Teil
2: Zum Beispiel Bürgerblock.
- Was
hat die (Hamburger) Kampagne zur Inneren Sicherheit mit den globalen
ökonomischen und politischen Vorgängen zu tun?
- Teil
des Prozesses den wir Globalisierung nennen, ist die Fragmentierung
der Gesellschaft
Gliederung
des Referats
- Das
"Phänomen Schill"
- Fragmentierung
und Globalisierung: Ein Zusammenhang
- Der
Diskurs der "Inneren Sicherheit"
- Widerstandsperspektiven?
Hamburg
vor und nach der Wahl, der Aufstieg des Herrn Schill
und "seines" Themas "Innere Sicherheit.
Am
23. September 2001 wurde in Hamburg eine neue Bürgerschaft
gewählt. Der vorangegangene Wahlkampf hatte im wesentlichen
ein Thema: die "Innere Sicherheit". Alle Versuche der
regierenden Koalition aus Sozialdemokraten und GAL, andere Themen
in den Wahlkampf einzubringen, scheiterten kläglich. Weder
die Wahl Hamburgs als Produktionsstätte des Airbus, bei der
Rostock ausgestochen worden war, noch die Vermarktung Hamburgs als
weltoffene, kreative Metropole mit einem expandierenden Arbeitsplatzangebot
in den New Media-Berufen, wollte Begeisterung beim Wahlvolke für
"die schönste Stadt Deutschlands" und ihre Regierung
aufkommen lassen.
Im
Mittelpunkt des Medieninteresses stand vielmehr ein Mann, der auch
gleichzeitig seine eigene Partei war und ist, Ronald B. Schill.
Dieser Ex-Richter und Parteineugründer gab die Themen vor,
die anderen Parteien mussten darauf eingehen. Beseelt von ungeheurem
Geltungsdrang und von der leicht an Verfolgungswahn gemahnenden
Überzeugung getrieben, die "68er" hätten sich
in allen staatlichen Institutionen speziell in denen Hamburgs wohlig
eingerichtet, übte Herr Schill bereits sein Amt als Strafrichter
auf sehr spezielle Art und Weise aus. Sei es, dass er eine psychisch
kranke Frau, die einige Autos zerkratzt hatte zu zwei Jahren Haft
verurteilte, sei es, dass er für nicht sofort erfolgtes Strammstehen
im Gerichtssaal drei Tage Ordnungshaft verhängte. Herrn Schill
gelang es, sich einen ständigen Platz in den Medien zu sichern
und sein Image als furchtloser Sheriff stets neu mit Leben zu erfüllen.
Dem tat weder die Tatsache Abbruch, dass die meisten seiner Urteile
in der Revision kassiert wurden, noch dass er vom Straf- ans Zivilgericht
versetzt wurde, noch dass gegen ihn gegenwärtig ein Verfahren
wegen Rechtsbeugung anhängig ist. Schill und seinen AnhängerInnen
war immer klar, dass es sich hier um einen Rachefeldzug der "68er"
handelt, die den einzig aufrechten Sheriff der Stadt gerne loswerden
wollten.
Im
Zuge seiner Strafversetzung ans Zivilgericht des öffentlichkeitswirksamen
Betätigungsfeldes beraubt, sah Herr Schill sich plötzlich
mit der Notwendigkeit konfrontiert, ein schwach dahinvegetierendes
Pflänzchen vor der völligen Vernichtung zu bewahren: Den
Rechtsstaat, speziell dessen Exekutivorgane. Um diese Mission zu
erfüllen, gründete Schill die "Partei rechtsstaatliche
Offensive", die aber immer nur unter dem Namen Schill-Partei
in der Öffentlichkeit wahrgenommen wurde. Als Ziel seiner Politik
der harten Hand hatte Schill bereits diverse Feinde ausgemacht:
Erstens die jugendlichen Kriminellen, die der armen Polizei auf
der Nase herumtanzen, zweitens die Autonomen, die der armen Polizei
auf der Nase herumtanzen, drittens die (ausländischen) Drogendealer,
die der armen Polizei auf der Nase herumtanzen, viertens die schlappen
RichterInnen, die mühsam eingefangene Exemplare der vorgenannten
Spezies wieder laufen lassen und somit der armen Polizei auf der
Nase herumtanzen und last but not least die rot-grüne Regierung,
die, natürlich aus "68ern" bestehend, alles dafür
tut, dass der armen Polizei ordentlich auf der Nase herumgetanzt
werden kann. Bei Schill wurde die "schönste Stadt"
im Handumdrehen zur "gefährlichsten Stadt" und Schuld
war nur die SPD.
Dies
ist um so erstaunlicher, als die Sozialdemokraten sich in der Vergangenheit
nicht gerade als zimperlich erwiesen hatten, was das Vorgehen gegen
Kriminelle und gesellschaftliche Randgruppen anging. Die massive
Aufrüstung der Hamburger Bahnhöfe, sowie der U-und S-Bahn-Stationen
mit Kameras, die Verstärkung der Polizei im Bahnhofsbereich
durch den BGS und nicht weniger als vier verschiedene Sicherheitsdienste
und die daraus resultierende Vertreibung der Hamburger Drogenszene
vom Hauptbahnhof ins Schanzenviertel war ebenso Teil der SPD/GAL-Politik
wie die Einrichtung von Polizei-Sondereinheiten, deren spezielle
Aufgabe es war und ist, "Autonome", "Drogendealer"
und alle anderen irgendwie Unangepassten zu schikanieren. Dies alles
begleitet von rassistischen Kampagnen, die faktisch alle Schwarzen
in bestimmten Vierteln zu Drogendealern erklärten und medienwirksamen
Razzien in AsylbewerberInnenheimen. Auf der anderen Seite wurde
der Versuch unternommen, bestimmten "Problemstadtteilen"
mit Hilfe von Anti-Müll-Einheiten und Runden Tischen den Glanz
der sauberen Weltstadt anzupolieren.
Trotzdem
ließen sich die Regierungsparteien, von Schill und dem CDU-Spitzenkandidaten
v. Beust angetrieben, bereitwillig dazu herbei, im Zuge des Wahlkampfs
noch einen Gang höher zu schalten. Vier Monate vor der Wahl
wurde der angeblich zu lasche Innensenator Wrocklage durch Olaf
Scholz ersetzt, der auch brav nach seiner Ernennung verkündete:
"Ich bin Minister für Law and Order" und "In
Hamburg wird effektiver abgeschoben als in Bayern." Gesagt,
getan, flugs wurde die so genannte Brechmittelverordnung eingeführt,
eine menschenunwürdige Behandlung, die angeblich reihenweise
Drogen aus dem Magen heimtückischer Dealer zu Tage fördert.
Mobile Polizeicontainer wurden in der Stadt verteilt und täglich
sah man den Innensenator durch irgendwelche "Problemstadtteile"
flanieren. Andererseits gab die SPD aber auch das Bollwerk gegen
Schill, der ja das ach so weltoffene und liberale Image der Hansestadt
beflecke und deswegen auch für "die Wirtschaft" schädlich
sei. Dass eine Partei Liberalität für sich in Anspruch
nimmt, die Gestalten wie Schily, Schröder und Scholz in ihren
Reihen duldet, mag befremdlich wirken. Der Umgang mit dem Phänomen
Schill zeigt aber, dass aus Sicht der SPD nur die Person Schill,
nicht aber seine Inhalte gefährlich sind.
Auch
die in Hamburg traditionell eher kraftlose CDU witterte Morgenluft,
allerdings gelang es ihr neben dem Original Schill nur, sich als
ein schwacher Abklatsch zu profilieren. Zaghafte kritische Stimmen
erhoben sich nur vereinzelt, dann traten tapfer alle CDU-Größen
vor die Kameras, verkündeten eine 98%ige Übereinstimmung
ihrer Inhalte mit dem Schill-Parteiprogramm, erklärten, dass
all das in Bayern ja bereits erfolgreiche Praxis sei und machten
sich schon einmal daran, die Schill-Partei eventuell zu beerben,
falls das Hamburger Experiment scheitern sollte.
Mitten
in den Wahlkampf platzte dann die Nachricht, dass zwei der mutmaßlichen
Selbstmordattentäter in Harburg gelebt hätten. "Ist
die liberale Metropole auch noch bevorzugter Unterschlupf für
ausländische Terroristen?" fragte Springers Hamburger
Abendblatt daraufhin besorgt.
Die
Folgen sind allseits bekannt: Schill erhielt sensationelle zwanzig
Prozent, CDU und FDP waren sogleich zur Stelle und es sieht so aus,
als würde Hamburg demnächst vom so genannten "Bürgerblock"
regiert.
Klar
ist, dass Schill den Komplex der Inneren Sicherheit oder vielmehr
des Fehlens derselben nicht erfunden hat. Schill und seine WählerInnen
sind nur die besonders widerwärtige Spitze eines gesamtgesellschaftlichen
Eisbergs. Das Thema Innere Sicherheit hat nicht erst seit Auftauchen
des Herrn Schill und auch nicht erst seit dem 11. September Hochkonjunktur
und wird von den unterschiedlichsten Gruppen vorangetrieben. Trotzdem
erhält das Thema durch Schill neue Brisanz: Gebetsmühlenartig
wurde nach Schills Erfolg von den Medien der Vorwurf erhoben, die
etablierten Parteien hätten die "Ängste" der
BürgerInnen nicht ernst genommen und jetzt die Quittung kassiert.
Schill ist zwar irgendwie Pfuibäh, weil Rechtspopulist, aber
die Richtigkeit seiner Fragestellungen wird nie grundsätzlich
in Zweifel gezogen. Und die etablierten Parteien, deren Stammwählerschaft
auf den harten Kern zusammen geschmolzen ist, hätten natürlich
auch nichts dagegen, sich von dem hier vorhandenen Potenzial das
eine oder andere Prozentchen abzugraben.
Im
Folgenden soll der Versuch unternommen werden, die hier gekennzeichneten
innenpolitischen Verschiebungen mit dem Prozess, der allgemein Globalisierung
genannt wird, zusammen zu führen.
Der
Bezug aufs große Ganze Fragmentierung der Gesellschaft
als Teil des Globalisierungsprozesses
Die
zunehmende Inklusion nationaler Ökonomien in eine "Geoökonomie",
die sich ausdrückt in dem Schlagwort von der Standortkonkurrenz
hat ihre Kehrseite in der Exklusion der nicht wettbewerbsfähigen
Elemente. Diese sind Menschen, Unternehmen, Branchen oder ganze
Regionen. Die Angleichung der nationalen Ökonomien an angebliche
Weltmarktbedingungen ("günstige Standortfaktoren")
gelingt nur um den Preis der Exklusion der nicht benötigten
Arbeit in die Arbeitslosigkeit oder in ungeregelte (informelle)
Beschäftigungsverhältnisse.
Informalisierung
meint die Auflösung bisher gültiger gesellschaftlicher
Modelle, in diesem Fall der Regelung der Arbeitsverhältnisse.
Informalisierung der Arbeit heißt also die Zunahme derjenigen
Beschäftigungsmodelle, die nicht mehr einheitlich, also tarifvertraglich
und gesetzlich, also eingebunden in ein System von Sozialleistungen,
geregelt sind. Dies sind in Deutschland vor allem die Bereiche der
"Schwarzarbeit", der Scheinselbstständigkeit, der
ungesicherten Heimarbeit. Solche informellen Tätigkeiten werden
bevorzugt von denjenigen eingegangen, die nie Teil der Gesellschaft
werden durften (Illegalisierte, AsylbewerberInnen) oder durch die
oben beschriebenen Exklusionen aus dem Arbeitsmarkt heraus gefallen
sind (Menschen ohne Ausbildung, allein erziehende Mütter, Nicht-Deutsche).
An
der Zunahme der informellen Arbeit lässt sich deutlich erkennen,
dass sich der Sozialstaat fortschreitend selbst aushöhlt. Erst
werden im Sinne der Rationalisierung und Kostensenkung "Arbeitskräfte"
in die Massenarbeitslosigkeit entlassen (meist mit der Folge, dass
die am Arbeitsplatz Verbliebenen sich halb tot schuften dürfen)
und dann wird ihnen die staatliche oder staatlich organisierte materielle
Unterstützung entzogen. Und da agrarische Subsistenzwirtschaft
in Städten schwer machbar ist, drängen all diese "Outgesourcten"
auf den informellen Markt. Im letzten Schritt wird die Verantwortung
für diese Entwicklung den Betroffenen selbst eingeschrieben
als persönliches Versagen vor den Ansprüchen der
modernen Gesellschaft, in der jede und jeder für sich Verantwortung
zu tragen hat.
Eigentlich
sollte davon ausgegangen werden, dass eine Gesellschaft, der wenigstens
am sozialen Frieden gelegen ist, das Ziel hätte, informelle
Arbeit zu reintegrieren und allgemein eine Entkoppelung von Lohnarbeit
und Existenzsicherung anzustreben, aber das genaue Gegenteil ist
der Fall. Lohnarbeit wird immer vehementer als einzige Form der
würdevollen, menschlichen Existenz postuliert. Somit wird nicht
mehr davon ausgegangen, dass der Mensch ein soziales oder politisches
Wesen ist, sondern der Mensch ist in erster Linie Arbeitskraft und
TeilhabendeR am ökonomischen Produktionsprozess und erst daraus
leitet sich seine gesellschaftliche Existenzberechtigung ab,
1944
warnte Polanyi vor einer Entfesselung des Marktes aus den gesellschaftlichen
Bindungen mit folgender, noch im Konjunktiv gehaltener Aussage:
"Das System, das über die Arbeitskraft eines Menschen
verfügt, würde gleichzeitig über die physische, psychologische
und moralische Ganzheit "Mensch" verfügen, der mit
dem Etikett Arbeitskraft versehen ist" (zit. nach Altvater/Mahnkopf,
S.92)
Ob
wir von solchen Zuständen noch weit entfernt sind, mag ermessen,
wer sich die letzte Faulenzerkampagne ins Gedächtnis ruft.
Hier wurde dem "Humankapital" klargemacht, dass es an
seiner Lage selbst schuld und moralisch dazu verpflichtet sei, jede
auch noch so krankmachende Arbeit anzunehmen. Allen die dazu nicht
bereit waren oder sind, wird die physische Existenzgrundlage entzogen.
Das Ganze wird flankiert von psychologischen Studien, die jeder
nicht lohnarbeitenden Person schwerste psychische Störungen
und sehr negative Auswirkungen von Arbeitslosigkeit auf die private
"Zeitökonomie" und das enge soziale Umfeld nachweisen.
Dem in die Ware Arbeitskraft verwandelten Menschen, bleibt hier
nur noch innigste Dankbarkeit über jedes Arbeitsverhältnis,
da er/sie sonst der Existenzberechtigung verlustig ginge.
Nötig
ist so eine Kampagne aus der Sicht des Staates allemal, denn sie
ist der "ideologischen Kitt", der die post-fordistische
Gesellschaft in ihrem Innersten zusammen hält. Zwar gibt es
schon eine große Anzahl von Menschen, die gezwungenermaßen
aus ungesicherten, krankmachenden Arbeitsverhältnissen ihren
Lebensunterhalt bestreiten, aber einige sind noch nicht bereit,
für einen Hungerlohn zu schuften und machen es sich lieber
in der "sozialen Hängematte" gemütlich. Und
für den widerstandsfreien Abbau der letzten sozialen "Errungenschaften"
ist es unerlässlich, deren EmpfängerInnen als völlig
nutzlose Elemente darzustellen, die auf "unser aller"
(da geht das "Wir" auf einmal leicht über die Lippen
) Kosten ein Leben in Saus und Braus führen.
Der
Arbeitsmarkt ist aber nicht der einzige Bereich, in den der Staat
bisher wenigstens zu einem Teil sozialregulierend eingegriffen hat
und aus dem er sich jetzt zurückzieht. Auch die Bildung die
Rentenversicherung und die Krankenkassen werden in Zukunft nur noch
den BeitragszahlerInnen offen stehen. Der Rest muss sich mit einer
"Grundversorgung" begnügen und das war´s. Dabei
sollte hier nicht der Eindruck entstehen, der Staat gedenke plötzlich
abzudanken: An die Stelle staatlicher Hochschulen treten staatlich
subventionierte private "Eliteschmieden", an die Stelle
von Sozialleistungen Repression und Überwachung. Fazit: Der
Prozess der Globalisierung geht als erstes daran, die dem Sozialstaat
zugrunde liegenden Klassenkompromisse zu zerschlagen. Dies hat den
sozialen Abstieg ganzer Bevölkerungsschichten zur Folge, die
dann entweder als nutzlos gewordene "Arbeitskräfte"
in den informellen Sektor drängen oder verelenden. Und den
wenigen, denen noch ein Anspruch auf Sozialleistungen zugebilligt
wird, wird deren Verzehr so ungemütlich wie möglich gemacht
wird. Diese, dem angeblich naturhaften Fortschreiten des Kapitalismus
geschuldete, Fragmentierung der Gesellschaft hat massive Folgen.
Erstens
gibt es eine immer größere Anzahl von Menschen, die sowohl
von Erwerbsarbeit als auch von Sozialleistungen ausgeschlossen sind
und denen oft nur der Weg in "kriminelle" Geldbeschaffungsmöglichkeiten
bleibt (wobei die Grenze zwischen "informeller" und "krimineller"
Arbeit ohnehin fließend ist). Zweitens werden im Zuge des
Rückzuges des Staates aus den sozialen Regulierungssystemen
dringend Sündenböcke gebraucht, die für den Abbau
von sozialen Rechten verantwortlich gemacht werden können.
Drittens muss, da sozialer Friede endgültig kein Ziel der Politik
mehr ist, die Repressionsmaschinerie aufgerüstet werden, um
den GlobalisierungsgewinnerInnen das Elend in Form von BettlerInnen
aus den Augen oder in Form von Kleinkriminellen vom Halse zu schaffen.
Und viertens müssen für das völlig vereinzelte Individuum,
das sich nun als eigenständiger Unternehmer und Gestalter seiner
Biographie in der Konkurrenz aller gegen alle als eigener Standort
vermarkten muss, kollektive Identitäten geschaffen oder wiederbelebt
werden. Seien diese nun national ("Wir Deutsche"), regionalistisch
("Wir Bayern, die immer in den Länderfinanzausgleich zahlen
und denen zum Dank noch das Kruzifix von der Wand gerissen wird")
oder sozialdarwinistisch ("Wir ehrlichen Steuerzahler, wahlweise
Beitragszahler").
Als
die Axt in den Wald kam, sagten die Bäume:
"Wenigstens der Stiel ist einer von uns."
(Goldene Zitronen)
Der Diskurs über Innere Sicherheit als Ausdruck eines gesellschaftlichen
Transformationsprozesses. Oder: Der starke Staat rüstet sich
zum Gefecht.
Immer
wieder anlässlich eines besonders widerwärtigen Sexualverbrechens,
der jährlichen Veröffentlichung der Kriminalstatistik
oder auch selbsterfundener Skandale ( "Terrorzentrale Rote
Flora", "Die Drogenschiffe von Hamburg-Altona", "Deutschland,
ein komfortables Nest für Geldwäscher und das Organisierte
Verbrechen") kommen sie alle hervor, die professionellen MahnerInnen
für eine sichere Gesellschaft.
Eine
entscheidende Rolle spielt dabei der historisch als vierte Macht
im Staate apostrophierte Apparat der MedienarbeiterInnen. Die Funktion
von Medien in einer hochkomplexen Welt besteht nicht allein darin,
über eine im wahrsten Sinne sich global abschöpfende Bilder-
und Nachrichtenflut einen realen Eindruck von einer zusammen wachsenden
Welt zu schaffen und immer weniger darin, den politischen Apparat
und die politischen Verhältnisse kontrollierend und kommentierend
zu ergänzen.
Vor
allem besteht ihre Aufgabe darin, zu skandalisieren. In der Reproduktion
von Bildern und Nachrichten wird Wirklichkeit nicht einfach abgebildet,
sondern vervielfacht. Die empirische Grundlage dessen, was Medien
den KonsumentInnen in ihre private Welt liefern, ist dabei im mindesten
zweifelhaft. Gerade im Hinblick auf das Thema Innere Sicherheit
sind es vor allem die Medien, die zur Schaffung von Bedrohungsszenarien
dienen. Nachhaltig deutlich wurde diese Systematik noch einmal nach
den Ereignissen vom 11. September. Globalisierung bedeutet in diesem
Zusammenhang nicht nur, in einem nie gekannten Maße zeitnah
am den globalen Katastrophen teilzunehmen. Sie bedeutet auch die
empirisch in weitaus geringerem Maße verifizierte Ahnung,
dass das Flugzeug beim nächsten Mal nicht im World Trade Center,
sondern auf dem Münchner Oktoberfest, im Hamburger Volksparkstadion,
auf dem Bottroper Flohmarkt oder gleich im eigenen Wohnzimmer einschlägt.
Die medial hergestellte "globale Gefährdungsgemeinschaft"
ist insoweit wahnhafter Unsinn und gleichzeitig doch wahr, weil
Menschen daran glauben, dass es so sein kann, wie es wohl nicht
sein wird. Zum anderen vermittelt sich in dem Bild der enge Zusammenhang
von "Globalisierung" und "Fragmentierung", denn
keine Konsequenz ist nahe liegender, als die global erfolgende Befestigung
in fragmentierte Verteidigungseinheiten, seien sie supranationaler
Art (EU), nationaler Art oder vollständig individualisiert.
An die Funktion des Medienapparates schließt sich somit auch
die dauerhafte Mobilisierung der Medienkonsumenten an, deren Richtung
variabal ist, im Zweifelsfall aber darin besteht, Ordnungs- und
Sicherheitsappelle lustvoll umzusetzen.
Die
zweite Säule in diesem Arrangement ist die Exekutive selbst,
diejenigen, die damit beauftragt sind, Sicherheit und Ordnung zu
gewährleisten. Die Polizei ist natürlich immer unterbezahlt,
in der Minderzahl, schlecht ausgerüstet, ein einsamer Kämpfer
für Recht und Gesetz. Selbst wenn die Kriminalitätsstatistik
rückläufige Zahlen vermelden sollte, heißt das natürlich
nicht, dass der Polizeiapparat vielleicht auch schrumpfen könnte.
Die Verbrechen sind dann einfach "brutaler" und die Verbrecher
raffinierter geworden. Die Polizei, das kennzeichnet ihr Wesen im
politischen Diskurs, ist aus Prinzip erfolgreich und erfolglos zugleich.
Deshalb ist ihre Arbeit gut, aber nie gut genug. Wo Politik zunehmend
auf ordnungspolitische Faktoren zusammengedampft wird, verschärft
sich diese Tendenz noch weiter.
Last
but not last die PolitikerInnen. Die Parteien sind in Deutschland
seit dem zweiten Weltkrieg immer unspezifischer geworden, was ihre
gesellschaftliche Bindung angeht. Im Grunde genommen gibt es nur
noch zwei Parteien (umkreist von jeweils einem Zwergtrabanten),
die nicht mehr bestimmte gesellschaftliche Gruppen vertreten, wie
auch das Wort "Volksparteien" zeigt. Diese werden immer
ununterscheidbarer voneinander. Oft wird behauptet, sie hätten
sich im Zuge von Deregulierung und Standortsicherung aus dem Prozess
des sozialen Regulierens weit gehend zurückgezogen und damit
zunehmend keine Verteilungsspielräume mehr. Dies ist jedoch
nur der halbe Befund, denn gerade das Beharren, keine Verteilungsspielräume
mehr zu haben, ist zum Inhalt der neuen Form der sozialen Regulation
geworden. In gewisser Weise sind jetzt alle Parteien neoliberal,
nicht einmal ihre Rhetorik unterscheidet sie noch sonderlich voneinander.
Damit
ist es heute mehr denn je Aufgabe der Parteien "Systemzwänge"
an die Betroffenen zu vermitteln. Dabei werden gerne zur Ablenkung
von ökonomischen und sozialen Problemen Rassismus, Nationalismus,
Faulenzerhass oder eben irrationale Angst vor Kriminellen mobilisiert.
Letztere natürlich nie ohne den Zusatz, die Lösung dieses
"Problemes" bereits in der Schublade zu haben. Die Skandalisierung
der Politik ist darum mehr denn je Grundlage des politischen Überlebens,
die einzige Möglichkeit, sich noch irgendwie vom politischen
Gegner abzuheben und die kommerziellen Medien spielen begeistert
mit. Außerdem hat mit dem Wegfall des Staatssozialismus auch
die Ideologie des Antikommunismus erheblich an Zugkraft verloren
und es müssen neue diffuse Bedrohungsszenarien her, um den
Ausbau der staatlichen Repressionsapparatur zu rechtfertigen. Da
kommen die "Russenmafia" und die "Drogenbosse"
gerade recht. Zu attestieren ist damit nicht die völlige Erfolglosigkeit
und Entmächtigung des politischen Apparates, sondern allenfalls
die Krise einer historischen Form der politischen Repräsentation,
deren Auflösung in neuen Repräsentationsformen besteht.
Politik entkoppelt sich von der Vorstellung der demokratischen Legitimität
und wird zur Verwaltung. Ein Prozess, der in den demokratisch kaum
zu kontrollierenden supranationalen Strukturen der EU im gleichen
Maße zu bestaunen ist, wie in den innenpolitischen Auseinandersetzungen,
in denen sich der Staat in die Menschen einschreibt.
Hinzu
kommt, dass das Feld der Kriminalität moralisch sehr aufgeladen
ist, starke Emotionen freisetzt und deshalb leicht beackert werden
kann. Wenn das gute arme Opfer vom bösen Kriminellen geschunden
wird, wer möchte da nicht gern Luke Skywalker sein? Und nebenbei
lässt sich auch noch wunderbar der politische Gegner als "Verbrecherfreund"
diffamieren.
Bei
keinem Thema lassen sich die unterschiedlichen und bewusst geschürten
Ressentiments so wunderbar vereinen wie bei diesem. Der unintegrierbare,
undankbare, ausländische Asylbeweber, der sich nebenbei als
Mitglied der Drogenmafia eine goldene Badewanne verdient und im
Mercedes beim Sozialamt vorfährt, bedient rassistische, nationalistische
und sozialdarwinistische Klischees gleichermaßen. Das Politikfeld
"Innere Sicherheit" ist sozusagen die Königsdisziplin
des politischen Abschaums.
Wenige
spielen auf dieser Klaviatur so brillant wie Herr Schill. Er hat
es geschafft, innerhalb von zwei Jahren zum absoluten Medienliebling
zu avancieren. Selbst überregionale Zeitungen widmen dem "Phänomen
Schill" ganze Seiten.
Während
Republikaner, DVU und natürlich die NPD von den konservativen
Kräften und Parteien noch weitestgehend stigmatisiert wurden,
gibt es, was Herrn Schill betrifft, weit weniger Berührungsängste.
Zu groß ist die Versuchung in Zeiten der "Politikverdrossenheit",
wo es immer schwieriger wird, selbst die eigene Stammwählerschaft
zu mobilisieren, ein Themenfeld vorzufinden, das im Mittelpunkt
des Medieninteresse steht, sich mit markigen Sprüchen beackern
lässt und eine treffliche Begründung für die Abschaffung
all jener sozialen und Freiheitsrechte abgibt, die im Zuge der Standortsicherung
ohnehin weichen müssten. Roland Koch, der die Wahl in Hessen
dank seiner unverhohlen rassistischen "Doppelpass"-Unterschriftenaktion
gewonnen hat und ein erklärter Feind aller FaulenzerInnen ist,
macht sich schon mal daran, Schill rechts zu überholen und
sich damit für den Posten des Kanzlerkandidaten zu empfehlen.
Fazit:
Schill hat den Nerv getroffen und alle wollen dabei sein. Im Zuge
der neoliberalen Deregulierung und der "Verschlankung"
des Staates ist klar, dass ein großer Teil der hier lebenden
Menschen keinerlei Teilhabe am gesellschaftlichen Wohlstand mehr
erreichen wird. Teil der widerwärtigen Inszenierungen "Innere
Sicherheit" und "Faulenzerkampagne" ist es, allen
das Gefühl zu vermitteln, die ausgemusterten "Arbeitskräfte"
seien selbst schuld an ihrem Elend und müssten aufs härteste
dafür bestraft werden.
VOR
DIESEM HINTERGRUND MÜSSEN WIR DEN WIDERSTAND ENTFALTEN - LOKAL,
ABER OHNE LOKALPOLITIKERINNEN ZU WERDEN
Wenn
ein Widerstand sich gegen globale Entwicklungen richtet, kommt er
nicht umhin, die höchst unterschiedlichen lokalen Ausprägungen
globaler Verhältnisse zur Kenntnis zu nehmen, die auf der selben
globalen Entwicklungsdynamik beruhen. Was dies für das "Herz
der Bestie" bedeutet, soll im Folgenden noch einmal erläutert
werden.
Es
ist fraglich, ob Widerstand, dem es genügt, sich an vorgegebenen
Terminen zusammenzuziehen, um seine mediale Vervielfältigung
zu erfahren, Widerstand ist, der Perspektiven hat. Dazu kann er
erst werden, wenn er das Verhältnis von Globalisierung und
gesellschaftlichen Fragmentierungsprozessen auf der lokalen Ebene
erfasst. Die Grundlage nämlich, auf der sich Widerstand entwickelt,
ist in manchen Fällen expliziter als in anderen
der lokale Raum, der konkrete Erfahrungshintergrund, vor dem aus
einigen sich unwohl fühlenden Menschen eine Gruppe von Handelnden
wird. Moralische Betroffenheit allein, die angesichts der medialen
Flutung ohnehin zu einer immer schwierigeren Kategorie wird, hat
noch nie ausgereicht, eine solche lokale Politik zu entwickeln.
So wenig die 68er-Bewegung ihre Stärke aus den Bildern von
Vietnam speiste, so wenig kann es eine "Anti-Globalisierungsbewegung"
geben, die sich aus dem "Geist von Seattle", Prag oder
Genua erschafft. Sie bleibt ein Gespenst medial vielfach
aufgegriffen, für alle möglichen Ziele verwertet, aber
dennoch unsichtbar. Die Protagonisten fahren zurück und warten
auf das nächste Ereignis, und dies ist sicherlich für
Deutschland eine nicht ganz falsche Beobachtung sie spielen
eine vor Ort längst eingebüßte Stärke vor,
ohne sich an ihr in einer Weise aufzuladen, die positive Folgen
für die politische Praxis vor Ort hätte.
Wenn
aber die These von der ursächlichen Verkettung von Globalisierung
und gesellschaftlicher Fragmentierung stimmig ist, dann liegen die
Handlungsspielräume möglicherweise vor uns wie ein aufgeschlagenes
Buch, in dem einfach nur einmal gelesen werden muss.
Möglicherweise
gibt es die sozialen Kämpfe auch schon, die direkt auf den
Prozess der Globalisierung verweisen.
Die
andere Seite der Globalisierung ist eine Gesellschaft, die keine
Ahnung mehr von ihrer Gesellschaftlichkeit hat. Dieser Befund ist
das direkte Ergebnis der Transformationsprozess vom Fordismus zum
Post-Fordismus, vom Sicherheitsstaat zum Wettbewerbsstaat, von der
Disziplinargesellschaft zur Gesellschaft der Kontrolle.
Wo
der fordistischen Sicherheitsgesellschaft zumindest ideologisch
der klassische Begriff des "volonté générale"
eingeschrieben war, wird er im Kontrollgesellschaftsparadigma durch
den "volonté particulière" ersetzt. Die
ökonomische Exklusion im globalen Maßstab, als
auch im Inneren der Gesellschaften findet dabei ihre Ergänzung
in der Verdrängung der Exkludierten aus der öffentlichen
Wahrnehmung, aus dem Denken und der gesellschaftlichen Fragmentierung.
Diese
gesellschaftlichen Fragmentierungen - Rassismus, Nationalismus,
Sexismus, um nachhaltige zu nennen - sind keine neuen Phänomene.
Dennoch ist festzuhalten, dass sich ihre Artikulationsmuster mit
den beschriebenen Transformationsprozessen verändern. Bis hinein
in die Phase der Krise des Fordismus hatte Politik im herkömmlichen
Verständnis etwas mit der Gestaltung und damit Veränderung
sozialer Verhältnisse zu tun. Grundlage der fordistischen
Regulation gesellschaftlicher Verhältnisse war das Bestreben
des Ausgleichs, die Vorstellung, dass Interessen, gesellschaftliche
Ziele und Ordnungsmodelle in konstruktiven Auseinandersetzungen
verhandelbar sind. Wenn dies auch, wie ein Blick auf die vielfältigen
gesellschaftlichen Konflikte auch jener Phase beweist, niemals unter
kapitalistischen Verhältnissen möglich war, so liegt das
spezifisch Neue doch darin, dass nicht nur der Gedanke der Gestaltungsfähigkeit
der Vergangenheit überantwortet wurde, sondern auch der demokratische
Charakter im bürgerlich-liberalen Sinne fragwürdig geworden
ist. Das Spannungsverhältnis zwischen emanzipativen Forderungen
und bürgerlichen Rechten auf der einen und den Grundbedürfnissen
der kapitalistischen Akkumulation hat sich unter den globalen Entwicklungen
in eine Richtung aufgelöst. Die neue politische Philosophie,
die Ausdruck dieser Entwicklung ist, betrachtet Politik heute zunehmend
als Verwaltung des Bestehenden und Anpassung an vermeintliche Sachzwänge.
An diese Philosophie dockt das kontrollgesellschaftliche Paradigma
an. Wo der fordistische Sicherheitsstaat noch Sicherheit in zweifacher
Hinsicht versprach materiell als auch in seinem Vormarsch
in private Räume ist die Kontrollgesellschaft die zeitgemäße
Ergänzung des Wettbewerbsstaates. Kontrollgesellschaft kommt
ohne den starken Staat nicht aus, geht aber gleichzeitig weit über
ihn hinaus. Der sich in ihr entwickelnde Common Sense ist in seiner
Grundstruktur von dem Common Sense zu unterscheiden, der die fordistische
Wohlfahrtsgesellschaft zusammen hielt. Er besteht paradoxerweise
aus lauter Partikularismen, die in der Vorstellung der Subjekte
nichts miteinander gemeinsam haben außer der Tatsache, nichts
miteinander gemeinsam zu haben. An einem nahe liegenden Beispiel
illustriert: Wo der öffentliche Drogenkonsument dem Bürger
in seiner Sehnsucht nach Ordnung ein dauerhaft sichtbares und bedrohliches
Ärgernis darstellt, muss es keinen Widerspruch darstellen,
dass eben jener sich obwohl eine kommunikative Verständigung
sicherlich nirgends stattfindet auf essentielle Ordnungsvorstellungen
mit dem Bürger einigen kann. Unterschiedliche Lebensführungen,
unterschiedliche materielle Absicherungen, unterschiedliche soziale
Stati fügen sich somit als "öffentliche Meinung"
zu einem auf ein Ziel ausgerichteten Programm zusammen.
Das
Partikularinteresse der "Anständigen" gegen die "Außenseiter"
und der "Fleißigen" gegen die "Faulen"
und es handelt sich tatsächlich um ein Partikularinteresse,
weil eine leise Ahnung von Gesellschaft gar nicht mehr vorhanden
ist wird als allgemeines Interesse generiert. In der gesellschaftlichen
Fragmentierung und Fraktionierung besteht auch dies ist ein
weiteres Paradox - nur noch eine Fraktion, die in verschiedenen
Varianten das Selbe sagt und meint. Der Junkie, der im Fernsehinterview
Vertreibungsmaßnahmen und "härteres Vorgehen"
gegen seinen Dienstleister umjubelt, mag in seiner zugespitzten
Form ein Einzelfall sein, er ist aber gleichzeitig ein Indiz dafür,
dass auch die Opfer von Ausgrenzung selbst sich auf die Seite derer
schlagen, die ausgrenzen. Die Partikularität von Forderungen
nach mehr Sicherheit vor allem geäußert von jenen,
die kaum konkret von gesellschaftlichen Unsicherheiten geschüttelt
werden wird zum allgemeinen Interesse Aller. Das Paradigma
der Kontrolle und dies ist ihr Wesenskern erschöpft
sich nicht in staatlichen Maßnahmen und dem Aufstand der Kleinbürger
gegen eine Welt, die ihnen zu entgleiten droht, es schreibt sich
in die Menschen ein.
Die
einzige Ahnung, die eine Gesellschaft solchen Typs von Gesellschaftlichkeit
haben kann, bringt sie in ihrer Dauermobilisierung zu verschiedenen,
geradezu beliebig variablen Themen zum Ausdruck, deren Wesenskern
jedoch immer das Selbe ist. Immer geht es um Bedrohungen. Es geht
um Kampfhunde, Hooligans, jugendliche Kriminelle, ausländische
Kriminelle, ausländische Terroristen, Sachbeschädigungen,
aggressive Bettler und Drogenkonsumenten. Die wirkungsmächtigste
Klammer, die diese Diskurse zusammen hält, ist der nationalstaatliche
Raum und das damit zusammen hängende System von Inklusion und
Exklusion.
Es
geht als um Folgendes: Internationale Politik muss begriffen werden
als Zusammenspiel verschiedener Nationalstaaten, in dem Interessengegensätze
in einem hierarchischen Modell ausgehandelt werden, gleichzeitig
aber auch eine bestimmte Vorstellung von Gesellschaft ihre über
den nationalstaatlichen Raum reichende Umsetzung erfährt. Die
Folgen sind global, aber auch innerhalb der Gesellschaften zu besichtigen.
Eine direkte Konsequenz ist die Zuspitzung globaler Ungerechtigkeiten
und die Zunahme innergesellschaftlicher Fragmentierungen. Diese
Fragmentierungen sind politisch nur angreifbar, wenn die Kritik
in der Lage ist, Akteure dieses Prozesses zu benennen. Nicht diffuse,
im Verborgenden wirkende Strukturen treiben diese Entwicklungen
voran, sondern recht reale Akteure in recht realen kapitalistischen
und nationalen Machtstrukturen. Mit diesem Prinzip gedanklich zu
brechen, heißt einen Begriff von Gesellschaft zu entwickeln,
der sich gegen Globalisierung und Nationalstaatlichkeit, gegen gesellschaftliche
Fragmentierung und die Universalisierung von Ausbeutung richtet
und in eine lokale Praxis mündet, die darauf beharrt, Verhältnisse
zu verändern statt sie zu verwalten. Nur dann wird aus dem
Ende der Geschichte auch der Anfang einer neuen Geschichte.
Literaturverweise
- Altvater,
Elmar/Mahnkopf, Brigitte: Grenzen der Globalisierung. Münster:
Westfälisches Dampfboot, 1996.
- Gruppe
Demontage: We don't need no integration. Zur städtischen
Modernisierung in Hamburg und zur Auseinandersetzung um die Rote
Flora. In: Jungle World, 19.9.2001.
- Hirsch,
Joachim: Der nationale Wettbewerbsstaat. Staat. Demokratie und
Politik im globalen Kapitalismus. Berlin/Amsterdam: Edition ID-Archiv,
1995.
- JungdemokratInnen/Junge
Linke: Freiheit stirbt mit Sicherheit. 2001.
- Kurz,
Robert: Schwarzbuch Kapitalismus. Frankfurt a.M.: Eichborn, 1999.
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