~~==++ Antirassistische Gruppe Leipzig ++==~~
geplant für die Abschlussveranstaltung des Forums "A-n-t-i-r-a-s-s-i-s-m-u-s a-u-s-b-u-c-h-s-t-a-b-i-e-r-t" am 1. August in Köln (im Rahmen des 6. Antirassistischen Grenzcamps), nicht gehalten

Zeit und Raum für Diskussion

Eine kurze Zusammenfassung der wichtigsten Diskussionen auf dem Auftaktforum

Als Teil der Vorbereitung des Auftaktforums wollen wir an dieser Stelle überblickartig die das Forum hauptsächlich prägenden Diskussionsstränge nachzeichnen. Wer tiefer in die Diskussionen eintauchen möchte, sei auf die Rubrik Auftaktforum auf der Camp03seite, sowie auf andere Beiträge im webjournal, die sich konkreten Standpunkten und Diskussionen widmen verwiesen.

Erklärtes Ziel des Forums war die intensive Diskussion verschiedener antirassistischer Blickwinkel und Politikansätze- und, damit verbunden, der Wunsch, nach einer polyzentrischen Bündelung unterschiedlicher antirassistischer Praxen. Die thematischen Schwerpunkte der einzelnen Veranstaltungen orientierten sich dabei an den bereits im Aufruf zum diesjährigen Camp, sowie in der Campzeitung hergestellten Verknüpfungen zwischen den Schlagworten "Kontrolle und Überwachung", "Arbeit und Verwertung" und "Abschiebung und Abschreckung".

Kontovers diskutiert wurde zum einen die Frage wo antirassistische Politik ansetzen müsse. An der Spitze des Eisbergs, den schlimmsten Formen rassistischer Ausgrenzung und Entrechtung, wie der Unterbringung in Lagern, dem Verbot sich frei in Deutschland zu bewegen und den alltäglich stattfindenden Abschiebungen?
Oder sind all diese Entrechtungen effektiver im Rahmen einer größeren und abstrakteren Klammer auf- und anzugreifen, konkret der offensiv vorgetragenen Forderung nach gleichen Rechten? Oder aber liegt darin die Gefahr einer Homogenisierung von politischen Kämpfen?

Nun sind diese Diskussionslinien - die insbesondere zwischen kanak attak und der von ihnen angestrebten Legalisierungskampagne auf der einen und der Karawane für die Rechte der Flüchtlinge und MigrantInnen auf der anderen Seite verlaufen - nicht neu.

Positives Fazit des Forums ist unserer Ansicht nach aber, dass beide Positionen intensiv, gemeinsam und mit dem Wunsch, die eigenen Vorstellungen transparenter und verstehbarer zu machen, diskutiert wurden. So wurde klar gestellt, dass es nicht um eine Homogenisierung verschiedener Kämpfe gehen kann. Eine Homogenisierung, die damit einhergehen würde, dass die ganz spezifischen Formen rassistischer Ausgrenzung und Entrechtung und die unterschiedliche Betroffenheit davon nicht mehr berücksichtigt würde.
Was die praktische Zusammenführung angeht, besteht aber nach wie vor noch Diskussionsbedarf. Dies ganz besonders vor dem Hintergrund verschiedener sozialer Realitäten der Akteure, aus denen heraus ganz unterschiedliche Prämissen, was die Formulierung politischer Ziele und Forderungen angeht, resultieren.

Im Forum fortgeführt wurde auch die Debatte um das globale Migrationsregime und die (relative) Autonomie der Migration. Stattgefunden hat im Vergleich zu den letzten Camps eine Analyseverschiebung. Nicht mehr der Begriff der Festung Europa, sondern der des globalen Migrationsregimes wird als genauer Begriff erachtet, um die aktuell stattfindenden Versuche, Migration zu kontrollieren und zu kanalisieren, zu beschreiben. Diese Analyse korrespondiert aber mit der Feststellung, dass trotz fortlaufender Perfektionierung der Instrumentarien des globalen Migartionsregimes, Migration weiter und in zunehmendem Maße stattfindet. Und zwar dergestalt stattfindet, dass sich Menschen aus den unterschiedlichsten und auch selbstbestimmten Motiven das Recht nehmen, dort ihr Leben zu organisieren, wo sie es wollen und die dagegen gesetzten Grenzen tagtäglich unterlaufen.
Deutlich wurde, dass sich diesbezüglich auch ein Perspektivwechsel in der weissdeutschen Antiraszene vollzieht: Die alltäglich stattfindende Selbstermächtigung von MigrantInnen, sich Rechte einfach zu nehmen, die ihnen nicht zugestanden werden, wird zunehmend als widerständiger Akt wahrgenommen.

Gleichzeitig ist Migration auch Ausdruck eines globalisierten Arbeitsmarktes. Entsprechend waren Thema zweier Workshops zu Arbeit und Migration die Transformationen innerhalb des globalen Kapitalismus. Flexibilisierung und Auslagerung von Produktionsprozessen und die damit einhergehende Deregulierung von Arbeitsverhältnissen und die Neusegmentierung des Arbeitsmarktes wurden ins Verhältnis gesetzt, wie auch der sich daraus ergebende veränderte Bedarf nach Arbeitskräften, dem entsprechend Migration kanalisiert wird.
Herausgestellt wurde auch, dass die Prekarisierung von Arbeitsverhältnissen nicht mehr nur auf MigrantInnen beschränkt ist, sondern in zunehmendem Maße auch Menschen mit deutschem Pass betrifft. Ob sich daraus Anschlussstellen für gemeinsame Kämpfe ergeben, ist unseres Erachtens eine Frage, die zu diskutieren sich lohnt.

Bei der konkreten Beschäftigung mit Prekarisierung der Lebens- und Arbeitsverhältnisse von MigrantInnen tat sich das Spannungsfeld zwischen der notwendigen Forderung nach dem Recht auf Zugang zu Arbeit und einer ebenso notwendigen allgemeinen Kritik der Arbeit auf. Konkret wurde dies an der Kampagne gegen Lohnbetrug diskutiert, im Laufe des Camps soll dies in kleineren Diskussionsveranstaltungen weitergeführt werden.

Eine weitere Frage war die nach der gleichberechtigten Zusammenarbeit zwischen Menschen mit und ohne Flucht- und Migrationshintergrund. Eine sehr differenzierte Position dazu war die, dass es keine scharfe Trennlinie zwischen politischer Kooperation und Unterstützungsarbeit gibt, sondern eine politische Zusammenarbeit aufgrund des unterschiedlichen Zugangs zu Ressourcen und Rechten immer auch praktische Unterstützung beinhaltet. Betont wurde in diesem Zusammenhang aber auch, dass sich aus den sozialen Hintergründen von Flüchtlingen und MigrantInnen bestimmtes Erfahrungswissen ergibt, über das privilegierte deutsch-weiße AntirassistInnen nicht verfügen.

Kritisch anzumerken ist, neben der Frage nach dem adäquaten Ort für solch ein Forum, dass andere Diskussionen, vornehmlich solche, die dazu geführt haben, dass es im letzten Jahr kein gemeinsames Camp gab, nicht zentraler Bestandteil der Diskussion auf dem Forum waren.

Konkret fehlten Inhalte bzw. Positionen aus der Vorbereitung des LIS-Camps in Hamburg. Insofern wurde das Ziel des Forums, Auseinandersetzungen, die aufgrund der unterschiedlichen Camps im letzten Jahr zwangsläufig getrennt stattfanden, zusammenzuführen nicht erreicht. Das ist schade gerade in Anbetracht dessen, dass in der Vorbereitung des diesjährigen Camps auch Teile der Hamburgvorbereitung involviert waren, ihre Kritik aber nicht ins Forum hineingetragen wurde.

Deshalb sollen zwei Fragen, die unseres Erachtens diese Position umreißen, mit dem Wunsch sie weiter auf dem Camp zu diskutieren, diesen Text schließen.
Erstens, ob das Camp einen antirassistischen Fokus haben muss oder es nicht besser wechselnde Themenschwerpunkte geben sollte, um mehrere Herrschaftsverhältnisse bzw. Gesellschaft als ganzes zu kritisieren. Und zweitens, ob antirassistische Politik notwendigerweise, eine intensive Kooperation zwischen Flüchtlingen, MigrantInnen und Menschen ohne Flucht- oder Migrationshintergrund beinhalten muss ?
Antirassistische Gruppe Leipzig

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09.11.2003
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