenannten Hyperinflation mündete.
»Tollhaus riesigster Proportionen nannte Stefan Zweig die
Deutsche Inflation. Und in der Tat: Nie und nirgends in der Geschichte
der Menschheit hat die Währung solche schwindelerregenden
Sprünge gemacht wie 1923 in Deutschland. (...) Bettler wurden
zu Multimilliardären und standen dennoch hungrig vor den
kargen Schmalz- und Pferdewurstauslagen der Schaufenster. Arbeiter
schleppten ihren Wochenverdienst, der früher in einer schmalen
Lohntüte Platz hatte, in Rucksäcken und
Wäschekörben nach Hause und konnten, wenn sie ihr
Geld nicht gleich ausgaben, kaum soviel Kohlen kaufen, wie die Scheine
wogen, die sie dafür zu entrichten hatten. Oft genug
verdoppelten sich die Preise im Laufe vonStunden. Eine Summe,
für die man morgens noch ein Pfund Fleisch erhalten hatte,
reichte abends kaum noch für einen Kanten Brot. Für
Ersparnisse, die Beamtenfrauen mühselig in Jahrzehnten
zurückgelegt hatten, konnte man schließlich gerade
noch einen Straßenbahnfahrschein lösen. (...).
Spekulanten und Wucherer ergaunerten sich Devisen, kauften für
einen Pappenstiel ganze Fabriken und verjubelten astronomische Summen
in den wie Pilze aus dem Boden schießenden
Vergnügungslokalen. Das Tempo des Lebens überschlug
sich in wahnsinniger Hektik. Der Amüsierrummel erreichte
Ausmaße, denen gegenüber die panisch enthemmtem
Gelage in den Pestjahren des Mittelalters wie schlichte Veranstaltungen
gesitteter Gesangsvereine anmuteten.
Während die Arbeitervorstädte - nun mehr und mehr zu
Arbeislosenvorstädten werdend - im tristen und unheimlichen
Dunkel lagen, weil den Haushalten sogar das Geld für einen
kümmerlichen Kerzenstummel fehlte, während
unzählige Angestellte, kleine Beamte und
Rentenempfänger, verzweifelt dasEnde allen Seins
herbeisehnend, den Gashahn öffneten, solange sie noch den von
den Stadtverwaltungen gelieferten todbringenden Hauch bezahlen konnten,
schwelgten Halbweltgrößen und Parvenus hinter
pompösen Vorhängen der Luxusbars in
Perversitäten.«
(W. Ruge, s.o., S.111/112).
Nicht nur die arbeitende Bevölkerung, auch große
Teile des selbständigen Mittelstandes verarmte schlagartig.
Diese katastrophale Situation veranlaßte viele Parteien links
wie rechts (mit Ausnahme der NSDAP) zum passiven Widerstand gegen die
Besatzung aufzurufen. Diesem folgten alle Teile der ArbeiterInnen.
Der gemeinsame Aufruf zum (passiven) Widerstand hatte nicht
ausschließlich eine Stärkung des antifaschistischen
Bewußtseins zur Folge, daß sich unter anderem im
sogenannten "Antifaschistentag" (initiiert von der KPD) am 29. Juli
1923 manifestierte. Vielmehr kam es gleichzeitig zu einer starken
nationalistischen Welle in ganz Deutschland, in dem eben gegen die
alliierte (französische) Besetzung des Ruhgebietes vorwiegend
mit nationalistischen Parolen polemisiert wurde. Auch die KPD war nicht
im Stande hier ein differenzierte Position zu Wege zu bringen. Im
Gegenteil, selbst obere Funktionäre sprangen in fataler Weise
auf den nationalistischen Zug auf, der damals durch das Land brauste.
Das reichte in einzelnen Ortsverbänden zu gemeinsamen Plakaten
von völkischen und kommunistischen Rednern, die zur Diskussion
einluden. Erst an diesem Punkt griff die Führung der Partei -
allerdings zu spät - ein. Bekanntestes Beispiel der verfehlten
Politik bezüglich d er nationalen Frage, ist die Rede Karl
Radeks auf der erweiterten Exekutive der KI am 20. Juni 1923 zum Tode
Albert Leo Schlageters (faschistsicher Söldner, der gegen die
französische Besatzung des Ruhrgebietes Sabotageakte
verübte und zum Tode verurteilt und hingerichtet wurde):
»(...) Während der ganzen Rede der Genossin Zetkin
über die Widersprüche des Faschismus schwirrte mir im
Kopf der Name Schlageter herum und sein tragisches Geschick. Wir
sollten seiner Gedenken, hier, wo wir politisch zum Faschismus Stellung
nehmen. Die Geschicke dieses Märtyrers des deutschen
Nationalismus sollen nicht verschwiegen, nicht mit einer abwertenden
Phrase erledigt werden. Sie haben uns, sie haben dem deutschen Volke
vieles zu sagen.
Wir sind keine sentimentalen Romantiker, die an der Leiche die
Feindschaft vergessen und wir sind keine Diplomaten die sagen: am Grabe
Gutes reden oder Schweigen. Schlageter, der mutige Soldat der
Konterrevolution, verdient es von uns, Soldaten der Revolution,
männlich-ehrlich gewürdigt zu werden. (...)
Vom Kampf sprechen die Genossen Schlageters an seinem Grabe. Den Kampf
weiterzuführen, schwören sie. Der Kampf richtet sich
gegen einen Feind, der bis an die Zähne bewaffnet ist,
während Deutschland entwaffnet, während Deutschland
zermürbt ist. Soll das Wort vom Kampfe keine Phrase sein,
(...) so erfordert dieser Kampf die Erfüllung einer Reihe von
Vorbedingungen. Er fordert von dem deutschen Volke, daß es
bricht mit denen, die es nicht nur in die Niederlage
hineingeführt haben, sondern diese Niederlage, die
Wehrlosigkeit des deutschen Volkes verewigen, indem sie die Mehrheit
des deutschen Volkes als den Feind behandeln. (...)
Die Sache des Volkes zur Sache der Nation gemacht, heißt die
Sache der Nation zur Sache des Volkes. (...)
Dies hat die Kommunistische Partei Deutschlands, dies hat die
Kommunistische Internationale an dem Grabe Schlageters zu sagen. Sie
hat nichts zu verhüllen, denn nur die volle Wahrheit ist
imstande, sich den Weg zu den tief leidenden, innerlich zerissenen,
suchenden nationalen Massen Deutschlands zu bahnen.(...)«
Eine andere Seite
Auf der anderen Seite kam es noch in diesem Jahr im Osten Deutschlands
(Thüringen) zu massiven Generalstreiks gegen die
rechtsgerichtete Regierung unter Führung Cunos.
»Das Kabinett Cuno steuerte brutal auf die schrittweise
Verwirklichung eines von Stinnes entworfenen Planes zur Niederzwingung
aller fortschrittlichen Kräfte und zur
uneingeschränkten Restauration der Macht des deutschen
Monopolkapitals zu. Dieser Plan sah u.a. vor, alle Arbeiter 10 bis 15
Jahre lang zu zwei unbezahlten täglichen Überstunden
zu verpflichten, für die Dauer von 5 Jahren jegliche Streiks
zu verbieten, die Akkumulation von Kapital mit allen Mitteln zu
fördern und sämtliche seit Krieg und
Novemberrevolution in Kraft getretenen Gesetze zu
"überprüfen".
Die Realisierung eines solchen Programms, das sich der auf die
Verfassung vereidigte Reichskanzler (Cuno, d.V.) zu eigen machte,
hätte die völlige Liquidierung des in der
republikanischen Gesetzgebung verankerten sozialen und politischen
Fortschritts und damit faktisch das Ende der Weimarer Republik
bedeutet.«
(W. Ruge,s.o,S. 116/117)
Diese politische Situation mündete schließlich im
Generalstreik, vor allem durchgeführt in
Thüringen,Sachsen und Berlin, was die Absetzung Cunos
bedeutete (Rücktritt am 12. August 1923). Das führte
zur Bildung der Großen Koalition zwischen SPD und DVP.
Unmittelbar machte dies wiederum den Weg für eine
fortschrittliche Koalition zwischenSPD und KPD in Thüringen
möglich, die bereits einen Monat später gebildet
wurde.
Vor diesem Hintergrund kam es im Oktober 1923 zum Hamburger Aufstand,
der jedoch isoliert und allein durch die KPD geführt wurde und
scheiterte. (Daran schloß sich ein vorübergehendes
Verbot der KPD an.) Damit war auch die fortschrittliche Koalition in
Thüringen faktisch aufgelöst und mit dem Einmarsch
der Reichswehr in Thüringen (zuvor Ausnahmezustand in Sachsen
und ebenfalls Einmarsch) mußten die kommunistischen Minister
Thüringens Anfang November zurücktreten.
Während in Mitteldeutschland die linken fortschrittlichen
Kräfte um die Frage der Macht rangen, stellte sich die
Situation im Süden der Weimarer Republik gänzlich
anders dar.
War es schon im September in Bayern zu Unruhen durch rechte
Kräfte gekommen (Ausnahmezustand), mündete dies am 9.
November 1923 im "Marsch auf die Feldherrenhalle" durch die Faschisten
um Adolf Hitler und Generalfeldmarschall a. D. Ludendorff. Hierbei
handelte es sich um den Versuch der Faschisten, zunächst in
Bayern (München) die Macht zu erlangen, um dann mit dem
"Marsch auf Berlin" eine faschistische Diktatur nach dem Vorbild
Mussolinis in Italien zu schaffen. (Dieser war im Oktober 1922
Ministerpräsident Italiens mit dem "Marsch auf Rom" geworden).
Bei dem mißlungenen Putschversuch der deutschen Faschisten in
München kam es zu mehreren Toten (16 Faschisten und 3
Polizisten). Die NSDAP wurde vorübergehend verboten. Der
anschließende Prozeß belohnte allerdings die
Putschisten mit milden Urteilen und Hitler wurde zu fünf
Jahren Festungshaft verurteilt. Nach knapp einem Jahr wurde er bereits
entlassen.Diese Zeit hatte er genutzt um "Mein Kampf" zu verfassen.
Zeit
der Konsolidierung
Nachdem die wirtschaftliche Talfahrt und die Inflation
überwunden waren (Wiedereinsetzung der Zahlungen an die
Siegermächte gemäß des Versailler Vertrages
sowie gleichzeitiger Verzicht einiger Forderungen der
Siegermächte; Dawes-Plan), setzte sich in Deutschland die
konsolidierende Politik der SPD durch; sie arrangierte sich mit dem
Großkapital, die Gräben der revolutionären
ArbeiterInnenschaft wurden auf der einen Seite immer tiefer. Auf der
anderen Seite bedeutete das für die SPD-treuen ArbeiterInnen,
daß diese in der Tat kein Interesse mehr an einer
grundlegenden Veränderung der Gesellschaft hatten. Es ging
vielmehr darum, mit Hilfe der parlamentarischen Demokratie und der
"ihrigen Regierung" die kärglich erworbenen Privilegien zu
erhalten.
Für die an den Aufständen Beteiligten war noch nicht
vergessen, daß die SPD von 1918-23 mit ultrarechten
Reichswehrverbänden und Freikorpstruppen zusammengearbeitet
hatte. Die Gefängnisse waren voll mit abgeurteilten
RevolutionärInnen.
Emil Julius Gumbel analysierte 1922 in seinem Buch "Vier Jahre
politischer Mord" die Urteile der damaligen Rechtssprechung und kam zu
der Erkenntnis, daß die von nationalen Bünden
Begangenen Morde kaum geahndet worden waren, die wenigen von Linken
begangenen Taten jedoch stets rigoros bestraft wurden. Dazu noch einmal
Abendroth:
»Bei den Linken wirkt in dieser Restaurationsphase der
Republik, die immer deutlicher ihre Verknüpfungen mit dem
monarchistischen Obrigkeitsstaat hervorhebt, stabilisierend der
Bürgerkrieg nach, jetzt als Empfindungslage der Linken: der
Bürgerkrieg zu Beginn der Republik und die Periode des
unmittelbaren gemeinsamen Terrors der Rechten, der rechtesten
Sozialdemokratie., Typ Noske, Typ Ebert, mit den Freikorps gegen die
Arbeiterklasse... Aber es ist klar, was an den Empfindungen
zurückbleibt und daß infolgedessen auch die
Vertiefung der Spaltung in der ArbeiterInnenbewegung
hängenbleibt und weshalb bei jedem schweren
Rückschlag eine ultralinke Welle entsteht.«
Anstelle einer revolutionären Veränderung trat die
Festigung der Weimarer Republik. Politisch war diese Phase bestimmt von
der "Weimarer Koalition", die sich aus den Parteien SPD, Zentrum und
Deutsche Demokratische Partei (DDP) sowie der Deutsche Volkspartei
(DVP) zusammensetzte.
Stück für Stück wurden die sozialen und
demokratischen Rechte, die Hunderttausende mit der Novemberrevolution
1918 erkämpft hatten, rückgängig gemacht.
Die Verabschiedung eines Ermächtigungsgesetzes am 8. Dezember
1923 durch die Reichstagsmehrheit unter Wilhelm Marx (Zentrum) mit
Zustimmung der SPD zur notwendigen Zweidrittelmehrheit, gab der
Regierung die ersten Volllmachten für einen freien Weg,
Maßnahmen zur Stabilisierung der kapitalistischen Wirtschaft
zu ergreifen.
Innenpolitisch verschob sich das Kräfteverhältnis im
Parlament (in den folgenden Wahlen im Laufe der 20er Jahre) immer
weiter zugunsten der rechten und reaktionären Parteien. So
stimmten bei den Reichstagswahlen am 4. Mai 1924 über 10
Millionen Wahlberechtigte (ca. 34%) für die
rechtsbürgerlichen Parteien. Für die SPD stimmten 6
Millionen (20,5%). Die KommunistInnen erhielten 3.7 Millionen Stimmen
(12,6%).
Ausdruck der vollständigen Restauration der
reaktionär-konservativen Kräfte innerhalb der
Gesellschaft war die Wahl Hindenburgs zum Reichspräsidenten
nach dem Tode des rechten SPDlers Friedrich Ebert im Jahre 1925.
Politik der Kommunistischen
Internationale
Als einzige relevante (Massen-)Partei unterstützte und
organisierte die KPD, die vom 23. November 1923 bis zum 1.
März 1924 in Folge des Hamburger Aufstandes
vorübergehend verboten worden war, die politischen Forderungen
der sich als revolutionär verstehenden ArbeiterInnen.
Trotz ihres eigenen Anspruchs revolutionäre Politik zu
betreiben und sich die KPD selbst eng auf der Seite der
RevolutionärInnen sah, sollte die Politik vor dem Hintergrund
der Einbindung der KPD in die Kommunistische Internationale (KI)
betrachtet werden. Vor allem die Motivation der Führung der
KPD bestimmte Entscheidungen zu fordern, ist anhand der
Beschlüsse der KI häufig abzuleiten.
Bei der Politik der KI in Bezug auf die Weimarer Republik muß
die spezielle Rolle der deutschen Außenpolitik für
die Sowjetunion gesehen werden. Grundsätzlich ist von
Bedeutung, daß die Dominanz und der Vorbildcharakter, den die
KPDSU innerhalb der KI hatte, die Beschlüsse der KI stark
bestimmten. In diesem Zusammenhang kam die (zwangsläufige?)
widersprüchliche Rolle der KPDSU bezüglich der
Regierenden in der Weimarer Republik und der KPD als Opposition zum
Tragen.
Mit dem Vertrag von Rapallo hatte die Weimarer Koalition und damit
Deutschland als erster (einziger) Staat die
Souveränität der Sowjetunion als erstes
sozialistisches Land anerkannt. Nicht nur das; ein ausgiebiger
wirtschaftlicher Handel wurde besiegelt. Bekanntestes Beispiel
für die Zusammenarbeit der beiden Staaten, was schon in jener
Zeit Ende der 20er Jahre für Furore sorgte, waren die Abkommen
der gegenseitigen Hilfestellungen innerhalb des
Militärapparates. So wurden die Offiziere der sich als
revolutionäre verstehenden Roten Armee der Sowjetunion in
deutschen Kasernen durch jene Reichswehr ausgebildet, die gleichzeitig
für die Unterdrückung der Opposition (u.a. der KPD)
zuständig war. Im Gegenzug wurde sogar ein Teil der
Militärproduktion Deutschlands in die Sowjetunion verlagert
und ebenso der sowjetische Militärapparat durch deutsche
Waffen bestückt.
Diese sollten für die Sowjetunion gleichzeitig zu
militärischen Verteidigung gegen die imperialistischen
Staaten, wie Deutschland und andere westliche Staaten dienen. So hatten
die Beziehungen zum deutschen Staat, unter Führung der
republikanischen Parteien (SPD, Zentrum, DVP) sowohl national als auch
international für die bis dato relativ schwach entwickelte/
instabile Sowjetunion eine Schlüsselfunktion.
In den späten Analysen und Beschlüssen der KI bleibt
der Eindruck nicht aus, daß die Führung der KPD
teilweise auch dazu genutzt wurde, die Außenpolitik der
Sowjetunion je nach Notwendigkeiten, innerhalb Deutschlands zu
unterstützen bzw. praktisch umzusetzen.
"Abweichler" und
"Versöhnler"
Ebenfalls von Bedeutung für die Politik der KPD waren die
Machtkämpfe innerhalb der KPDSU. Diese spiegelten sich zum
Teil auch in der KPD wieder.
Nach dem Tode Lenins 1924 setzte der Kampf um die Führung der
kommunistischen Partei in der Sowjetunion ein, der zunächst
von der Gruppe Stalin, Sinowjew, Bucharin gegen Trotzki und seine
Anhänger geführt wurde. Später spalteten
sich wiederum Sinowjew und Kamenjew von der Mehrheitsgruppe ab und
bildeten einen Block mit Trotzki. Im Frühjahr 1928 gab es in
der Mehrheit eine neue Fraktionierung.Der Kampf der engeren Gruppe um
Stalin bereitete sich auf den Kampf gegen den Rest vor; selbst der
jahrelang eng Vertraute Bucharin wurde dazu "abgesetzt".
Bei diesen Auseinandersetzungen innerhalb der KPDSU blieb die Wirkung
auf die KI nicht aus, was sich aus der vorhin beschriebenen
Vorbildfunktion der Sowjetunion ergab. Entsprechend fand auch innerhalb
der KI (automatisch) eine Fraktionierung statt.
So wurde im Februar 1928 ein Abkommen mit der Leitung der KPD
(Thälmann, Neumann, Remmele) geschlossen, das den Kampf gegen
"Versöhnler" und "Sozialdemokraten" auf die Tagesordnung
setzte. Dieses Abkommen muß aber so verstanden werden,
daß dies nicht nur die Politik in Bezug auf die
Sozialdemokratie in Form der SPD meinte, sondern dieser Kampf gegen die
"Versöhnler" etc. auch als organisationsinterner Kampf zu
verstehen war.
Die Konsequenz dieser Linie war ein ultralinker Kurs. Woraus bestand
dieser?
Analyse
contra Einheitspolitik
Spätestens seit der Novemberrevolution bzw. der
Niederschlagung der revolutionären Aufstände war es
klar geworden, daß die einst geeinte stärkste
ArbeiterInnenbewegung in Europa gespalten war. Trotz dieser Spaltung
kam es immer wieder zur Zusammenarbeit. Diese Zusammenarbeit oder
vielmehr die Hoffnung, daß die ArbeiterInnenbewegung wieder
vereint werde, der Gedanke einer einheitlichen Front gegen die
Klassenfeinde der Bourgeoisie und des Großkapitals, war immer
wieder zentraler Punkt innerhalb der Politik der KPD. So kam es auf der
einen Seite zu heftigen Abgrenzungen gegen die (Führung) der
SPD auf der anderenSeite auch zu Einheitsfronten, als deren
prägnantestes Beispiel der Generalstreik zur Bezwingung des
Kapp-Putsches steht, aber auch die fortschrittliche Regierungskoalition
in Thüringen 1923 war Ausdruck des einheitlichen Vorgehens
gegen reaktionäre Entwicklungen in der Weimarer Republik.
Seit der Konsolidierungsphase ab 1924 wurde die Schaffung einheitlicher
Aktionen, alle unterschiedlichen Parteien und Gruppen der
ArbeiterInnenklasse, insbesondere die Gewerkschaften, als
BündnispartnerInnen begrüßt. Damit ging der
Versuch einher, innerhalb der jeweiligen Organisationen kommunistische
Positionen durchzusetzen und vor allem die Basis zu radikalisieren.
Demzugrunde lagen eben die Erfahrungen aus der erfolgreichen Abwehr des
Kapp-Putsches und die Tatsache, daß seit Festigung der
gesellschaftlichen Verhältnisse an eine bewaffnete
Umwälzung nicht mehr zu denken war. So bestand eine
Hauptaufgabe der Politik der KPD imerreichen und Verteidigen
tagespolitischer Forderungen. Dies war lediglich in Zusammenhang mit
anderen Kräften möglich und das wurde vor allem in
Zusammenarbeit mit den Gewerkschaften verwirklicht.
Im Jahre 1928, mit der Zuspitzung der Lebensverhältnisse und
der sichtbarwerdenden Krise der Weimarer Republik, wurde dieser Kurs
der Politik grundsätzlich geändert: Im Reformismus,
sprich in der Sozialdemokratie, wurde jetzt - neben denoffen
reaktionären und faschistischen Kräften - als ein
Hauptfeind der ArbeiterInnenklasse ausgemacht, den es mit der gleichen
Intensität zu bekämpfen galt, wie die rechten
Kräfte. Die "Rechtspolitiker" in den eigenen Reichen, also
jene Leute, die noch Jahre zuvor (erfolgversprechende)
Einheitsfrontpolitik betrieben hatten, wurden in der Konsequenz dieses
Kursschwenkes aus zentralen Funktionen abgesetzt. Ziel war es in dieser
Phase, nicht mit den "Sozialfaschisten" - vor allem der SPD -
zusammenzuarbeiten. Von dieser Politik versprach man sich, die
Polarisierung der ArbeiterInnen auf die eigene Partei lenken zu
können. Zu den folgerichtigen Konsequenzen zählte
dann auch die Gründung der "Revolutionären
Gewerkschaftsopposition" (RGO), da es keinen gemeinsamen Kampf mit der
SPD geben sollte, schon gar nicht in einer Organisation.
Deutlich wird diese Änderung im Vergleich zweier
Erklärungen Stalins. Die eine von 1925, in der er sich noch
eindeutig gegen sektiererische Politik wendet: »Diese Leute
wollen die Gewerkschaften von außen attackieren, indem sie
sie als feindliches Lager betrachten. Sie begreifen nicht,
daß bei einer solchen Politik, die Arbeiter sie
naturgemäß als Feinde betrachten werden (...) Sie
begreifen nicht, daß eine solche Politik dem Eindringen der
Kommunisten in die Millionenmassen der Arbeiter Abbruch tut, statt es
zu erleichtern.« Sprach sich Stalin hier noch eindeutig
für eine Taktik aus, die den Verbleib in den
SPD-geführten Massenorganisationen favorisierte,
erklärte er 1929: »Vollkommen denkbar wäre
daher eine Situation, in der es notwendig werden kann, parallele
Massenorganisationen der Arbeiter zu schaffen, entgegen dem Willen der
sich an die Kapitalisten verkauften Bonzen
(Gewerkschaftsfunktionäre, d.V.) (...) Es ist durchaus
möglich, daß auch in Deutschland die Entwicklung in
dieser Richtung verlaufen wird.«
Die Konsequenz dieser "sprunghaften" Politik der KPD innerhalb weniger
Jahre war nicht nur das "Absetzen" und "Säubern" der eigenen
Reihen, sondern eine nicht mehr vermittelte und somit nachvollziehbare
Linie der politischen Taktik der KPD. Die immer weitere Zersplitterung
der ArbeiterInnenbewegung und deren ideologische Uneinigkeit sollte
Ende der Weimarer republik ein entscheidender Hemmschuh auf Seiten der
sich als revolutionär verstehenden ArbeiterInnenschaft werden.
Die
Sozialfaschismusthese
War das Erklären der "Sozialfaschisten" als eine der
vordringlich zu bekämpfenden Gefahren zum einen aus dem
taktischen Kalkül der KPDSU zu erklären, so
fußte zum anderen das Annehmen dieser These - auch bei der
KPD-Basis - auf die Rolle der SPD. Diese war dadurch gekennzeichnet,
nur wenige Jahre zuvor, revolutionäre Bestrebungen in
rabiatester und blutiger Weise Hand in Hand mit den Rechten
niedergeschlagen zu haben.
Doch die Sozialfaschismusthese umfaßte mehr als nur
taktisches Kalkül, an sie schloß sich eine Analyse
der Verhältnisse an, die aus heutiger Sicht als gravierende
Fehleinschätzung der gesellschaftlichen Kräfte zu
bewerten ist. Auf der einenSeite die Unterschätzung der sich
entwickelnden faschistischen Massenbewegung und auf der anderenSeite
das "Vertrauen" in das vermeintlich materialistisch-historische
Bewußtsein des größten Teils der deutschen
ArbeiterInnenbewegung.
So wurden Signale, die Vergleiche hätten zulassen
können, wie beispielsweise des sich aufschwingenden Faschismus
in Italien Anfang der 20er Jahre, nicht ausreichend wahrgenommen. Dort
war Mussolini ohne größeren Widerstand (ohne jene in
Vergessenheit geraten zu lassen, die Widerstand leisteten) der
ArbeiterInnen an die Macht gekommen.
Lediglich die (zuvor erwähnte) Gruppe um August Thalheimer,
die sich ab 1930 als KPD-O - später nur noch KPO
(Kommunistische Partei-Opposition) - konstituierte, war
bemüht, über das Charakterisieren der
Reaktionären Kräfte hinaus, auch in der
Gesellschaftsanalyse die soziale Zusammensetzung der faschistischen
Massenbewegung und damit verbunden das Bewußtsein eines
großen Teils der ArbeiterInnenbewegung und des Mittelstandes
zu untersuchen. Jedoch muß hier gleich eingeschränkt
werden, so differenziert und z.T. richtig die Analyse Thalheimers auch
war, breitere Schichten konnte diese Auseinandersetzung mit dem
aufkommenden Faschismus nicht erreichen. Mit dem Ausschluß
Thalheimer aus der KPD war die Chance vertan, überhaupt noch
größere Kreise zu erreichen.
»Thalheimer ging davon aus, daß in dem
Maße, wie soziale Konflikte und ökonomischen Krisen
die Erhaltung des gesellschaftlichen Gesamtsystems gefährden,
die parlamentarische Demokratie funktionslos würde. Er
schrieb: "Die Aushöhlung des
bürgerlich-parlamentarischen Regimes erfolgt schrittweise. Und
die Bourgeoisie ist dabei der Hauptagent. (...) Ihre Sache ist es, die
Bedingungen zu schaffen, damit sozial 'gerettet' und politisch
vergewaltigt werden kann." Grundlage seiner Einschätzung ist
die Ohnmacht der Arbeiterschaft und die arbeiterfeindliche
Radikalisierung von Mittelschichten sowie die Unfähigkeit des
Großbürgertums, mittels der traditionellen
politischen Repräsentation der sozioökonomischen
Desorganisation zu begegnen. Er kennzeichnete die wesentlichen
Züge des Faschismus so: "Die 'Verselbständigung der
Exekutivgewalt', die politische Unterwerfung aller Massen,
einschließlich der Bourgeoisie selbst, unter die
faschistische Staatsmacht bei sozialer Herrschaft der
Großbourgeoisie und der Grundbesitzer"«.
(Albrecht Lein, Antifaschistische Aktion 1945 - Die "Stunde Null" in
Braunschweig, Göttinger politikwissenschaftliche Forschungen,
Band II, 1978).
In der Einschätzung der Hauptgefahr legt die Faschismusanalyse
der KPD andere Schwerpunkte. Dazu schreibt Lein:
»Demgegenüber sieht die KPD-Sozialfaschismusthese
zwar auch die Hauptgefahr in den Zwischenschichten, aber vor allem in
den Randschichten der Arbeiterschaft. Weil das Proletariat in der
Offensive sei, müsse es die politische Hauptstütze in
der Bourgeoisie in der Arbeiterschaft (SPD. d.V.) bekämpfen
und zerschlagen. Dabei sei, kurz vor dem Sieg der Revolution, der sich
mit sozialen Phrasen tarnende Faschismus, der Sozialfaschismus,
gefährlicher als der bürgerliche Faschismus, der im
übrigen nicht deutlich als eigene terroristische
Herrschaftsform benannt wird. Denn im Grunde sei die Bourgeoisie nicht
mehr fähig, dem Ansturm des Proletariats standzuhalten, sei
also potentiell bereits geschlagen. Der Glaube an die Mechanik des
Sieges gegenüber der gegnerischen Klasse und der Verzicht auf
jegliche Bündnispolitik innerhalb de Arbeiterschaft wie auch
anderen Klassen und Schichten sind m.E. die wesentlichen Fehler dieser
Analyse.«
Hätte sich um die Analyse dieser beiden Ansätze auch
damals streiten lassen, so war die Ansicht der KPD, das Proletariat sei
in der Offensive und die spätere Notverordnungspolitik der
Weimarer Republik unterscheide sich nur noch in Nuancen vom Faschismus,
doch grundfalsch. Mit dieser Analyse nahm sie den bürgerlichen
Kreisen, die bereit gewesen wären, sich in eine breite
anti-nationalsozialistische Front zu stellen, jegliche
Möglichkeit der Zusammenarbeit mit revolutionären
Kräften. Darüberhinaus verharmloste sie nicht nur die
terroristische Qualität des Faschismus, auch nahm sie damit
indirekt die Dringlichkeit der Abwehr des Faschismus nicht ernst genug.
Aber all das bleibt fast nebensächlich, in Anbetracht der
Tatsache, welche praktischen Konsequenzen vorübergehend aus
dieser Analyse erfolgten. Selbst bis 1932 wurde sich seitens der
KPD-Führung im widersprüchlichen Kurs in erster
Linievon der SPD abgegrenzt. Da von der SPD als staatstragende Kraft
nichts anderes zu erwarten war, als Ablehnung, beging die
KPD-Führung den Fehler, sich mehr mit der Polemisierung gegen
de SPD-Führung zu befassen als auf die weitesgehend von der
Basis geforderten Einheitsaktionen einzugehen und diese Zusammenarbeit
herauszustellen. Dies änderte sich erst mit der offiziellen
Gründung der AntifaschistischenAktion.
Antifaschistische
Organisationen in der Weimarer Zeit
Im folgenden werden die verschiedenen (militanten) Organisationen
(Wehrverbände) der linken Kräfte (SPD und KPD)
dargestellt. Im letzten, ausführlichsten Teil sollen nochmals
Fehler und unterschiedliche konstruktive Ansätze der
Antifaschistischen Aktion beleuchtet werden.
Warum Wehrverbände?
Heute mutet es ein wenig befremdlich an, wenn in der Auseinandersetzung
mit linker Geschichte Wehrverbände auftauchen. Diese werden
heute fälschlicherweise oft als militaristische
Schlägertrupps oder mit sonstigen Platitüden abgetan.
Aber auch die Tatsache linker Wehrverbände gehört zur
Geschichte der revolutionären Bewegung. Gerade in Bezug auf
die Entstehung der Antifaschistischen Aktion spielten diese
Verbände eine zentrale Rolle.
Nach dem I. Weltkrieg stellte sich die Situation für einen
großen Teil der männlichen Bevölkerung so
dar, daß sie faktisch keine "Nutzen" innerhalb der
Gesellschaft hatten. Das soll heißen, daß viele
Menschen mit sehr jungen Jahren 1914 "kriegsbegeistert in die Schlacht"
gezogen waren, sich auf linker Seite an der Revolution beteiligt
hatten, jetzt aber, in sogenannten Friedenszeiten, weder einen Beruf
gelernt noch sonstige Perspektiven vor Augen hatten.
So war es auch für linke Kreise von Bedeutung, daß
nicht ein überwiegender Teil der ehemaliegn Kriegteilnehmer in
die rechten (Freikorps-)Verbände gingen, um dort ihre
"Kenntnisse" vom Krieg umzusetzen, sondern mit einer linken Perspektive
von einer anderen Gesellschaft verbunden, ihre "Fähigkeiten"
einbringen sollten. Desweiteren stellten die objektiven politischen
Bedingungen die Frage nach der Notwendigkeit einer militanten
Verteidigung von ArbeiterInnenvierteln und politischen und sozialen
Errungenschaften.
Zwar war im Versailler Vertrag festgelegt worden, daß die
deutsche Reichswehr 100000 Mann nicht überschreiten durfte und
desweiteren galt darüberhinaus - wie heute - ein Verbot
nichtstaatlicher paramilitärischer Organisationen und Parteien
(Gewaltmonopol des Staates), jedoch sah die Realität anders
aus. Daß neben der regulären Reichwehr, die stark
rechtsgerichtete sogenannte "Schwarze Reichswehr" existierte sowie
zahlreiche rechte/faschistische Wehrverbände, war in jener
Zeit ein offenes Geheimnis. So existierte beispielsweise seit 1920 die
SA (Sturmabteilung), seit 1925 die SS (Schutzstaffel), beides
Unterorganisationen der NSDAP, der Stahlhelm, der Jungdeutsche Orden,
der Wehrwolf, die Organisation Consul (für die Ermordung des
Außenministers Rathenau verantwortlich) etc. Die Mitglieder
dieser Organisationen rekrutierten sich zum größten
Teil aus den ehemaligen Freikorps.
»Die Freikorps hatten 1919 eine Stärke von ca.
400000 Mann. Getragen von diesen Militärkreisen wurde schon
1918 ein politischer Geheimdienstapparat aufgebaut, der vor allem auf
konterrevolutionäre Aktionen gegen die ArbeiterInnenbewegung
ausgerichtet war. Der "politische Nachrichten- und Erkennungsdienst"
der vorläufigen Reichwehr war bereits 1919 wieder
reorganisiert. Er fußte auf über ganz Deutschland
verteilte örtliche Organe, den speziell eingerichteten
Nachrichtenstellen (Nst) und später Abwehrstellen (Ast) bei
den Wehrkreiskommandos, den Brigaden und sonstigen Einheiten der
vorläufigen Reichswehr sowie der Freikorps. Dieser
militärische Geheimdienst legte mit seinem weit verzweigten
Spitzelnetz die Voraussetzungen für die Entwicklung der
politischen Polizei in den ersten Jahren nach 1918.
Aus dem Potential der Freikorps rekrutierte sich außerdem die
entstehende Sicherheitspolizei (SiPo), die auf eine Stärke von
100000 Mann kam.
Die politische Einstellung der SiPo wurde beim Kapp-Putsch 1920
offenkundig, als sie sich auf die Seite der reaktionären
Kapp-Putschisten schlug.
Aber nicht nur aus diesem Grund wurde die SiPo aufgelöst,
sondern auf Befehl der Siegermächte (der Entente), die in der
Sicherheitspolizei eine militärische Institution sahen.
Die SiPo wurde durch die neue Polizei ersetzt, die Schutzpolizei
(SchuPo). Zwar war die SchuPo ein wenig veränderter Apparat,
das Personal aber blieb das gleiche. Fast alle SiPo-Leute wurden zu
SchuPos.Die Schutzpolizei bestand schließlich aus 150000
Mann, 85000 davon entfielen auf die preußische Polizei.
Diese Polizei war, allen Beteuerungen und Selbsttäuschungen
der SPD zum Trotz, natürlich rechts. Schon die
Ausbildungspläne spiegelten diese Ausrichtung wieder. Z.B.
wurde in Planspielen grundsätzlich gegen kommunistische
Umsturzversuche vorgegangen, Aktionen gegen rechte Gruppen kamen in den
polizeilichen Planungen nicht vor. Die rechte/faschistische Gesinnung
der Polizisten ließ sich aber auch direkter ablesen. So waren
90% der Beamten im reaktionären "Dillenburger Verband"
organisiert, öfter auch im "Stahlhelm", einer
paramilitärischen rechtsradikalen Organisation und
ähnlichen Gruppierungen.«
(Kein Vergeben - Kein Vergessen! Broschüre zur Demo am
17.11.1990 in Göttingen, Autonome Antifa (M), 1990).
Vor diesem gesellschaftlichen Hintergrund gründete die SPD,
zusammen mit den anderen bürgerlich demokratischen Parteien,
eine republikanische Garde als "Hüter der Republik" das
Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold. Seine ideologische Ausrichtung,
einerseits gegen die rechten Kräfte als Schützer der
Republik aufzutreten und andererseits aber auch handfesten
Anti-Kommunismus als Grundlage zu besitzen, war die
Totalitarismusthese.
Die KPD hingegen gründete eine militante Organisation, deren
Grundlage der Antiimperialismus bildete; den Roten
Frontkämpferbund.
Beide Organisationen spielten auf "soldatische Traditionen" an.
SPD-nahe
Organisationen
Das Reichbanner
Schwarz-Rot-Gold
Auf Initiative des rechten SPD-Flügels wurde am 22. Februar
1924 das Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold als "Bund republikanischer
Kriegsteilnehmer" in Magdeburg gegründet. Die Organisationen
stand unter der Leitung von Friedrich Otto Hörsing (SPD),
Oberpräsident der Provinz Sachsen und rechter Sozialdemokrat.
Ideologisch war das Reichbanner abhängig von der SPD, obwohl
alle Parteien der "Weimarer Koalition" das Reichbanner
stützten und dieses als "Hüter der Republik" sahen.
Diese Parteien wirkten federführend im Interesse der
Industriellen und der mit ihnen verbundenen SPD und wirkten
demgemäß auch nicht im Sinne einer wirkungsvollen
antifaschistischen und antimilitaristischen Arbeit.
»Nun wäre es voreilig zu vermuten, der Reichbanner
sei in Braunschweig eine Art organisierte Linksfraktion in der SPD
gewesen. Denn in seiner Bildungsarbeit bemühte sich der
Reichsbanner die Geschichte der Rheinbundstaaten, um die Monarchie als
antinational darzustellen und pflegte die Erinnerung an die Revolution
von 1848, um nachzuweisen, daß die Weimarer Verfassung "kein
willkürliches Revolutionsprodukt" wäre, sondern "auf
der Linie einer geschichtlichen Entwicklung" läge. Man wollte
"den Staat ... zu einem wirklichen Heim für alle
Bürger werden lassen" und nahm den "reinen wahren
Nationalismus" für sich in Anspruch. Man wollte nur nicht
"national um einer Herrenschicht", sondern "national um des ganzen
Volkes" sein.
Die Politik der Identifizierung mit der Nation und der Republik, die
durch die Bildungsarbeit erreicht werden sollte, konnte für
das Verhältnis von Mitgliedschaft und Führung nicht
ohne Folgen bleiben und blieb es auch nicht, (...). Die
Stärkung von Indentifikationen mußte
nämlich Hemmung von Konflikt- und Kritikbereitschaft innerhalb
der eigenen Organisation führen.«
(Albrecht Lein, Antifaschistische Aktion 1945 - Die "Stunde Null" in
Braunschweig, S. 89, Göttinger Politikwissenschaftliche
Forschungen; Hrsg.: Die Direktoren Pr. Dr. W. Euchner, Pr. Dr. P .
Lösche, Pr. Dr. E. A. Roloff, (c) 1978.)
Die meisten der ca. 3 Millionen Mitglieder des Reichbanners waren zwar
antimilitaristisch und antifaschistisch eingestellt, aber die
Reichsbannerleitung, vor allem ihr Vorsitzender Hörsing,
bekämpfte von Beginn an jeden Versuch von
Reichsbannermitgliedern, mit KommunistInnen oder anderen konsequent
linken Kräften zusammenzuarbeiten.
Die Eiserne Front
Mit dem Aufruf zum Zusammenschluß aller republikanischen
Kräfte und deren einheitlichem Kampf gegen die
Nationalsozialisten und für die Rettung der demokratischen
Republik wurde im November 1931 die "Eiserne Front" geschaffen. Sie
sollte der neue Kampfbund vom Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbund
(ADGB), den ArbeitersportlerInnen, dem allgemeinen freien
Angestelltenbund (AfA), der Reichsbannerleitung und der SPD werden.
Nachdem bei den Septemberwahlen 1930 die NSDAP große
Stimmengewinne verzeichnen konnte (von 12 auf 107 Abgeordnetensitze)
und sich im Oktober 1931 die nationalen/ faschistischen Kräfte
(NSDAP, Stahlhelm, Deutschnationale Volkspartei (DNVP)) mit Teilen des
Großkapitals und Medienimperien zur "Harzburger Front"
zusammengeschlossen hatten, hielt es das Reichsbanner für
allerhöchste Zeit, einen antinazistischen Abwehrbund zu
schaffen.
Ähnlich wie das 1924 gegründete Reichsbanner
Schwarz-Rot-Gold, sollte auch die Eiserne Front eine
überparteiliche Organisation werden. Allerdings entsprach ihre
innere Struktur dem Status der beteiligten Verbände.
Die SPD-Führung übernahm die gesamtpolitische
Führung, dem Reichsbanner wurde die technische Leitung
übertragen und der ADGB stellte in Betrieben und Berufsgruppen
sogenannte "Hammerschaften" auf, mit denen Übergriffe von
Faschisten abgewehrt werden sollten.
Die Hoffnungen, es würden sich noch andere
größere Bünde und Gewerkschaften
anschließen, erfüllte sich allerdings nicht.Es
gelang nicht, den Widerstand über sozialdemokratische
Kräfte hinaus zu mobilisieren. Dies auch deshalb, weil es ein
Verbot der Leitung gab, welches untersagte, daß kommunistsich
Organisierte Mitglied werden durften.
Kampfzeichen der Eisernen Front waren drei parallele Pfeile auf rotem
Grund von oben links nach unten rechts. Sie sollten auf die
Kampfprinzipien "Einigkeit, Aktivität, Disziplin" hinweisen.
Auf Plakaten der Eisernen Front wurde allerdings noch eine weitere
politische Ausrichtung der drei Pfeile deutlich. Der obere
zerschlägt ein Hakenkreuz, der mittlere eine Krone (Symbol der
Monarchie und des Junkertums), der untere Hammer und Sichel, womit der
antikommunistische Kurs auch offen als Programm vertreten wurde.
Die Eiserne Front betitelte ihre Kämpfe als
"Abwehrkämpfe", so waren sie denn auch zum
größten Teil eher Alibi der SPD, ein
antifaschistisches Gesicht zu zeigen.
Carl von Ossietzky, linksliberaler Schriftsteller, brachte im Januar
1932 in der "Weltbühne" die politische Schizophrenie der
Eisernen Front auf den Punkt:
»Ein neues Schlagwort soll jetzt, nach Beendigung des
weihnachtlichen Burgfriedens, seine Wirkung erweisen. Die "Eiserne
Front" der Republikaner formiert sich. SPD, das Reichsbanner,
Gewerkschaften verschiedener Richtung, republikanische Bünde,
sie alle wollen sich zur Abwehr des Fascismus
zusammenschließen. Die Front ist lang, daran ist kein
Zweifel, wie tief sie geht, welches ihre ideelen Reserven sind,
daß läßt sich noch nicht leicht
abschätzen. Einige Abschnitte der Front, dort wo Arbeiter
stehen, verdienen wohl wirklich eisern genannt zu werden, andre sind
aus biegsameremStoff gemacht und einige nicht besser als
Pfannkuchenteig. (...).
Es ist nicht leicht, zu einer Bewegung kritisch Stellung zu nehmen, der
jedes gute Glück zu wünschen ist. Der Einzelne, der
zur Aktivität gegen den Fascismus gewillt ist, darf nicht
entmutigt werden. Aber gerade weil der einzelne Combattant so hoch
einzuschätzen ist, deshalb muß deutlich
ausgesprochen werden, daß das Schwächste an der
Eisernen Front die Kommandohöhen sind.(...).
Die Führerschicht, unter ganz anderen Verhältnissen
gebildet und gereift, steht müde und weise vor einem
Wirtschaftswirrwarr, der die gewohnten Klassengrenzen verwischt und die
gelernte Marxfibel scheinbar ad absurdum führt. Herr
Hilferding zum Beispiel konstatiert allgemeine
Körperschwäche des Kapitalismus, folgert daraus aber
nicht etwa die Notwendigkeit, den Patienten baldigst
abzusägen, sondern fordert vielmehr die Arbeiter auf, ihn
hochzupäppeln, damit sie wieder mehr verdienen. Hilferding ist
gewiß ein Mann von starkem theoretischem Fundament und
Befähigung zu weitem weltpolitischem Blick, aber so, ohne Ziel
und ohne Feuer, gleicht er allzu sehr einem hochgebauten Leuchtturm,
auf dem nur eine kleine Stearinkerze steht. Der Glaube an die
geschichtsbildende Kraft des Proletariats ist dahin, die eigene
Mutlosigkeit der Führerkaste wird auf die ganze Klasse
projeziert.« Dem ist nichts hinzuzufügen.
KPD-nahe
Organisationen
Proletarische Hundertschaften - Vorläufer des RFB
Die proletarischen Hundertschaften waren regional organisierte
Arbeiterwehren und bestanden aus Mitgliedern (nur vereinzelt Frauen)
des kommunistischen Ordnerdienstes, der u.a. zum Versammlungs- und
Funktionärsschutz der KPD gegründet worden war. Die
Hundertschaften waren militärisch ausgebildet und geschult.
Obwohl Bewaffnung illegal war, verfügten zahlreiche Mitglieder
der Hundertschaften über Waffen noch aus dem I. Weltkrieg oder
den revolutionären Aufständen der vergangenen Jahre.
Im Mai 1923 gab es (laut des Parteibuches "Der bewaffnete Aufstand, aus
dem Jahre 1928) dreihundert proletarische Hundertschaften, vor allem in
Berlin, im Ruhrgebiet, in Sachsen und Thüringen mit insgesamt
etwa 250000 Mitgliedern.Die proletarischen Hundertschaften wurden am
23. November 1923 - zusammen mit der KPD - , kurz nach dem "Hamburger
Aufstand", vom preußischen Innenminister Severing (SPD)
verboten.
Die Gründung des Roten Frontkämpferbundes (RFB)
»Die Hoffnung auf den unmittelbar bevorstehenden Sieg der
Revolution inDeutschland hatte die kommunistische Partei im Herbst 1923
zwar begraben müssen; das bedeutete jedoch keineswegs,
daß sie damit auch das Instrument, daß ihr zu
Erreichung dieses Ziels hatte dienen sollte, die proletarischen
Hundertschaften, für untauglich erachtete. Sowohl in der
Komintern-Diskussion über die "Lehren der deutschen
Ereignisse" des Oktober 1923 als auch in den
Referaten,Anträgen und Resolutionen des IX. Parteitages im
April 1924 wurde die Arbeit in den "Organen der Einheitsfront von
unten" - und zu ihnen zählten die Hundertschaften - als
vordringlich bezeichnet.«
(Kurt G.P. Schuster, Der Rote Frontkämpferbund 1924-1929,
Beiträge zur Geschichte des Parlamentarismus und der
politischen Parteien, Band 55, Drost-Verlag, 1975).
Aufgrund der wachsenden Bedrohung der ArbeiterInnen und des Klein- und
Mittelstandes durch die Wirtschaftspolitik der
rechtsbürgerlichen Parteien und der direkten Angriffe von
Seiten der rechtsradikalen Freikorps, beschloß die KPD die
Gründung einer "proletarischen Wehr- und Schutzorganisation".
Ziel dieser Organisation, die zwar eine eigenständige Struktur
besaß, aber politisch von der KPD bestimmt wurde, war zum
einen der Schutz der ArbeiterInnen vor Überfällen von
Faschisten und der Polizei. Zum anderen besaß die politische
Massenarbeit einen enormen Stellenwert, denn die ArbeiterInnenklasse
sollte ȟber die Methoden und Mittel des
Imperialismus und die Hintergründe der in seinem Namen
geführten Kriege aufgeklärt und somit ihr
Klassenbewußtsein vertiefen«.
(Selbstdarstellung des RFB)
Im Mai 1924 beschloß die Zentrale der KPD in Berlin, mit der
Gründung der proletarischen Wehrorganisation "Roter
Frontkämpferbund" (RFB) in den Bezirken Thüringen und
Halle-Merseburg zu beginnen (Anlaß bzw. Auslöser war
der sogenannte "Blutsonntag von Halle"). In diesen Bezirken
besaß die kommunistische Partei eine gefestigte Position und
konnte auf den noch vorhandenen Strukturen der 1923 verbotenen
"proletarischen Hundertschaften", die in dieser Gegend sehr stark
gewesen waren, aufbauen.
Am 31. Juli 1924 fand im Volkspark zu Halle die
Gründungsversammlung des RFB statt. Um der Gefahr eines
erneuten Verbotes aus dem Wege zu gehen, wurde beschlossen,
(zunächst) keine bekannten Parteifunktionäre in den
Vordergrund treten zu lassen.
In den folgenden Monaten wurden mehrere Unterorganisationen des RFB
gegründet. Der Rote Jungsturm, die Rote Marine und der Rote
Frauen- und Mädchenbund (RFMB).
Exkurs
zu den Unterorganisationen des RFB
Roter Jungsturm (RJ)
Rote Jungfront. Neben den Soldaten richtete der RFB sein Hauptaugenmerk
auf die ArbeiterInnenjugend. Sie kannte weder Krieg direkt, noch
Militärdienst aus eigener Erfahrung und konnte deshalb von den
romantisierenden nationalistischen Märchen über den
heldenhaften Krieg stark beeinflußt werden.
Um den Interessen von Jugendlichen besser und direkter Rechnung tragen
zu können, wurde als Jugendorganisation des RFB am 22. August
1924 in Jena der Rote Jungsturm (RJ) gegründet, der im Januar
1925 in Rote Jungfront umbenannt wurde. Die RJ besaß eine
eigenständige Organisationsstruktur und sollte Jugendliche im
Alter von 16 bis 21 Jahren ansprechen.
Schon eine Woche nach seiner Gründung in Thüringen
hatte der RJ über 2000 Mitglieder.
Die Rote Marine
Eine weitere Unterorganisation des RFB war die Rote Marine (RM), deren
erste Formation im September 1925 inBremen gegründet wurde.
Aufgrund der überschaubaren Größe der
Reichsmarine war es für die Rote Marine nahezu
unmöglich, Matrosen für den Bund zu gewinnen. Sie
blieb auch deshalb mitgliedsschwach, weil die meisten kommunistisch
orientierten Matrosen vor der Gründung der RM bereits dem RFB
beigetreten waren, und eine Mitgliedschaft in beiden Organisationen
untersagt war.
Mitglieder der Roten Marine waren hauptsächlich ehemalige
Matrosen oder Hafen- und Werftarbeiter. Die bedeutendste Abteilung des
Bundes befand sich in Hamburg, wo es 1927 nach eigenen Angaben 400 Rote
Matrosen gab. Weitere Sektionen bestanden in Königsberg,
Lübeck, Unterweser und Kiel. Politisch war die Rote Marine der
jeweiligen Gauführung untergeordnet und finanziell von der
RFB-Bundesführung abhängig. Die Rote Marine hatte den
gleichen organisatorischen Aufbau wie der RFB.
Der Rote Frauen- und
Mädchenbund (RFMB)
Schon auf der I. Reichskonferenz des RFB stand die Bildung einer
unabhängigen Rotfrontkämpferinnenorganisation auf der
Tagesordnung, da die Rolle der Frauen im RFB von Anfang an nicht
geklärt war.
»Zunächst war keineswegs klar, welche Rolle der
"revolutionären" Frau in der Bewegung zugedacht war.
Richtlinien und Satzungen gaben darüber keinen
Aufschluß, aber die Kameradinnen waren von Anfang an mit
dabei und wurden an einigen Orten sogar in Funktionärsstellen
gewählt."
(Kurt G.P. Schuster, s.o.)
Nach kontroverser Diskussion setzte sich die Ansicht durch,
daß eine eigenständige Frauenorganisation weit mehr
Anziehungskraft auf Arbeiterinnen haben würde als der RFB.
»Als die Bezirksleiter mit dem Projekt der Frauenabteilung
vor ihre Bezirkskonferenz traten, scheinen sie doch auf einen
weitverbreiteten Widerstand gestoßen zu sein. Das zeigt sich
deutlich im Protokoll der II. Reichskonferenz, deren zweiter
Verhandlungstag - neben der Abstimmung der Anträge - diesem
Thema gewidmet war.«
(Kurt G.P. Schuster, s.o.)
Zudem gab es Anträge von einigen Bezirken, daß
Frauen und Mädchen künftig nicht mehr an
Aufmärschen und Veranstaltungen teilnehmen sollten, da sie
"den Anstrengungen nicht gewachsen" seien und die militärische
Disziplin stören würden.
»Die anschließenden Diskussion erbrachte eine bunte
Reihe von Argumenten unterschiedlicher Qualität und Provenienz
(Herkunft, d.V.) für und wider die Loslösung vom
Bunde: Die Rolle der Frau in der Pariser Kommune, die Tatsache,
daß Rosa Luxemburg eine Frau war, die Verwendbarkeit der Frau
im Sanitätsdienst, die durch denEinsatz von Frauen
möglicherweise steigende Anziehungskraft des Bundes, die
Tatsache, daß der Gegner (die rechts-reaktionären
Bünde, d.V.) sich im Luisenbund ebenfalls eine Frauenabteilung
geschaffen habe, wurden für den Verbleib der Frauen und
Mädchen im RFB ins Feld geführt; dagegen sprach in
den Augen der Delegierten die physiologische Unzulänglichkeit
der Frau im "militärischen" Dienst, die Störung des
disziplinierten militärischen Auftretens, die Zersetzung der
"Manneszucht" durch die Mädchen, die "immer wieder erwiesene"
geringe politische und auch nervliche Standhaftigkeit der
Frau.«
(Kurt G.P. Schuster, s.o.)
Die Reichskonferenz beschloß, »die bestehenden
Frauen- und Mädchenabteilungen obligatorisch vom RFB
loszulösen und die Erfassung und Sammlung der Frauen im Roten
Frauenbund durchzuführen«. Die Bundesleitung wurde
beauftragt, die Initiative zur Gründung des neuen Bundes zu
ergreifen.
»Nicht erwähnt worden war in der Diskussion ein
Argument, das in den Überlegungen der Zentrale der KPD
angeblich eine Rolle gespielt haben soll. Clara Zetkin hat danach die
Ansicht vertreten, daß bei der Angliederung der Frauen an den
RFB die Werbekraft auf das weibliche Publikum zu gering sei und
daß - um den "Radius" der ansprechbaren Frauen zu erweitern -
die organisatorische Selbständigkeit der Frauenorganisation
wünschenswert wäre.«
(Kurt G.P. Schuster, s.o.)
Da es zunächst nur bei diesem Appell blieb, legte
MarthaGrünert, Delegierte auf der II. Reichskonferenz 1925 und
sehr engagiert in der Frage der Frauenorganisation, bei der
Bundesleitung in Berlin folgenden Entwurf vor:
»Die Frauenliga hat die Aufgabe, den Kampf für
soziale Verbesserungen wie Mutterschutz, Kinderhilfe, Schulpflege usw.
zu führen; für Abschaffung der [[section]]128 und
[[section]]219 einzutreten, (...) in enger Verbindung mit dem
RFB.«
Der KPD gingen die politischen Ambitionen dieses Entwurfs jedoch
entschieden zu weit. Der Bund solle nicht zu einem Parteiersatz werden.
Gerade politisch brisante Themen wie Mutterschutz oder Abschaffung des
Abtreibungsparagraphen 218 beanspruchte die KPD für sich.
So wurde auf der am 29. November 1925 einberufenen Reichskonferenz des
"provisorischen Komitees des Roten Frauenbundes" der Rote Frauen- und
Mädchenbund (RFMB) gegründet, dessen Satzung bis auf
den Paragraphen 3 mit der des RFB identisch war.
Der Vorschlag von Martha Grünert, der sich in konkreten
Forderungen zum "Zweck des Budnes" (Satzungsparagraph 3)
äußerte, wurde durch allgemeine und verschwommenere
Formulierungen ersetzt. Somit war klar, daß der RFMB, wie
schon der RFB als "Vorschule der Partei" zu verstehen sein sollte.
Die Auseinandersetzungen um den Zweck des Bundes gingen jedoch
darüber hinaus.
»Dabei wurde von den Frauen die Quadratur des Kreises
erwartet: Sie sollten keine "militärische Organisation" sein,
aber eine "Kampforganisation proletarischer Frauen".Sie sollten kein
"kleinbürgerlicher" Verein sein, aber "Methoden anwenden, wie
sie bisher nur mit Erfolg von bürgerlichen Vereinen gebraucht
wurden". Sie durften nicht "den proletarischen Charakter" ihrer
Veranstaltungen verwischen, aber sollten die "Tatsache beachten",
daß Frauen "ein starkes Unterhaltungs- und
Bildungsbedürfnis haben". Für die
Gründungsversammlung sollte ein "freundliches" Lokal gesucht
werden!«
(Kurt G.P. Schuster, s.o.)
Als Vorsitzende wurde Clara Zetkin gewählt, die diesen Posten
jedoch von Anfang an nur fomal besetzte und ihre Hauptaufgabe in der
KPD-Zentrale sah. Eigentliche Vorsitzende und organisatorischer Kopf
war Helene Overlach, aus der Ortsgruppe Hamburg/ Wasserkante. Nach
eigenen Angaben gehörten dem Roten Frauen- und
Mädchenbund zum Zeitpunkt seiner ersten Reichskonferenz im
November 1926 ca. 25000 Frauen an.
Das Mindestalter wurde auf 16 Jahre festgelegt. Ähnlich wie
die Rote Jungfront beim RFB wurde auch beim RFMB eine
Jugendorganisation, die sogenannten "Mädelgruppen"
eingerichtet. In Ihnen sollten Mädchen von 14 bis 18 Jahren
zusammengefaßt werden.
Frauen, die Mitglied beim RFMB wurden, leisteten, ähnlich wie
die Männer beim RFB, einen Fahneneid, der "im Zeichen des
Blutes" einen "heiligen Schwur bis zum Tod" ausdrücken sollte.
Die Meldungen und Berichte über den RFMB waren, selbst in KPD-
und RFB-Publikationen, mehr als dürftig.
Zur II. RFMB- Reichskonferenz vom 10. Februar 1928, die bei Berlin
stattfand, gab es beispielsweise nur eine kurze Notiz in der "Roten
Fahne", dem Zentralorgan der KPD. Dagegen wurde über
Konferenzen des RFB seitenweise berichtet, Reden und
Diskussionbeiträge sogar häufig im Wortlaut
abgedruckt.
Nachdem der preußische Innenminister Severing von der SPD am
3. Mai 1929 den Roten Frontkämpferbund und seine
Unterorganisationen, die Rote Jungfront und die Rote Marine verboten
hatte, konnte dern von diesem Verbot nicht betroffene RFMB ncoh am 17.
August 1929 legal seine III. Reichskonferenz nach Erfurt einberufen.
Durch die politischen Verbote kam diesem Treffen
verständlicherweise eine besondere Bedeutung zu. Helene
Overlach, 2. Vorsitzende des RFMB, rief alle Proletarierinnen dazu auf,
»Soldaten für die Revolution« zu werden
und die legalen Nachfolgeorganisationen des RFB, wie die
Antifaschistischen Jungen Garden, zu unterstützen und ihnen
beizutreten.
Nachdem Helene Overlach im Jahre 1930 bei einer Demonstration schwer
verletzt wurde und danach zur Schulung in die Sowjetunion ging, finden
sich keine Berichte oder Dokumentationen über die
Tätigkeit des RFMB mehr.
Nach wie vor bleibt ungeklärt, welchen gesellschaftlichen und
innerparteilichen Stellenwert der RFMB tatsächlich hatte.
Selbst die Publikationen der KPD und des RFB, wie bereits
erwähnt, geben wenig Aufschluß über die
tatsächliche Bedeutung und liefern auch ein verzerrtes Bild
dieser Frauenorganisation. Festzuhalten bleibt, daß die in
Ansätzen bekannten und dargestellten Auseinandersetzungen um
die Gründung des RFMB als eigenständige oder
eingegliederte Organsiation, anschaulich dokumentieren, welches - aus
heutiger Sicht - zum Teil rückständiges Frauenbild,
auch auf linker Seite als "Norm" galt.
Es dokumentiert ebenfalls, daß zwar eine Auseinandersetzung
um die Funktion und Wirkungsweise des [[section]]218 oder die Bedeutung
des Mutterschutzes stattgefunden hatte, jedoch eine tiefergehende
(marxistische) Auseinandersetzung um die geselschaftliche Trennung von
Reprodutions- und Produktionsarbeit im Kapiatalismus und der daraus
resultierenden Frauenrolle nicht realisiert worden ist. So fehlt
folglich auch eine breitere Auseinandersetzung um die Funktion der
Kleinfamilie für den aufkommenden Faschismus. Nicht nur beim
RFMB, RFB und KPD, sondern in der gesamten linken/proletarischen
Bewegung spielten diese Fragen eine untergeordnete Rolle.
Einheitsfrontbestrebungen
anhand der Fürstenenteignungskampagne
In der ersten Hälfte des Jahres 1926 stand für den
RFB der »Kampf für die Fürstenenteignung"
im Vordergrund. Die Fürsten - deren Vermögen und
Besitztümer 1918 zwar beschlagnahmt aber nicht enteignet
worden waren - forderten von der Regierung insgesamt etwa 2,5
Milliarden Reichsmark Entschädigung. Allein für die
Hohenzollern zahlte der Staat jährlich 600000 Reichsmark.
Beginn der Kampagne war der von der KPD am 25. November 1925
eingebrachte Gesetzentwurf, der die entschädigungslose
Enteignung der ehemaligen Fürstentümer forderte. Da
der Entwurf erwartungsgemäß abgelehnt wurde, strebte
die KPD einen Volksentscheid an. Zu dessen Durchführung war
zunächst ein Volksbegehren erforderlich, dei dem sich am 17.
März 1926 rund 12,5 Millionen Wahlberchtigte für den
Volksentscheid aussprachen. Das waren weit mehr als die erforderlichen
10%; der Volksentscheid wurde für den 20. Juni 1926 angesetzt.
Von der KPD wurde die Kampagne als großer Erfolg in der Frage
der Einheitsfront gewertet. Große Teile der
mittelständischen Bevölkerungsschicht, die konkret
von der Inflation um ihre Ersparnisse gebracht worden waren und im
allgemeinen mit der fortschreitenden Monopolisierung des Kapitals
(immer mehr Großbetriebe, immer weniger
Mittelständische- und Kleinbetriebe) betroffen waren,
votierten dementsprechend für die Enteignung. Deshalb - schon
allein aus wahltaktischen Gründen - beteiligte sich die SPD
nach anfänglichem Zögern and der Kampagne. Die
Führung des Reichsbanners untersagte ihren Mitgleidern zwar
die Zusammenarbeit mit KommunistInnen, sprach sich aber für
die Kampagne aus. Allein in Thüringen bildeten sich - trotz
der Anweisung der Reichsbannerführung - über 30
Einheitsfront-Komitees, denen KommunistInnen, SozialdemokratInnen,
Rotfrontkämpfer, Gewerkschafts- und Reichsbannermitglieder
angehörten.
»Wer den Fürsten nur einen Pfennig gibt, bezahlt die
Maschinengewehre der Monarchisten«, hieß es auf
einer Kundgeung der Roten Jungfront, der Jugendorganisation des RFB, am
3. Februar 1926 in Berlin/Wedding. In Berlin nahmen am 27. Januar 1926
rund 150000 Menschen an einer Demonstration für die
Fürstenenteignung teil.
Trotz der breiten Mobilisierung und Größe der
Kampagne fehlten am 20. Juni 4,5 Millionen Stimmen. 15,5 Millionen
Stimmen waren mit ihrer "Ja"-Stimme für die
entschädigungslose Enteignung der Fürsten
eingetreten. Das waren mehr, als Hindenburg bei seiner Wahl zum
Reichspräsidenten, nach dem Tode Eberts, 1925 bekommen hatte.
Auch wenn die Kampagne ihr Ziel nicht erreicht hatte, wurde sie von der
KPD ausschließlich als Niederlage gewertet. Ein Teilerfolg
war beispielsweise, daß ein beachtlicher Zuwachs an
Mitgliedern zu verzeichnen war.
Die Kampagne war zugleich Teil des antimilitaristischen Kampfes, denn
die Kron- und Erbprinzen besaßen teilweise
Führungspositionen in den militaristischen Verbänden.
Beispielsweise waren die Hohenzollernprinzen August Wilhelm und Eitel
Friedrich hohe Führer im Stahlhelm und später in der
SA. Erbprinz Josias von Waldeck- Pyrmont gehörte zum
Jungdeutschen Orden, war SS-Führer und später
KZ-Kommandeur.
Bilder
der Straßen
Angesichts der Gefahr, die der RFB durch die jederzeit von Polizei oder
militaristischen Verbänden erfolgenden
Überfälle ausgesetzt war, traf der Bund bei seinem
öffentlichen Auftreten Sicherungsmaßnahmen. Auch die
Erfahrungen aus den Niederschlagungen der revolutionären
Aufstände sowie den anschließenden Verfolgungen
waren Hintergrund dafür, daß alle
größeren Demonstrationen durch einen Beobachtungs-
und Meldedienst gesichtert wurde, der den Zug unmittelbar und in den
Nebenstraßen begleitete. Außerdem marschierten
besondere Sicherungsgruppen hinter der Fahne im Zuge und am Ende des
Zuges. Bei gegebenen Anlässen begleiteten diese
Sicherungsgruppen die Demonstrationen auch in Reihen am
Straßenrand.
Diese Maßnahmen dienten dem Schutz vor
Zusammenstößen und dem Eindringen vonSpitzeln und
Provokateuren in Demonstrationen. Desweiteren verfolgte das
disziplinierte Auftreten den Zweck, bei der Bevölkerung und
der Polizei als politisch starke und handlungsfähige Bewegung
bzw. Organisation aufzutreten.
Massenaufmärsche und Paraden hatten in jener Zeit
große agitatorische Bedeutung, was bei der Betrachtung aus
heutiger Sicht, von erheblicher Bedeutung sein sollte. Es gab damals
weder Fernsehen - das Kino steckte in den Kinderschuhen - noch war das
Radio ein Massenmedium. So muß sich vor Augen
geführt werden, daß eine
"Doppelöffentlichkeit" (Medienwirklichkeit und
Realität) wie in der heutigen Gesellschaft, nicht existent
war. Das politische Leben spielte sich vor allem auf der
Straße ab. Hier gab es authentische Bilder und Informationen,
hier konnte sich ein Bild von der Überzeugungskraft der
jeweiligen politischen Organisation gemacht werden. So
erhöhten Demonstrationen die politische Ausstrahlungskraft,
wirkten entsprechend auf die eigenen Mitglieder und waren, neben
Streiks, das wichtigste politische Mittel, zur Durchsetzung politischer
Forderungen.
Die Paraden rechter, reaktionärer Verbände, allen
voran der Stahlhelm, hatten die Atmosphäre in vielen deutschen
Städten seit Ende 1923 bestimmt.
Dieses Bild veränderte sich schon kurz nach der
Gründung des Reichbanners Schwarz-Rot-Gold und des RFB. Das
Auftreten der gut organsierten und disziplinierten
Rotfrontkämpferabteilungen, die zumeist von
Spielmannszügen oder Schalmeienkapellen angeführt
wurden, veränderte die Stimmung innerhalb der
ArbeiterInneschaft, mobilisierte, gab politisches Bewußtsein
(zurück) und demonstrierte die eigene Stärke.
Der Gesang revolutionärer Marsch- und Kampflieder spielte
dabei eine besondere Rolle. Nicht allein als Mittel, das
Zusammengehörigkeitsgefühl und die Disziplin
innerhalb der einzelnenen Kolonnen zu stärken, vielmehr
wirkten die Texte aufklärend, werbend und mobilisierend nach
außen. In der ersten Zeit des RFB wurden, neben bekannten
ArbeiterInnenliedern, besonders jene Lieder gesungen, die in den
Kämpfen der Novemberrevolution 1918 entstanden waren. Die
Texte berichteten in einfachen Worten von den Kämpfen, Opfern
und Erlebnissen jener Tage.
Das
Ende von Weimar
Der Beginn der Weltwirtschaftskrise
Als unmittelbare Folge der 1929 einsetzenden Weltwirtschaftskrise
verschärften sich die sozialen und wirtschaftlichen
Bedingungen vor allem für die Lohnabhängigen auch
inDeutschland.
Produktionsstillegungen, zahlungsunfähige Banken, leere Kassen
bei den Sozialversicherungen, sprunghaft ansteigende
Massenarbeitslosigkeit, gar Hunger und Elend verstärkten auch
die politischen Gegensätze.
Auseinandersetzungen zwischen ArbeiterInnenorganisationen und den
inzwischen erstarkten faschistischen Verbänden der NSDAP, vor
allem der SA, nahmen mehr und mehr zu und forderten die ersten Opfer.
Innerhalb des Parlaments versuchte die "Weimarer Koalition" durch
Klüngeleien mit der Großindustrie ihre Macht zu
erhalten, was immer auch bedeutete, soziale Rechte der ArbeiterInnen
einzuschränken bzw. abzuschaffen.
Politische Auseinandersetzungen fanden ihren Ausdruck vor allem in den
Kämpfen auf der Straße, insbesondere die
ArbeiterInnenviertel wurden häufig Zilscheibe faschistischer
und polizeilicher Provokationen bzw. Terrors.
In dieser äußerst angespannten Situation versuchten
die bürgerlichen Regierungsaparteien das verstärkte
Auftreten des RFB mit verschiedenen Verboten von Demonstrationen zu
behindern. Offiziell sollten die Verbote "links und rechts" treffen. Am
13. Dezember 1928 erließ der Berliner
Polizeipräsident Zörgiebel ein "allgemeines
Demonstrationsverbot" über Berlin, welches im März
1929 auf das ganze Reich ausgeweitet wurde. Außerdem wurden
im März 1929 alle Polizeibehörden Preußens
angewiesen, »mit allen zu Gebote stehenden Mitteln«
gegen die »radikalen Organisationen« vorzugehen.
Einer Information des Stahlhelmbundvorstandes ist jedoch zu entnehmen,
daß die Anweisung des sozialdemokratischen Innenministers
allein gegen RFB, KPD und radikale linke Kräfte gerichtet war:
»Von sonst gut unerrichteter Seite höre ich,
daß der vor einigen Tagen veröffentlichte
Erlaß des Preußischen Innenministers "gegen die
Verbände" auf die Kommunisten gemünzt sei und das man
die leicht erkennbare Spitze gegen die Rechtsverbände nur
angwandt habe, um von dem eigentlich verfolgten Zweck abzulenken. Wie
die letzten Betriebsrätewahlen deutlich gezeigt
hätten, liefen die Sozialdemokraten und freien Gewerkschaften
Gefahr, von den Kommunisten an die Wand gequetscht zu werden; deshalb
müßten diese jetzt einen Schlag gegen die
Kommunisten unternehmen, zumal die Haupterfolge der kommunistischen
Partei gerade in Gebieten errungen würden, die bisher
sozialdemokratsicher Domäne gewesen seien,...«.
Der Berliner Polizeipräsident Karl Zörgiebel (SPD)
hielt das Demonstrationsverbot auch für den 1. Mai 1929
aufrecht.
Die KPD und etwa 200000 Menschen widersetzten sich dem Verbot und
demonstrierten trotzdem in Berlin. Als die Polizei mit massiver Gewalt
gegen die Demonstration vorging und in die Menge schoß, kam
es zu schweren Auseinandersetzungen, die sich zu
bürgerkriegsähnlichen Zuständen
entwickelten. Polizisten wurden entwaffnet und auf die Polizei
zurückgeschossen sowie Barrikaden errichtet. Vor allem in den
Sadtteilen von Neukölln und Wedding zogen sich die
Kämpfe bis zu drei Tagen hin. Offiziell kamen 30 ArbeiterInnen
ums Leben (laut Bericht eines Zeitzeugen, 42 Tote).
Diese Tage in Berlin gingen unter dem Begriff des "Blutmai '29" in die
Geschichte ein. Der RFB und seine Unterorganisationen wurden in diesem
Zusammenhang am 3. Mai 1929 verboten.
Die parlamentarische Demokratie
auf dem Weg zum Nationalsozialismus
Zwar gab es Anfang der dreißiger Jahre einen konjunkturellen
wirtschaftlichen Aufschwung in der Weimarer Republik, jedoch hielt die
politsche Krise an und verschärfte sich zusehends, um
schließlich im Sommer 1932 ihren Höhepunkt zu
erreichen. Im Juni 1932 waren im Deustchland 7,5 Millionen Menschen
arbeitslos, d.h. jeder Zweite.
Der Einfluß der Großindustrie auf das Parlament
hatte in der Weise Ausmaße angenommen, daß diese
nunmehr direkt und offen in politische Entscheidungen Einfluß
nahmen bzw. forderten. Im Mai 1932 wurde das Kabinett Brüning,
eine Koalition der SPD mit dem Zentrum un der Deutschen Demokratischen
Partei endgültig gestürzt, da sie ihre Aufgabe
erfüllt hatten. Hintergrund für den Zeitpunkt war die
Tatsache, daß explizit die IG-Farben durch die
Rücksichtnahmne der Zentrumspolitiker auf die christlichen
Gewerkschaften ihr monopolitsiches Wirtschaftsprogramm behindert sahen.
Die Politik Brünings seit der Zeit von 1930 (der SPDler Marx
war durch Artikel 48 als Reichskanzler abgesetzt worden und das
Parlament damit als politische Instanz außer Kraft gesetzt)
bis Frühjahr 1932 zeichnete sich dadurch aus, daß
die Vorstellungen der Großindustrie zur Überwindung
der Wirtschaftskrise parlamentarisch durchgeführt wurden:
Durch inflationäre Maßnahmen konnten die
Industrieberiebe ihre Schulden in Pfenningsbeträgen
zurückzahlen, Kartellabsprachen oder Korruption wurden nicht
strafrechtlich verfolgt. All diese Maßnahmen gingen einher
mit einem massiven Abbau gewerkschaftlicher Rechte und sozialer
Absicherungen. Hauptlast trugen dabei die Lohnabhängigen und
Teile des Kleinbürgertums, denen durch Brünings
Notverordnugspolitik die Existenzgrundlage entzogen wurde, da
finanziell die Großindustrie und Banken "saniert" werden
sollten, die Monopolisierung vorangetrieben wurde und Kleinbetriebe
massenhaft eingingen.
Brüning selbst kam zu der Einsicht, daß
»die gesamte Schwerindustrie kein anderes Mittel für
ihre eigene Rettung sah, als immer weiter Löhne zu senken bzw.
einen gewaltsamen Umschwung mit nachfolgender Inflation durch starke
finanzielle Unterstützung der NSDAP
herbeizuführen.«
Zum Nachfolger Brünings wurde am 1. Juni 1932 Franz von Papen
per Notverordnung Hindenburgs ernannt. Papen unterhielt enge
Beziehungen zur rheinischen Schwerindustrie. Er war ein Vertrauensmann
der Reichswehr und Anhänger ultrareaktionärer und
scharf antikommunistischer Theorien. So war es dann auch Papen, der,
trotz des massiven Aufschwungs der Faschisten - namentlich der NSDAP
und SA - das kurzfristige Verbot der SA vom 13. April 1932 am 14. Juni
wieder aufhob (u.a. eine Reaktion auf vermehrte Arbeitsschutzeinheiten)
und in der Begründung der Papen-Regierung hieß es
schließlich, er sei »der Überzeugung
(...), daß das Staatsschiff nicht gegen, sondern nur mit der
Welle der nationalsozialistischen Bewegung in den Hafen gebracht werden
müßte.«
Hintergrund einer solchen Äußerung Papens war die
Tatsache, daß sich mit der Zuspitzung der gesellschaftlichen
Verhältnisse seit 1928 große Teile des
Monopolkapitals bereits zu diesem Zeitpunkt für die Variante
des Faschismus zur Aufrechterhaltung zund Absicherung ihrer Profite
entschieden hatten (bereits ab 1925/26). Spätestens seit
dieser Zeit flossen große Geldsummen in den Aufbau der
nationalsozialistischen Bewegung, speziell in die NSDAP, die vor allem
Hitler durch geschickte Verhandlungen für die Partei
losmachte.
Ein Phänomen dabei war, daß die NSDAP den
politischen Spagat zwischen offener Befürwortung des
nationalen Kapitals und gleichzeitiger Ablehnung des internationalen
Kapitals schaffte. Die Breite der nationalsozialistischen Bewegung
wurde weniger durch offenes prokapitalistisches Auftreten erreicht als
vielmehr über die Linie der SA, die mit
nationalrevolutionären (vermeintlich antikapitalistischen)
Parolen vor allem das mit Existenzangst behaftete
Kleinbürgertum an sich band und sogar ein Einsickern in
Schichten der Lohnabhängigen erreichen konnte.
Nichtsdestotrotz bildeten diesen beiden vermeintlichen Flügel
keinen Widerspruch. Während Hitler und Konsorten das Geld
für den Aufbau einer Massenpartei in enger politischer
Zusammenarbeit mit seinen Geldgebern anhäufte, sorgten
nationalrevolutionäre Parolen für Vorbereitung der
immer weiter entstehenden Massenbewegung.
Auf den Punkt brachte die politische Situation des offenen
Zusammenarbeitens rechter/faschistischer Kräfte mit
geldstarken Großindustriellen und einflußreichen
Medienfürsten die Gründung der "Harzburger Front".
Diese, am 11./12. Oktober 1932 in Bad Harzburg ins Leben gerufene
Vereinigung, war ein Zusammenschluß der NSDAP, des
Stahlhelms, der DNVP sowie verschiedener Großindustrieller
und des Mediengiganten Hugenberg.
Die
hinhaltende SPD
Mit der Auflösung des Reichstages am 4. Juni 1932 hatte sich
die Präsidialdiktatur nun ganz hochoffiziell durchgesetzt.
Die SPD, allen voran der Preußische Innenminister Severing,
empfahlen immer noch, die Tolerierungspolitik fortzusetzen, anstatt
diesem erneuten offenen Rechtsruck entgegenzutreten. Sie
beschränkte sich darauf, eine Verfassungsanfrage zu stellen,
ob der Rechtsmäßigkeit der Einsetzung Papens. Damit
war auch die SPD ihrer Funktion als vermeintliche Opposition
endgültig beraubt, sie besaß nun nicht mal mehr
parlamentarischen Einfluß. So wurde ihre fatale
Tolerierungspolitik damit bestätigt, daß sie - ganz
legal und auf verfassungsgemäßem Wege - entmachtet
worden war. Sie hatte - mit dem Verzicht auf andere Widerstandsmittel
(Streiks, Demonstrationen etc.) ihre eigene Entmachtung toleriert.
Trotz parlamentarischer Bemühungen der KPD, zusammen mit
Zentrum und der SPD das Eintreten der NSDAP in die Regierung zu
verhindern, näherten sich die Papen-Regierung und die NSDAP
immer mehr an.
Obwohl schon Brüning viele Verordnungen erlassen hatte, die
die soziale Absicherung der Lohnabhängigen immer mehr
ausgehöhlt hatten, setzte Papen die Politik der
Notverordnungen unbeirrt und rabiat weiter fort. Soziale Rechte der
ArbeiterInnen wie das Tariflohnsystem oder Arbeitslosenversicherung
sollten gänzlich abgeschafft werden.
Der
Preußenschlag
Zur Bedeutung Preußens
Preußen war der größte deutsche Teilstaat.
Im Zentrum Mitteleuropas gelegen war er sowohl in der industriellen wie
in der agrarischen Produktion führend. Durch diese
Ausgangsbedingungen und die eigene Geschichte hatte Preußen
innerhalb Deutschlands eine dominate Stellung. »Wer
Preußen hat, hat Deutschland«, lautete ein
geflügeltes Sprichwort rechter Kreise zu dieser Zeit.
In ihren Grundzügen vom Kaiserreich übernommen
überließ die bundesstaatliche Struktur der Weimarer
Republik wesentliche Kompetenzen den Ländern und nicht dem
Reich, vor allem die Innen-, Justiz- und Kulturpolitik. Deshalb bestand
kein unmittelbarer Einfluß der Reichsregierung auf die
preußische Polizei, die allgemeine Verwaltung und die Justiz.
Gerade die preußische Polizei galt als mustergültige
Institution, die politische Gesinnung der einfachen Polizisten war eher
der SPD zugeneigt, während die Offizierskorps noch aus alten
Armeestrukturen stammten.
Ministerpräsident Otto Braun würde mit seiner Polizei
nicht den Weg freimachen für eine offene
Machtübertragung auf die Faschisten, so die allgemeine Ansicht
damals. Das gleiche wurde von Verwaltung und Justiz behauptet, die
trotz der allgemeinen Bekämpfung des kommunistischen
Widerstands als relativ demokratisch galt.
Berlin als Hauptstadt des Reichs und des Landes Preußen war
unter diesen Voraussetzungen den Propagandisten eines Rechtsputsches
ein Dorn im Auge, vor allem dadurch, daß Berlin auch
Hauptstadt der ArbeiterInnenbewegung war.
Hier hatten die politischen Zentralen der SPD, der sozialdemokratischen
Gewerkschaften und der KPD ihren Sitz. Auch hierauf war es
zurückzuführen, daß die beiden
ArbeiterInnenparteien bei den letzten Reichstagswahlen 1930 in Berlin
1,5 Stimmen erhalten hatte, fast viermal soviel wie die NSDAP.
Darüberhinaus war der Stimmanteil der KPD in Berlin genauso
hoch wie der der SPD, hier nahm sie der SPD viele Stimmen ab.
Für die politische Rechte war die Machtübernahme der
Stadt wegen ihrer vielfältigen Funktionen und zugleich auch
wegen ihres im Gegensatz zu anderen Regionen des Reiches
ausgeprägten linken Widerstandes gegen rechts von
größter Bedeutung.
So war die Machtübernahme der Verwaltung und der Polizei in
Berlin für die reaktionären Kräfte
notwendig. Dies konnte aber nur mit außerparlamentarischen
Mitteln durchgesetzt werden.
Nachdem Ministerpräsident Brüning (Zentrum) nun
abgesetzt war, schien der Weg für die Entmachtung der
SPD-Regierung freigemacht.
Am 20. Juli 1932 enthob Hinderburg Otto Braun als
Ministerpräsident von seinem Amt und übergab von
Papen die kommissarische Führung Preußens. (In
Preußen wurde kurze zeit später SA und SS - noch vor
der Machtübertragung auf die Faschisten - im Januar 1933 als
Hilfe-polizei eingesetzt.)
Das Zögern wird zur
Ohnmacht
Der Innenminister des Reiches, Carl Severing (SPD), sicherte von Papen
Tage zuvor zu, nichts gegen einen Entmachtung der preußischen
Regierung (SPD!) unternehmen zu werden. Am 16. Juli 1932
erklärte der sozialdemokratsiche Parteivorstand, er wolle
»bei allem, was kommen möge, die Rechtsgrundlage der
Verfassung nicht verlassen.« Dies war der Wink mit dem
Zaunpfahl für von Papen, die SPD in Preußen aus den
Angeln zu heben.
Am 18. Juli 1932 erließ die Papen-Regierung ein
Demonstrationsverbot, die Kontrolle der Straßen und
Flughäfen wurden vorbereitet, die Telefone der KPD und der RGO
abgehört.Da die Absetzung der preußischen Regierung
rechtskräftig ganz verfassungstreu von Statten gegengen war,
beschränkte sich die SPD darauf, zu erklären:
»der Vorgang sei nicht rechtlich, man werde das Gericht zur
Klärung anrufen.« Zu groß war ihre Angst,
daß ein Generalstreik - zuvor als Angebot der KPD formuliert
- gegen denRechtsputsch in Preußen ihnen wie schon 1920 aus
den Händen gleiten könnte und zu groß der
blinde Glaube in die parlamentarischen "Spielregeln". So verlief der
empörte Protest - auch großer Teile der
ArbeiterInnenbewegung - im Sande.
Mit dem Putsch war der parlamentarische Protest gegen die
Präsidialdiktatur vollends gebrochen und nutzlos geworden. Die
Reichsregierung konnte sich nun sicher sein, daß auc Reichs-
und Landesebene rechte und reaktionäre Politiker alle
wichtigen Positionen inne hatten oder in absehbarer Zukunft haben
würden. Als dann der Stimmzuwachs der NSDAP bei der
Reichstagswahl am 31. Juli 1932 ihren Zenit erreicht hatte - diese mehr
Stimmen als SPD und KPD zusammen erhalten hatte - wurde die Politik der
Reichsregierung unter von Papen bis zur Machtübertragung am
30. Janur 1933 ohne nennenswerten parlamentarischen Widerstand
fortgesetzt, auch wenn die Novemberwahlen 1932 deutlich machte,
daß die NSDAP hohe Stimmeverluste zu verzeichnen hatte. Die
Weichen wurden bereits gestellt und der Zug rollte schon auf dem
rechten Gleis.
Obwohl auf Antrag der KPD mit einem Mißtrauensvotum der
Reichtag erneut aufgelöst wurde, und die NSDAP bei den
daruffolgenden Wahlen am 6. November 1932 große
Stimmeinbrüche hinnehmen muß und wieder hinter SPD
und KPD zurückfiel, gelang es den ArbeiterInnenparteien
dennoch nicht, die Politik der Reichsregierung zu ändern, da
diese als Präsidialkabinett regiert und der Reichstag ja
beireits antmachtet war (Artikel 48). Realistische Änderungen
wären nur noch im Zusammensipiel mit
außerparlamentarischen Aktionen möglich gewesen
(Generalstreik).
Zur Charakterisierung der Rolle der bürgerlichen Parteien
bezüglich der Machtübertragung schreibt August
Tahlheimer (KPO) seinerzeit treffend: »Die Rolle der
bürgerlich-demokratischen Parteien, einschließlich
der Sozialdemokratie, bei der Vorbereitung des Fsaschismus besteht
nicht darin, daß sie selber inElemente der faschistsichen
Partei verwandeln, sondern darin, daß sie den
Parlamentarismus und sich selber diskreditieren und dadurch die
Entstehung einer faschistischen Partei begünstigen, die das
Urteil vollstreckt, das sie über sich selber
fällen.« (August Tahlheimer, "Über den
Faschismus", ......)
Die ersten offiziellen Verhandlungen mit Hitler auf höchster
parlamentarischer Ebene begannen am 13. August 1932.
Die Politik (im Parlament) wurde von einer kleinen Gruppe
Männer aus ultrarechten Parteien gemacht, die mit einer
geschickten personellen Machtkonstellation Reichswehr, Polizei und
große Teile der Schwerindustrie und der Presse hinter sich
hatte und regieren konnte. Hitlers Ernenung zum Reichskanzler am 30.
Jauar 1933 vollzog sich schleichend über dsa Kabinett
Schleichers und erfolgte im rahmen des Machtkalküls der
herrschenden national-reaktionären Kräfte.
Zurück
zum Antifaschismus
Der Kampfbund gegen den Faschismus (KGF)
Mit dem Verbot des RFB 1929 war der KPD die Möglichkeit
genommen, die Politik der Straße weiter
fortzuführen. Dies war vor allem deshalb vonBedeutung, da die
faschistische Bewegung stark angewachsen war und die SA bereits zu
dieser Zeit zum offenen Terror gegen Funktionäre und
ArbeiterInnenvierteln übergegangen war. Desweiteren war die
politische Aktion der Demonstration zu jener Zeit das einzige Element
der Politik, welches der KPD noch als zuverlässiges Mittel zu
Verfügung stand.
Als unmittelbare Reaktion auf die Reichstagswahl am 14.September 1930,
auf die ersten parlamentarischen Erfolge der NSDAP (Stimmenzuwachs von
12 auf 107 Sitze) zu verbuchen hatte, wurde am 28. September 1930 der
"Kampfbund gegen den Faschismus" (KGF) als »als
überparteiliche proletarische Massenorganisation zum Kampf
gegen den Faschismus in all seinen Erscheinungsformen, insbesondere
gegen den Nationalsozialismus« ins Leben gerufen.
Der KGF baute größtenteils auf den organisatorischen
Strukturen des ab 1929 illegal weitergeführten RFB auf. Trotz
der überwiegend abgrenzenden Politik der KPD-Leitung (seit
1928 offizielle Linie) war der KGF der weitergehende Versuch die
Zusammenarbeit in der Basis der ArbeiterInneschaft unter dem Vorzeichen
der "Einheitsfront von unten". Der KGF war vor allem eine praktische
Initiative zur Organisierung der ArbeiterInnen in den betrieben,
Stempelbüros, Stadtvierteln und Häuserblocks.Deise
schon zu dieser Zeit organisationsübergreifenden
"Selbstschutzstaffeln" bildeten später die Grundlage
für den "Roten Massenselbstschutz" innerhalb der
Antifaschistischen Aktion.
Es gab einen gleitenden Übergang von KGF zur
Antifaschistischen Aktion. Diese beiden Organisationen existierten
nicht konkurrierend zueinander. Dort, wo Ortsgruppen des KGF bereits
vorhanden waren gingen diese zumeist geschlossen in die
Antifaschistische Aktion über oder agierten weiter unter ihrem
Namen, jedoch war dann eine Gründung einer Ortsgruppe der
Antifaschistischen Aktion überflüssig.
Die
Antifaschistische Aktion
Der Zeitpunkt des Entstehens der Antifaschistsichen Aktion als
organisatorisch- inhaltliches Konzept, das die politischen
Einheitsfrontbestrebungen auf den Punkt brachte, war erst gegeben, als
sich die deutsche Führung der KP entschloß -
unabhängig von der KI - in der Praxis von der
"Sozialfaschismusthese" abzurücken.Diese von der Basis und
politischen Geschehnissen geforderte Kursänderung fand ihren
Ausdruck in der Sitzung des Zentralkomitees der KPD am 23. Mai 1932:
Der Teil der Leitung der KPD, der bisher am heftigsten die
KI-Beschlüsse vertreten hatten (die die Zusammenarbeit mit
"Sozialfaschisten" ablehnten), - die Gruppe um Neumann/Remmele - wurde
aus dem Präsidium gewählt. Desweiteren wurde
beschlossen, fortan zusammen mit allen vom Terror der Faschisten
betroffenen die Einheit aller AntifaschistInnen zu suchen. Dies war
zwar auch in den Jahren zuvor mit der Einheitsfront "von unten"
propagiert worden, jedoch "schoß" die KPD (mittels der "Roten
Fahne") immer wieder verbal gegen die Führung der SPD.
Am nächsten Tag, den 24. Mai 1932, überfiel im
Reichstag die Fraktion der NSDAP die Abgeordneten der KPD, was diese
zum Anlaß nahmen, öffentlich die Antifaschistische
Aktion auszurufen: »Die Antifaschistische Aktion
muß durch den organisierten roten Massenselbstschutz in
breitester Einheitsfront den Mordterror des Hitlerfaschismus
brechen.« und an anderer Stelle wurde erklärt:
»Nehmt in allen Betrieben, auf allen Stempelstellen, in allen
Gewerkschaften und Massenorganisationen, nehmt in Stadt und Land
unverzüglich Stellung zu den neuesten Ereignissen. Entschiedet
euch für die Teilnahme an der Antifaschistischen Aktion der
kämpfenden roten Einheitsfront.«
Ernst Schneller wurde beauftragt unverzüglich Vorbereitungen
zur offiziellen Bildung der Antifaschistischen Aktion zu treffen.
Programmatisch erklärte die Antifaschistische Aktion, sie
wolle eine Einheitsfront der ArbeiterInnen der SPD, der christlich
organisierten ArbeiterInnen, de gewerkschaftlich Organsierten und
Unorganisierten, desReichsbanners, der Beamten, BäuerInnen,
HandwerkerInnen und Intellektuellen sein. Ziel sei es, eine gemeinsame
praktische antifaschistische Politik zu entwicklen.
Viele begriffen diese Signal der KPD als Erleichterung, nach den Jahren
der Abgrenzung nun wieder die Einheitsfront der ArbeiterInnen zu
suchen. Der Aufruf zur Antifaschistischen Aktion wurde an vielen Orten
praktisch umgesetzt.
Die Führung der SPD und des Reichsbanners sah der
Gründung der Antifaschistischen Aktion mit Skepsis entgegen;
sie verboten ihren Mitgliedern die Teilnahme an der Antifaschistischen
Aktion. Am 28. Juni 1932 untersagte ein Rundschreiben des
Parteivorstandes der SPD an die Bezirksleitungen ausdrücklich
alle Verhandlungen von SozialdemokratInnen mit KommunistInnen. Gegen
Mitglieder, die diese Anordnung nicht befolgten, ging die SPD mit
organisatorischen Maßregeln bis hin zum Ausschluß.
Wie nun sah die Praxis der Antifaschistischen Aktion aus? Noch im Mai
entstanden in vielen Betrieben Ausschüsse, in denen
sozialdemokratische GewerkschafterInnen zusammen mit KPD-Mitgliedern
arbeiteten. Sie organisierten nun nach Jahren der Trennung wieder
gemeinsam den Kampf gegen den Terror der Nazis, der inzwischen auch in
den Fabriken zugenommen hatte. Antifaschistische Kundgebungen wurden
abgehalten, in denen sich die Belegschaften gegen den stärker
werdenden Faschismus aussprachen. Vor allem in den weit von Berlin
entfernten Gebieten, in denen die Fraktionierung der vergangenen Jahre
nicht so eine große Rolle gespielt hatte, entstand mit der
Antifaschistischen Aktion binnen kürzester Zeit eine relativ
kraftvolle Bewegung.
Da verschiedene Einheitsfrontkomitees in Deutschland entstanden waren,
wurde durch Kongresse und Konferenzen verucht, diese Kräfte
zusätzlich zu bündeln.
Am 10. Juli 1932 fand in Berlin der gesamtdeutsche Kongreß
der Antifaschistischen Aktion statt. Er war Auftakt der
Antifaschistischen Kampfwoche der Antifaschistischen Aktion vom 10.
Juli bis 17. Juli 1932. Clara Zetkin eröffnete diesen
Kongreß mit einem Begrüßungsschreiben,
indem sie erklärte: »Diese Einheitsfront
muß über die Gesamtheit des Proletariats
hinausreichen und auch die Angestellten, Handwerker,
Kleingewerbetreibenden, kleinen Bauern und nicht zuletzt auch die
Intellektuellen aller Schichten erfassen.«
Der Aufruf zur Antifaschistischen Aktion hatte auch viele
KleinbäuerInnen in den östlichen Gebieten zu Komitees
zusammengeschlossen.Trotz des gerade hier starken Einflusses der
reaktionär- faschistischen Junker gelang es, breitere Aktionen
gegen die Angriffe der Nazis zu organisieren.
Aber vor allem in den AbreiterInnenvierteln der
Großstädte fand die Antifaschistische Aktion
Zuspruch - hier, wo die Auswirkungen der Wirtschaftskrise am
deutlichsten sichtbar wurden, in immer mehr Arbeitslosen und
zunehmender Verarmung.
Roter
Massenselbstschutz
Über den "Roten Massenselbstschutz" gibt es sehr wenige
Quellen. Diese Formulierung findet sich jedoch in zahlreichen Aufrufen
jenber Zeit, vor allem bezüglich verschiedendster
Abwehraktionen im Zusammenhang mit der Antifaschistischen Aktion.
Hierbei kann nicht von einer Organisation gesprochen werden. Es handelt
sich vielmehr - ebenso wie bei der Antifaschistischen Aktion - um ein
organisatorisches Konzept, daß sich aus der politischen
Notwendigkeit in Betrieben, Stempelbüros und vor allem den
Stadtvierteln entwickelt hatte. Sowohl militante (Abwehr-)Aktionen des
KGF als auch der Antifaschistischen Aktion wurden als "Roter
Massenselbstschutz" bezeichnet.
»Der Rote Massenselbstschutz ist Teil der Antifaschistsichen
Aktion der Millionenbewegung der kämpfenden roten
Einheitsfront.
Der Rote Massenselbstschutz ist keine Organisation, auch kein Verein,
sondern eine überparteiliche Zusammenfassung aller
antifaschistischen Arbeiter und Werktätigen.
...Er kämpft für die Reinigung der Betriebe von
Nazizellen, sowie für den Aufbau von Selbstschutzstaffeln
aller Arbeiter in allen Betrieben und auf allen Stempelstellen.
Der Rote Massenselbstschutz kämpft gegen den faschistischen
Terror auf der Straße, gegen SA.-Lokale, SA.-Heime,
SA.-Stützpunkte, für den Schutz der Wohnungen und
Lokale der Arbeiter, des Arbeitereigentums, der Arbeiterpresse und der
Konsumgenossenschaften.
Der Rote Massenselbstschutz organisiert einen ständige
Aufklärungsarbeit unter den Angestellten und dem
werktätigen Mittelstand, vor allem unter den kleinen
Geschäftsleuten: er führt aber einen
rücksichtslosen Kampf gegen diejenigen faschistsichen
Geschäftsleute, die Träger und Stützpunkte
der Naziagitation sind.
Wie wird der Rote
Massenselbstschutz mobilisiert?
Die Massenselbstschutzstaffeln werden durch die Staffelleitungen
alarmiert und unterstellen sich während der
Durchführung der ihnen gestellten Aufgaben in freier Disziplin
den Anweisungen des Führers, der vom Vorsitzenden der
Staffelleitung für die Durchführung der betreffenden
Arbeit bestimmt worden ist.«
(Richtlinien für den RMSS, Hamburg 11. Juli 1932. Analog in
"Roter Massenselbstschutz, marschiert mit". Verantwortlich: Ernst
Schneller).
Auseinandersetzungen
Strategie der SA - als ihr Verbot am 14. Juni 1932 aufgehoben wurde -
war es zunehmend, an jenen Orten, an denen die ArbeiterInnenschaft
besonders verwurzelt war, durch gezielte Provokationen massiv
aufzutreten. Überfälle auf Kneipen und
Gaststätten der KPD, des Reichsbammers oder der SPD
gehörten ebenso dazu wie Demonstrationen durch traditionelle
ArbeiterInnenviertel.
Hier zeigte sich die Stärke der Einheitsfrontkomitees, die den
Schutz ihrer Viertel, ihrer Betriebe, ihrer kulturellen
Stätten organisierten. Im Ruhrgebiet wurden mehrmals die
Parteihäuser der SPD und der KPD gemeinsam gegen
Überfälle geschützt. Ab Mitte Juni war es
der SA in vielen Vierteln des Ruhrgebietes nicht mehr möglich,
offen aufzutreten, da sie gemeinsam von Reichsbannermitgliedern,
christlichen und unorgansierten und kommunistischen ArbeiterInnen
vertrieben wurden. Am 13. Juli 1932 schafften es in Wuppertal/Eberfeld
mehrere zehntausend Menschen einen Auftritt Hitlers und eine
Demonstration der SA nach einer Kundgebung der Antifaschstischen Aktion
zu verhindern. Am 17. Juli 1932 versuchten 11000 SA-Mitglieder aus ganz
Norddeutschland in Altona einen Aufmarsch durchzuführen. Die
Faschisten wurden blutig zurückgeschlagen, trotz der
Bemühungen der Polizei, die Demonstration durchzusetzen.
Insgesamt läßt sich vergleichend feststellen,
daß die Eskalationsstufe der Auseinandersetzungen zwischen
Faschisten und AntifaschistInnen um einiges höher lag alles
heutzutage. So gehörte es in der Zeit von 1932/33 zum Alltag,
daß bei Zusammenstößen Tote auf der
Strecke blieben. Allein in der 2. Hälfte des Junis 1932 waren
17 tote (linke) ArbeiterInnen zu verzeichnen, im Juli waren es bereits
86. Allein der 10. Juli 1932 (Beginn der Antifaschistischen Kampfwoche)
forderte 17 tote AntifaschistInnen, 10 tödlich Verletzte und
181 zum Teil Schwerverletzte.
Das Auftreten der Faschisten konnte in der Öffentlichkeit zu
einem beträchtlichen Teil zurückgedrängt
werden, deutlich wurde, daß ein nicht unerheblicher Teil der
Bevölkerung Widerstand gegen den faschistischen Terror zu
leisten bereit war. Dies konnte aber nicht im Sinne der, auf
Zusammenarbeit mit den Nazis, angewiesenen Papen-Regierung sein. Diese
verfügte am 9. August 1932 die Notverordnung gegen "politische
Gewalttaten", mit der schon vor der Machtübertragung auf die
Faschisten und dem offenen Terror gegen linke Oppositionelle viele
AntifaschistInnen abgeurteilt wurden. So gab es zwischen dem 17. August
1932 und dem 30. Januar 1933 2297 Verfahren, die oft mit
langjährigen Haftstrafen endeten. Gegen diese
Sondergerichtsverfahren gab es keinerlei Rechtsmittel. In diesen
Verfahren Verurteilte waren die ersten, die später in den
nationalsozialistischen Konzentrationslager landeten.
Verschiedene Ansätze
Innerhalb der Antifaschistischen Aktion lassen sich
rückblicknd zwei Haupströmungen ausmachen. Diese
dokumentieren augenscheinlich die unterschiedliche Wirklichkeit der
Basis auf der einen Seite und der Führung auf der anderen
Seite.
Programmatisch vertraten die InitiatorInnen der Führung der
KPD als Verhinderungskonzept des Faschismus, den Generalstreik im
Augenblick der Machtergreifung durchzuführen. Immer wieder
wurde in den Analysen und den Publikationen auf die Erfahrungen des
Kapp-Putsches hingewiesen.Dieser hätte bewiesen, welche "Wucht
die geschlossene Arbeiterklasse" entwickeln könne.
Daß diese Vorstellung nicht gänzlich falsch war,
bewies in der Tat das historische Ereignis wie der Kapp-Putsch und der
anschließende Ruhraufstand. Jedoch wurden die politisch
objektiven Veränderungen und Gegebenheiten der gespaltenen
Situation der ArbeiterInneschaft im Jahre 1932 weitesgehend
ausgeblendet.
Tatsache war zum einen, daß die Basis dem Einheitsfrontaufruf
bzw. dem Generalstreik hätte folgen müssen. Das
schien aber bei der gespaltenen ArbeiterInnenschaft unwahrscheinlich.
Zum einen aus der Rolle der SPD erklärend, die - bis weit in
das Jahr 1934 hinein - jegliche offiziellen Angebote der KPD ablehnte,
gemeinsame Aktionen, welcher Art auch immer, durchzuführen. So
konnte einE kommunitisch OrganisierteR - selbst wenn er/sie gewollt
hätte - den SPD-nahen Organisationen nicht beitreten. Das galt
sowohl für denReichbanner als auch der Eisernen Front.
Zum anderen war es ebenfalls unumstößliche
Realität, daß die sich als revolutionär
verstehenden ArbeiterInnen, die zum allergrößten
Teil in kommunistischen Organisationen organisiert waren, die ersten
waren, die aus denBetrieben gefeuert wurden. So waren amEnde der
Weimarer Republik lediglich ca. 15% der kommunistisch
organisiertenArbeiterInnen mit Arbeit versorgt. D.h. logischerweise,
daß derenEinfluß in den Betrieben und Fabriken
vergleichsweise gering war. Eine Verankerung an den
Arbeitsstätten wäre aber Grundvoraussetzung gewesen,
um überhaupt - propagandistisch und praktisch - auf einen
Generalstreik hinzuwirken und diesen auch durchzusetzen. So
wirkungsvoll und richtig ein Generalstreik auch war - vielleicht die
einzige Möglichkeit zu dieser Zeit, die Faschisten im Regen
stehen zu lassen - so unwahrscheinlich war dessen faktische
Durchsetzung, weil es jeglicher Grundlage entbehrte.
Hinzu kam die - bis 1932 - unklare Position der Führung der
KPD, wie denn nun Einheitsfront herzustellen sei: von"unten" gegen
"oben"?
Zwar bot am 20. Juni 1932 die KPD den demokratischen Parteien SPD und
Zentrum an, auf eine eigene Kanditaur zu verzichten und die
SPD/Zentrumskandidaten für die kommende Reichstagswahl zu
stützen, noch an politische Forderungen gebunden, jedoch
reagierte die SPD nicht bzw. lehnte letztlich ab. Selbst als die KPD
ihr Angebot am 22. Juni 1932 wiederholte - diesmal ohne jeglich
politischen Forderungen, lehnte die SPD ab.
»Am 20. Juni 1932 erklärte die KPD ihre
Bereitschaft, auf eigene Kandidaten zu verzichten und für ein
ausschließlich aus Vertretern der SPD und Zentrum bestehendes
Landtagspräsidium (Preußischer Landtag, d.V.) zu
stimmen, wenn diese beiden Fraktionen sich verpflichten,
Anträge der KPD auf herstellung der Versammlungs-,
Demonstrations- und Pressefreiheit, Freigabe des Rundfunks auch
für die revolutionäre Arbeiterbewegung und
Nichtdurchführung der Papennotverordnung vom 14. Juni zu
unterstützen.«
(Die Antifaschistische Aktion - Dokumentation und Chronik, Mai 1932
Januar 1933, S. 24, Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK
der SED, Herausgeber: Heinz Karl undErika Kücklich;
Dietz-Verlag, Berlin 1965).
Die Antwort der SPD beschränkte sich nicht nur auf das
Ablehnen der KPD-Angebote, eine weiterreichende folgenschwere
Entscheidung war der Erlaß der SPD-Führung an die
eigenen Reihen am 28. Juni 1932, keine Abwehrausschüsse mit
KommunistInnen bilden zu dürfen. Das war ein Schlag ins
Gesicht der realen Verhältnisse, da sich gerade an der Basis,
unabhängig von Parteizugehörigkeit, der
Einheitsfrontgedanke zu dieser Zeit zum Teil schon in praktische
Ansätze verwandelt hatte.
»Die rechten Führer der Sozialdamokratie
mußten (...) den Bankrott ihrer Ideologie und Politik
erleben. (...) Der Parteivorsitzende Otto Wels ging in seinem
Antikommunistmus beispielsweise so weit, daß er die
Kommunisten mit den Faschisten gleichsetzte, beide als Kräfte
bezeichnete, die die bürgerlich-parlamentarische Republik zu
vernichten trachteten. Das erleichterte es den imperialistischen
Kräften, die Spaltung der Arbeiterklasse aufrechtzuerhalten,
und war die entscheidende Ursache dafür, daß der
Machtantritt der Faschisten nicht verhindert werden konnte.
Klassenbewußte Sozialdemokraten und Gewerkschafter traten
immer wieder gegen die Politik der Klassenzusammenarbeit ihrer
Führungen auf, beriefen sich auf die revolutionäre
Vergangenheit der Sozialdemokratie.Sie blieben jedoch in der Minderheit
und konnten die Politik der SPD insgesamt nicht
beeinflussen.«
(Heinz Kühnrich, Die KPD im Kampf gegen die faschistische
Diktatur 1933-1945, S. 16; (c) Dietz-Verlag Berlin 1983.)
Selbst nach dem "Preußenschlag" war die SPD nicht gewillt,
auch nur ansatzweise von ihrer Position abzurücken. In der KPD
hingegen hatte sich im Laufe des Jahres nach jahrelangen internen
Konflikten selbst in der Führung (gegen die KomIntern) die
Einsicht durchgesetzt, daß der Faschismus nur in der Einheit
der ArbeiterInnenbewegung zu stoppen sei. Ja sogar mit den zuvor als
"Sozialfaschisten" bezeichneten
Führungspersönlichkeiten der SPD wurde nun offiziell
die Einheit gesucht. Aber die SPD verharrte wie ein Kanninchen, das
darauf wartete, von der Schlange des Faschismus verschlungen zu werden.
Wie widersprüchlich die Politik bezüglich der
Einheitsfornt von "unten" oder von "oben" seitens der KPD darstand,
macht eine Kritik Leo Trotzkis aus jener Zeit deutlich:
»(...) Am Abend des 20. Juli (Preußenschlag, d.V.)
faßte das Zentralkomitee der Kommunistischen Partei folgenden
Beschluß:
"Die Kommunistische Partei richtet vor der proletarischen
Öffentlichkeit an die SPD, an den ADGB und an den Afa-Bund
(Allgemeiner freier Angestelltenbund, d.V.) die Frage, ob sie bereit
sind, gemeinsam mit der Kommunistischen Partei den Generalstreik
für die proletarischen Forderungen durcgzuführen."
Diesen so wichtigen und unerwarteten Beschluß
veröffentlichte das Zentralkomitee in seinem Rundschreiben vom
26. Juli ohne jeglichen Kommetar. Kann man ein vernichtenderes Urteil
über seine bisherige Politik fällen? Noch tags zuvor
war es für sozialfaschistisch und konterrevolutionär
erkärt worden, sich mit dem Vorschlag gemeinsamer Aktionen an
die reformistische Führung zu wenden.Wegen dieser Frage hatte
man Kommunisten ausgeschlossen,(...).
Wie konnte dieses Zentralkomitee am Abend des 20. Juli mit einem Male
das anebeten, was es tags zuvor verbrannt hatte? Und in welch traurige
Lage hat die Bürokratie die Partei gebracht, wenn es das
Zentralkomitee wagen durfte, mit seinem überraschenden
Beschluß vor sie hinzutreten, ohne sich zu erklären
oder zu rechtfertigen!
Solche Wendepunkte sind der Prüfstein einer Politik. Faktisch
hat das Zentralkomitee der deustchen Kommunistischen Partei am Abend
des 20. Juli der ganzen Welt dargetan: "Unsere bishereige Politik war
untauglich." Ein zwar unfreiwilliges, aber völlig richtiges
Geständnis. Zum Unglück konnte auch der Antrag vom
20. juli, der die vorangegangene Politik umstieß, auf gar
keinen Fall ein positives Ergebnis haben. Ein Appell an die
Führungsspitze kann - ganz unabhängig von ihrer
heutigen Antwort - nur dann revolutionäre Bedeutung haben,
wenn er zuvor von unten vorbereitet wurde, d.h. wenn er sich auf
allgemeine Politik stützt. Doch die stalinistische
Bürokratie sagt den sozialdemokratischen Arbeitern tagaus
tagein: "Wir Kommunisten lehnen mit den SPD-Führern jede
Gemeinschaft ab." (...). Der unvorbereitete, unerwartete, unmotivierte
Antrag vom 20. Juli war nur dazu geeignet, die kommunistische Leitung
bloßzustellen, indem er ihre Inkonsequenz, ihren Leichtsinn,
ihre Neigung zur Panik und zu abneteuerlichen Sprüngen
deutlich machte.«
(Leo Trotzki, Der einzige Weg, September 1932. Abdruck nach: drs.,
Schriften über Deutschland, Hrsg. von Helmut Dahmer, Band I,
Frankfurt/M 1971; Quelle: Schafft Einheit gegen den Faschismus,S.
132/133, Ein Lesebuch, (c) by LitPol Verlagsgesellschaft/Berlin, 1985).
Dieser deutlichen Kritik ist nichts hinzuzufügen. Es
dokumentiert die politisch verfahrene Situation der KPD zu jener Zeit.
Daß sie in der Sackgasse steckte, hatte sie nicht nur den
Verhältnissen zuzuschreiben, sondern ebenfalls ihrer seit 1928
betriebenen, kurzsichtigen Politik.
Daß sich eine Strömung, wie die Einheitskomitees,
dennoch auch zur offiziellen Konzeption der Antifaschistischen Aktion
durchsetzen konnte, ergab sich aus den gesellschaftlichen
Notwendigkeiten. Die Einheitsfrontpolitik war ja nichts
grundsätzlich neues. Die Basis, deren Druck - bzw. die
praktizierte Einheitsfront - auch die Führungen der beiden
großen ArbeiterInneparteien zu spüren bekamen,
stellte faktisch die eingangs erwähnte zweite
Strömung innerhalb der Antifaschistischen Aktion dar.
Der "Rote Massenselbstschutz" als militantes Konzept der
Antifaschistischen Aktion war schon vor deren offizieller Ausrufung
praktiziert worden. Und zwar nicht in erster Linie in den Betrieben,
sondern dort, wo die Menschen dringend auf die Zusammenarbeit
angewiesen waren. In Stempelbüros und in den Wohnvierteln,
sowie auf Großkundgebungen war die Antifaschistische Aktion
greifbar. Diese Aktionen - in erster Linie Abwehr von Faschisten und
Polizei - organsisatorisch in den Einheitskomitees
zusammengefaßt, bildeten die eigentliche Grundlage der
Antifaschistischen Aktion. Hier waren ArbeiterInnen, Arbeitslose,
Jugendliche, kleine Gewerbetreibende, Leute der unteren Mittelschicht,
Frauen wie Männer organisiert.
Über eine speziell gesonderte Organsierung von Frauen in
eigenen Gruppen ist der Antifaschistischen Aktion oder auch des KGF ist
wenig bekannt. Es ist lediglich bekannt, daß sich der Rote
Massenselbstschutz, die Antifaschistische Aktion und der KGF in
Staffeln organsierte. So gab es Frauen- und Jugendstaffeln. Von einer
konsequenten getrennt-geschlechtlichen Organsierung - wie
beispielsweise beim RFB/RFMB - kann aber nicht durchgehend gesprochen
werden.
Fazit
War der Kampfbund gegen den Faschismus der erste zaghafte Schritt hin
zu einer antifaschistischenOrganisation, die sich nicht auf
ausschließlich kommunistisch organisierte ArbeiertInnen,
setzten sich die Einheitsfrontbestrebungen erst über den
praktizierten "Roten Massenschselbstschutz" durch.
Mit dem Reichseinheitskongreß vom 10. Juli hatte sich auch in
der Führung der Kommunistischen Partei die Einheitfrontpolitik
in Form der AntifaschistischenAktion durchgesetzt.
Dies drückte sich auch in der Art der Organsierung un dem
äußeren Erscheinugsbild aus. So hatte der KGF
beipsielsweise noch eine Art Uniform (Schwarzes Hemd, dunkle Hose und
Lederriemen), ähnlich der des RFB und Mitgliedsausweise. Mit
dem "Roten Massenselbstschutz" (und der Antifaschistischen Aktion)
wurden Uniformen und Mitgliedsausweise fallengelassen. Das Emblem des
"Roten Massenselbstschutz" glich dem des KGF sehr stark. (Rechte Faust
mit Roter Fahne und Namen darin).
Die Antifaschistische Aktion vermochte in ihrer Zeit kurz vor der
Machtübertragung an die Faschisten ein Kraft zu entwicklen.
Dies drückte sich durch praktische Solidarität aus,
das ein Vordringen der Nazis behinderte, daß diese teilweise
bis weit in die dreißiger Jahre hinein aus einzelnen
ArbeiterInnenvierteln und wenigen Betrieben herausgedrängt
wurden. Auch die breite Streikwelle im November 1932 war ein Ergebnis
einheitlichen Handelns. Infolgedessen kam es zu starken
Einbußen der NSDAP bei den Novemberwahlen; dies trotz der
Tasache, daß die SPD und KPD parlamentarisch geköpft
und die kommunistischen Organisation darüberhinaus bereits zu
dieser Zeit einem unglaublichen rechten Terror durch Faschisten und
Polizei ausgesetzt waren. Für die KPD war es faktisch
unmöglich ihren Wahlkampf entsprechend zu führen.
Die Antifaschistische Aktion war jedoch bei weitem nicht in der Lage
den Sprung in den deutschen Faschismus zu verhindern. Zu groß
waren die politischen Gegensätze und Feindschaften der
traditionellen ArbeiterInnenparteien, zu tief die Gräben in
der ArbeiterInnenbewegung, als daß dieser letzte Versuch
einer breiten Einheitsfront gegen Rechts hätte noch greifen
können. Das, was beispielsweise in Frankreich drei Jahre
später in Form der Volksfront den Faschismus verhinderte,
wurde in Deutschland bereits im Keim erstickt.
Gerade aber der Versuch der Einheitsfront gegen Rechts, durch den
"Roten Massenselbstschutz" die Spaltung der ArbeiterInnenbewegung zu
überwinden, zeigte dennoch, welches Potential im Grunde zum
Widerstand in der ArbeiterInnenklasse vorhanden war.
Mit der Machtübertragung auf die Faschisten am 30. Januar 1933
begann die systematische Vernichtung linker Kultur, der linken
Organisationen und Parteien. Auf eine illegale Arbeit als
Massenorganisation hatte sich weder die KPD noch die ihr nahestehenden
Organisationen vorbereitet. Lediglich die Funktionäre waren
auf eine kruze Zeit der Illeagität vorbereitet. Diese
mangelnde Vorbereitung war nicht nur eine Frage der Zeit gewesen,
sondern lag vor allem auch in der zum Teil fehlerhaften Analyse des
Faschismus und nicht zuletzt an der völlig fehlerhaften
Einschätzung breiter Schichten der Lohnabhängigen
bzw. der ArbeiterInnenklasse, der mehr revolutionäres
Bewußtsein und Kampfkraft zugeschrieben wurde, als sie in der
Tat besaß.
Es muß jedoch angemerkt werden, daß die
Machtübertragung nicht ohne weiteres von statten ging. So
wurden beispielsweise noch nach der Machtübertragung, allein
zwischen dem 30. Juni bis 2. Juli 1934 83 SA-Nazis durch
Revolutionäre liquidiert.
Dies ist deshalb wichtig anzumerken, weil in der Vergangenheit allzuoft
pauschale Aussagen über den Zusammenbruch der
ArbeiterInnenbewegung gemacht wurden.
Daß die Gründe für den Aufstieg des
Faschismus nicht nur in organisatorischer und militärischer
Schwäche der ArbeiterInnenbewegung zu suchen sind,
dürfte hinlänglich bekannt sein.Deshalb soll zum
Abschluß nocheinmal versucht werden, Fehler auf Seiten der
Linken auszuleuchten.
Einige
Gründe des Scheiterns des antifaschistischen Widerstands
Daß sich der deutsche Faschismus konstituieren konnte, lag
nicht mehr in der Einflußnahme der Initiative der
Antifaschistischen Aktion. Diese erlange als Konzept der Einheitsfront
zu spät Einfluß auf die kommunistische bzw. die
ArbeiterInnenbewegung allgemein. Die Ursachen für das
Aufschwingen des Faschismus lag in der Enwicklung der kapitalistischen
Gesellschaft, also der Weimarer Republik begründet. Die
Ursachen sind aber nicht nur national zu suchen. Die Entstehung einer
faschistsichen Herrschaftsform ist nur aus der Entwicklungsphase des
imperialistischen Kräfteverhältnisses weltweit zu
erklären. Aber eine Charakteriesierung des Faschismus als eine
Herrschaftsform des Kapitalismus soll hier nicht Gegestand des Textes
werden.
Ausdruck der (dynamischen) Entwicklung ist die Tatsache, daß
nach den revolutionären Aufständen 1918 die SPD sich
von einer systenoppositionelen zu einer staatstragenden Partei (Kraft)
entwickelte. Noch während der revolutionären
Auftsände schlug die SPD denWeg der Zusammenarbeit mit den
ehemals staatstragenden Kräften aus Militär und
Großindustrie ein. Mit der (wirtschaftlichen) Krise der
Weimarer Republik und der damit verbundenen inneren politischen Krise
begannen Kreise des Großkapitals bereits Mitte der 20er Jahre
mit dem systematischen Aufbau der NSDAP.
»Die um die sogenannte Nationalsozialistische Deutsche
Arbiterpartei (NSDAP) mit Adolf Hitler an der Spitze gruppierten
Kräfte konnten in dieser Zeit rasch an Einfluß
gewinnen und andere reaktionäre und faschistische
Kräfte überflügeln, weil sie diese Stimmung
ausnutzten und es ihnen gelang, mit ihrem raffinierten Gemisch von
nationaler und sozialer Demagogie viele Menschen zu beeindrucken,
besonders aus den kleinbürgerlichen Schichten. Um die Massen
zu verwirren, mißbrauchten sie schamlos in der
Arbeiterbewegung lebendige Traditionen und Begriffe. Sie eigneten sich
die rote Fahne an, gaben ihre Partei als "national", als
"sozialistisch" und als "Arbeiterpartei" aus. Die Faschisten
versprachen allen alles: den Werktätigen, die Arbeitslosigkeit
zu beseitigen und einen "nationalen Sozialismus" zu errichten, den
Bauern, die "Zinsknechtschaft", den Mittelständlern, die Macht
der "Plutokraten" und der Warenhauskonzerne zu brechen, den
Militärs, ein wehrhaftes und starkes Deutschland zu schaffen.
Den Monopolen sicherten sie zu, "Ruhe und Ordnung" herzustellen und den
Kommunismus zu vernichten. Mit ihren verlogenen Phrasen und
demagogischen Losungen lenkten die Nazis von der Ursache des Elends,
der Politik des Finanzkapitals, und damit von den wahren Schuldigen
ab.«
(Heinz Kühnrich, Die KPD im Kampf gegen die faschistische
Diktatur 1933-1945, S. 10; (c) Dietz-Verlag Berlin 1983.)
Damit entschied sich, vor allem das Großkapital, für
das nationalsozialistische Herrschaftsmodell zur Sicherung ihrer
imperialistischen Politik. Die traditionelle ArbeiterInnenbewegung, die
sich in den revolutionären Aufständen nicht
durchsetzen konnte, führte in den 20er Jahren fast
ausschließlich massenorientierte
Abwehrkämpfe.Aufgrund dieser Situation liegt die Frage im
Raum, ob die Möglichkeit bestanden hätte,
sozialistische fortschrittliche Gesellschaftsmodelle zu entwickeln und
damit die Wurzeln des (Faschismus) Nationalsozialismus hätte
von vorneherein eintrocknen können.
Innerhalb der KPD, die sich seit 1925 stark an der Politik der
Kommunistischen Internationale orientierte und teilweise von ihr
bestimmt wurde, stellte sich die Initaitive der Einheitsfront gegen
Rechts und der späteren Antifaschistischen Aktion als
fortschrittliche Strömung dar. Auch wenn das Umschwenken der
Leitung der KPD weg von der "Sozialfaschismusthese", war im Sommer 1932
von der KomIntern (Knorin, Leiter der KomIntern zu dieser Zeit)
kritisiert und getadelt worden war, als zu spät erwies, so
stellte es sich in der Praxis, vor allem an der Basis, als sinnvoller
Kampf gegen den Terror der Nazis (und der Polizei) dar.
Als auf Initiative der KPD im Mai 1932 die Antifaschistische Aktion
ausgerufen wurde, waren grundsätzliche Bedingungen zur
Errichtung der faschistsichen Diktatur schon volllzogen worden. Nach
dem Beginn der Weltwirtschaftskrise 1929 erkannte die
Großindustrie sehr schnell, daß die
bürgerliche parlamentariche Demokratie als Herrschaftsmodell
nicht mehr in der Lage war, die Rezession zu überwinden. So
wurde schon 1930 mit der Einsetzung der Präsidialdiktatur
Brünings nach [[section]]48 praktisch das Parlament
außer Kraft gesetzt und besaß faktisch seit dieser
Zeit keine Machtbefugnisse mehr. Die herrschenden Kapitalkreise
bestimmten fortan offen und direkt die Politik der Reichsregierung und
versuchte in der Folgezeit mit verschiedenen Machtkonstellationen die
ArbeiterInnenbewegung und die Demokratie als Staatsform als potentielle
Widerstandskräfte auszuschalten. Vor diesem Hintergrund konnte
sich der Nationalsozialismus durchsetzen, was 1933 zur
Machtübertragung auf die Faschisten führte.
Teile der KPD charakterisierten schon ab 1929 die Zustände in
Deutschland als faschistisch. In dieser Logik gab es keine qualitative
Steigerung dessen mehr, was beispielsweise an Terror gegen jegliche
Opposition im Faschismus wütete. So wurde der sich
ausbreitende Terror der Nazis als quantitative Steigerung hin zu einer
neuen Qualität unterschätzt.
Die tiefere Ursache liegt hier in der fehlerhaften Analyse der
gesellschaftliche Verhältnisse, vor allem der
Einschätzung der eigenen Kräfte
(ArbeiterInnenbewegung). Die "Sozialfaschismusthese" brachte die
fehlerhafte Stoßrichutng der aus der Analyse abgeleiteten
Politik auf den Punkt. Da die SPD jene Politik der Regierung
Brüning tolerierte - in den Ländern oft selbst die
Polizei gegen die ArbeiterInnen einsetzen ließ - wurde als
insgesaamt "sozialfaschistisch" bezeichnet. Hier fehlte die
Einschätzung, daß der Nationalsozialismus andere
Dimensionen beispielsweise der Repression und des Terrors beinhalten
werde, als der autoritäre Staat von 1930. Damit wurde auch die
eigene politische Linie der KPD zahnlos, da durch diese Analyse der
Faschismus letztlich verharmlost wurde. Was sollte außerdem
durch einen Generalstreik verhindert werden, was - laut Analyse - schon
existierte. Damit war ein konkreter Zeitpunkt zum Ausrufen eines
Generalstreiks realtiv beliebig geworden.
Durch die mit aller Radikalität durchgesetzte Abgrenzung zu
großen Teilen der SPD und ihren Gewerkschaften, war es fast
unmöglich, in der kurzen Zeit der Existenz der
Antifaschistsichen Aktion, zu einer umfassenden Zusammenarbeit zu
kommen, zumal ja noch die grundsätzlich ablehnende Position
der SPD im Raum stand. Diese festere Zusammenarbeit hätte eben
nicht nur eine erfolgreiche Zurückdängung der Nazis
von der Straße bedeutet, sondern die Vorausetzung, um den
Faschismus überhaupt aufhalten zu können. Durch die
ablehnende Haltung de SPD Führung, die sich der Orientierung
ihrer AnhängerInnenschaft sich er war, bedurfte es
großer Anstrengung seitens der KPD die Idee und die Ziele der
Antifaschistischen Aktion zu vermitteln.
Erst im Jahre 1935, als die Trageweite des Faschismus in Deutschland
allmählich deutlich wurde, kam es zu offiziellen Zusammearbeit
von KPD und SPD, die zum größten Teil nur noch aus
dem Ausland operierte. Der Starschuß für die
spätere Volksfront war eine Massendemonstration in Paris 1934
gewesen, wo es zu Verbrüderungsszenen zwischen
SozialdemokratInnen und KommunistInnen auf der Straße kam,
als sie gemeinsam einen Aufmarsch der französischen
faschistsichen Bewegung verhinderten.
Anmerkungen
zu inhaltlichen Schwächen
Die KPD deckte zwar den Klassencharakter des Faschismus auf, und damit
eine Waffe zur Herrschaftssicherung gegen die ArbeiterInnebewegung war,
»sie analysierte jedoch nicht nicht hinreichend die Motive
und Bewußtseinsstrukturen, die die Massen zum Faschismus
führten, sondern faßte diese Massenbewegungen
unmittelbar als bloßes Instrument des Großkapitals
auf, das von diesen Kräften geschaffen, finanziert und nach
ihrem Willen eingesetzt wurde. Dies verweist auf große
Defizite der KPD in der Erfassung des komplizierten Zusammenhangs
zwischen ökonomischer Macht und Massenbewußtsein,
zwischen herrschender Klasse und politischer Bewegung.«
(Reinhard Kühnl, Der Faschismus,Heilbronn 1988).
Grundsätzlich war die Faschismusanalyse der KPD vor allem
ökonomisch orientiert. Fatal daran war die Statik, die im
obigen Zitat angerissen ist. Den Faschismus ausschließlich
als »die offene, terroristische Diktatur der
reaktionärsten, chauvinistischsten, am meisten
imperialistischen Elemente des Finanzkapitals" (13. Plenum der EKKI) zu
charakterisieren, geht von einer Statik der Herrschaft aus, die
massenpsychologische Aspekte zu sehr außer Acht
läßt. Ein wesentliches Element fachistischer
Herrschaft, ist die Massenzustimmung. Dies ist beispielsweise ein
qualitatives Kriterium zur Unterscheidung von Dikaturen/
autoritärer Regime und der Herrschaftsform des Faschismus.
Anhand zweier Punkte der damaligen linken Politik soll aufgezeigt
werden, wie es möglich war, für Faschisten
anzuknüpfen und das spätere "Einverständnis"
faschistsicher Politik auch im überiwegenden Teil der
ArbeiterInnenbewegung zu erlangen.
Im Rückblick auf die Geschichte der linken
(Massen-)Organisationen deutlich, welches Problem eine umgreifende
Umerziehung bzw. Veränderung des Bewußtseins
größerer Bevölkerungsteils innerhalb des
kapitalistischen Systems mit sich bringt. Zwar waren auch die linken
Organisationen - im vergleich zu heute - Massen organisiert, aber im
Gegenteil zu den rechten Organisationen, die lediglich vorhandene
Gesellschaftsstukturen aufgriefen und anders akzentuieren (zuspitzen)
mußten, sah sich die KPD mit grundlegenderen Schwierigkeiten
konfrontiert. Einerseits sollte der "Staus Quo" der mit der
Novemberrevolution erkämpften sozialenErrungenschaften
verteidigt werden, andereseits hätte das Bewußtsein
dereingebundenen Massen mit linken Ideen weitereintwickelt werden
müssen. Dies ist innerhalb der Massenorganisationen fast
ausschließlich bezüglich ökonomischer
gesellschafftsanalytischer Aspekte durchgeführt worden. Das
Infragestellen der Rolle der Frau bzw. der Kleinfamilie als eine
soziale Ausdrucksform bürgerlicher Herrschaft und damit auch
Keimzelle sozialer Modelle des Faschismus innerhalb der linken
Organisationen spielten in der KPD eine untergeordente Rolle. Gerade
die Auseinandersetzungen um die Gründung des RFMB
dokumentieren dies augenscheinlich. Ein zweiter Punkt war die nationale
Frage, auf die ebenfalls keine fortschrittliche Antwort gefunden wurde.
Im Gegenteil. Das teilweise opportunistische Anbiedern an
reaktionäre Positionen zeigte sich nicht nur in der
Auseinandersetzung um den faschistsichen Söldner Schlageter im
Jahre 1923. Auch die Tatsache, daß
nationalrevolutionäre Positionen der nationalsozialistsichen
Bewegung mit ihren antikapitalistsich/antisemitischen Phrasen
unterschied sich im EInzelfall so manches Mal nicht von denen einiger
KPD-Kreise. Vor allem über die nationalen, antikapitalitisch
daherkommenden Phrasen der Faschisten fand eine Einbindung, neben der
kleinbürgerlicher Kreise, eines Teils der
ArbeiterInnenbewegung in die nationalsozialistische Bewegung statt.
Letzte
Worte
Wie bereits erwähnt begann ab 1933 (Reichtagbrand, 27. Februar
1933) die systematische Auslöschung fortschrittlicher
Kräfte in Deutschland. Waren die Nationalsozialisten Anfang
der dreißiger Jahre mit Hilfe des Großkapitals,
gestützt auf die verängstigten
kleinbürgerlichen Mitteschichten, an die Macht gelangt, war
die Massenzustimmung der ArbeiterInnenbewegung anfänglich
nicht auf der Seite der Faschisten. Lediglich die
nationalrevolutionäre Strömung garantierte ein
Mindestmaß an Anbindung an die traditionelle
ArbeiterInnenschaft. Nachdem die (klassenbewußten)
ArbeiterInnenschichten bis 1934 vorwiegend durch Terror (mund)tot
gemacht worden waren, war die linke Bewegung mit der Zerschlagung ihrer
Organisationen und damit der Opposition, jedlicher Möglichkeit
beraubt, Einfluß auf die Geschehnisse im "III. Reich" zu
nehmen. Mit der tausendfachen Ermordung und Folterung und Inhaftierung
der ideologischen Köpfe der revolutionären Bewegung,
war es den Nationalsozialisten mittels ihres Propaganda und
Überwachunsgapparates möglich, auch die
größten Teile der ArbeiertInnenschaft hinter sich zu
bringen. So erklärt sich unter anderem auch die
völlige Auslöschung der
natioalrevolutionären ("antikapitalistischen")
Strömung innerhalb der NSDAP ab 1934. (Röhm-Putsch).
Diese Strömung in Form der SA hätte die
zukünftig offen chauvinistisch imperialistische
Großmachtspolitik der NSDAP unter Hitlers Führung,
gegebenefalls behindert, da die Nationalrevolutionären vor
allem das nationale Kapital stärken wollten und mit der
internationalen Verflechtung des "Finanzjudentums" - wie sie es
bezeichneten - nichts zu tun haben wollten. So hatte diese
Strömung bereits 1934 ihre anfängliche Funktion des
Terrors gegen Linke bei gleichzeitiger Einbindung ehemaliger Linker
über ihren vermeintlichen "Antikapitalismus" erfüllt.
Sie war überflüssig geworden. Interne
Machtkämpfe taten das ihrige dazu und die
nationalrevolutionäre Führungsriege wurde durch die
eigenen Parteikameraden vernichtet. Die SA wurde darauffhin noch weiter
als Massenorganisation ausgebaut. An Stelle des offenen Terrors stand
jetzt die von staatlicher Seite durchführte Militarisierung
der Gesellscahft und damit die völlge Integrierung - sowohl
praktisch als auch ideologisch - der Bevölkerung. So waren
Mitte 1934 - einige Monate nach dem Röhm-Putsch - bereits 4,5
Millionen Männer in der SA organisiert.
Natürlich gab es Widerstand. Aber die differenzierte
Aufarbeitung des Widerstands im Nationalsozialismus soll nicht Teil
diese Textes sein. Abschließend bleibt zu sagen,
daß die Antifaschistische Aktion weder offiziell verboten
noch aufgelöst wurde. Sie wurde zerschlagen. Eine direkte
Kontinuität den Faschismus und den Krieg hindurch als
Gesamtströmung oder Organisation gab es nicht. Lediglich
vereinzelte Ortsgruppen konnten es schaffen ihre Arbeit illegal
weiterzuführen.
Viele deutsche AntifaschistInnen kamen in den Folterkellern der SA, SS
und GeStaPo sowie in den Konzentrations- und Arbeitslagern ums Leben.
Die noch entkamen gingen ins Exil oder beteilgten sich an den
Internationalen Brigaden in Spanien und kämpften auf der Seite
der Republik gegen Francos faschistsiche Truppen. Bezeichnend ist die
Tatsache, daß der Anteil der ausländischen
AntifaschistInnen im Spanischen Bügerkrieg 1936-38 vor allem
von italienischer und deutscher Seite am größten
war.
Einige wenige AntifaschistInnen, die nicht dem Faschismus zu Opfer
gefallen waren und auch noch die parteiinternen stalinistsichen
Säuberungen jener Zeit überlebten, beteiligten sich
an den unmittelbar am Ende des II.Weltkrieges antstandenen
Antifaschistischen Komitees in Deutschland.
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