Danach und Stunden später.
»bambule« revisited.
Wir geben es zu: das Thema »Bambule« ist im Moment nicht
gerade das, was heißer Scheiß genannt wird. Trotzdem finden wir, dass es sich auch heute noch lohnt, einen genaueren Blick auf das Geschehene zu werfen, nicht zuletzt weil der Konflikt um die Bambule Fragen aufgeworfen hat, die uns auch noch an anderer Stelle begegnen werden. Dazu wollen wir uns im Folgenden den Verlauf der Ereignisse noch einmal unter verschiedenen Aspekten anschauen und vielleicht ein paar Denkanstöße servieren.
I.
Knietief im Dispo.
Hamburg unter Grauschleier
Der Schwarz/Gelb/Schill-Senat hatte sich langsam eingerichtet. Gekennzeichnet war seine Politik vor allem durch repressive Ordnungsvorstellungen und neoliberale Standortlogik, flankiert durch die Eskapaden in der Innenbehörde und einen Innensenator Schill, dessen Selbstinszenierungen ein neues Moment in die bundesdeutsche Politiklandschaft einführten. Schill gerierte sich als »Politikhasser«, der sich nun dazu herabließ, sich die Hände schmutzig zu machen und endlich aufzuräumen. Hier lässt sich eine Verschiebung zu einem neuen politischen Modus feststellen, der als »Antipolitik« bezeichnet werden kann und auf erhebliche gesellschaftliche Zustimmung stieß. Die Forderungen nach Ausgrenzungen und Abstrafungen verschärften sich zusehends, wurden zum vorherrschenden Diskurs und fanden eine zusehends massivere Umsetzung. Trotz Repression und Kürzungen im sozial-kulturellen Bereich stieß diese Politik auch im so genannten »linken Spektrum« jedoch nicht auf nennenswerten Widerstand. Es gab zwar einzelne Versuche eine gemeinsame Praxis gegen das rechtspopulistisch-autoritäre Politikmodell des Senats zu entwickeln. Diese waren aber nur von kurzer Dauer und fanden nur punktuell statt. Erinnert sei beispielsweise an die »Zwergendemo« zur Senatsvereidigung 2001. Eine übergreifende Bezugnahme einzelner Initiativen aufeinander blieb aus. Es gab also keine Form des Widerstands, die den Senat irgendwie ins Schwitzen gebracht hätte.
Auch in der radikalen Linken bot sich bis zur Räumung der Bambule ein eher desaströses Bild. Zwar gab es Initiativen zur Zusammenarbeit beispielsweise mit der SOPO, der Kampagne gegen Brechmitteleinsätze oder bei Auseinandersetzungen um angekündigte Sparmaßnahmen im Sozialbereich. Es gelang jedoch nicht, diese Kämpfe miteinander in Verbindung zu bringen. Es fehlte eine gemeinsame inhaltliche Klammer um eine gewisse Handlungsfähigkeit zu erlangen. Die Klientel, die sich zu solchen Gelegenheiten bewegte, war relativ überschaubar und häufig traf mensch die üblichen Verdächtigen. Eine breitere Mobilisierung konnte nicht erreicht werden.
Andere Dinge geschahen derweil nahezu unbemerkt, u.a. die Räumung der Bauwagenplätze Paciusweg und Schützenstraße. So waren wohl auch die Erwartungen in Bezug auf die Räumung der Bambule und mögliche Gegenaktivitäten relativ gering. Die von den BewohnerInnen der Bambule vorbereitete Aktionswoche schien eher unorganisiert. Was die Bambule wollte und wie das passieren sollte, blieb für viele im Nebel. Trotzdem waren die Beteiligung und das Interesse aus dem linken und subkulturellen Umfeld an der Aktionswoche relativ groß. Während und nach der Räumung des Platzes entwickelte sich eine große Dynamik in Form von massiver Beteiligung an den vielfältigen und zahlreichen Protesten. Das gilt zumindest für die Monate November und Dezember. Nach dem Jahreswechsel 2002/03 gab es zwar noch eine Vielzahl von Aktivitäten, die im Verlauf der folgenden Monate aber beständig abnahmen.
II.
Die Loide wolln, dass was passiert.
Warum Bambule?
Die auf die Räumung folgende Dynamik entwickelte sich für viele überraschend. Warum, so die Frage, die mensch sich stellte und bis heute nicht recht beantworten konnte, haben sich ausgerechnet durch die Räumung eines Bauwagenplatzes derart massive Proteste entwickelt?
Ein Faktor wird dabei sicherlich der Standort des Platzes, das Karoviertel, gewesen sein. Die AnwohnerInnen und Gewerbetreibenden im (ehemals) subkulturell links-alternativ geprägten Viertel entdeckten ihre Solidarität mit dem geräumten Platz. Die gemeinsame Geschichte – bzw. die Erzählung von der gemeinsamen Geschichte – wurde ein Anknüpfungspunkt für ihre Unterstützung. Ein weiterer nostalgischer Rückgriff bot sich für die radikale Linke an. Die Vorgeschichte der Bambule, die militante Verteidigung des Platzes 1994, konnte sentimental machen und an gute alte Zeiten erinnern. Aber auch in der aktuellen Situation gab es genug Gründe, sich mit der Bambule zu solidarisieren. Die Räumung des Platzes machte einmal mehr deutlich, dass es jetzt ans Eingemachte geht. Linke Projekte werden nicht nur in Hamburg auf ganz massive Art und Weise angegangen, das wurde in den letzten Monaten immer deutlicher – die diesbezügliche Liste ist lang und reicht von der KTS in Freiburg über die Steffi in Karlsruhe, die Alte Feuerwache in Saarbrücken, das OBW 9 in Stuttgart bis hin zur Alternative in Lübeck und die Alte Meierei in Kiel, um längst nicht alle genannt zu haben. Zur Stärke und Ausstrahlung des Bambule-Zusammenhangs trug auch bei, dass der Widerstand nichts »für andere« repräsentiert hat. Es wurde nicht für mittelbare Ziele gestritten, die eigenen Angelegenheiten der BewohnerInnen (die Notwendigkeit zu wohnen) waren der Ausgangspunkt der Kämpfe.
Da die Proteste zunächst kaum inhaltlich über das Thema Bauwagen hinaus gefüllt waren, gab es gleichzeitig für viele Menschen Anknüpfungspunkte für das Verfolgen sehr unterschiedlicher Ziele. Schon vor der Räumung war mensch vielleicht latent verstimmt angesichts der herrschenden Politik in Hamburg. Diese Abneigung gegen die Politik des Mitte/Rechts-Senat war eng mit der Person Schill und seiner Partei gleichen Namens verknüpft. Schill bot sich als Hassobjekt an und stellte somit den kleinsten gemeinsamen Nenner all derer, die sich an den Protesten beteiligten. Ausdruck hierfür ist der Slogan »Schill muss weg«, der bis zu seinem Rauswurf die beliebteste Demo-Parole war.
Auch der Umgang, der von Beginn an mit der Bambule und ihren UnterstützerInnen gepflegt wurde, hat bei vielen für Unmut gesorgt und zusätzlich mobilisiert. Auf eins konnten wir uns dabei immer verlassen: die Begleitung durch ein gigantisches Bullenaufgebot. Die Art und Weise des Auftretens der Büttel schüchterte allerdings nicht ein, sondern wirkte eher provozierend und motivierend. Nicht zuletzt trugen die bürgerlichen Medien auf ihre Art zur Eskalation des Konflikts bei. So konnte mensch nach einer Demo am nächsten Tag in der Zeitung von wilden Straßenschlachten lesen und musste sich fragen, wo und wie diese wohl stattgefunden hatten. Sie waren meist nur ein Produkt der Phantasie. So sorgte die Berichterstattung manchmal für allgemeine Erheiterung, aber – um ehrlich zu sein – es war sicher auch motivierend, einen so großen Raum in der öffentlichen Wahrnehmung einnehmen zu können, wenngleich im Vordergrund weniger die Forderungen der Bambule (selbstbestimmtes Wohnen, zurück in die Vorwerkstraße...) standen, als vielmehr das durch die Aktionen angerichtete Verkehrschaos und ähnliches. So bleibt zunächst festzuhalten, dass sich nach der Räumung eine Dynamik von neuer Qualität entwickelte. Für alle Beteiligten und Beobachtenden entwickelte sich völlig überraschend eine Auseinandersetzung auf hohem Niveau, in der sich der gesamte Frust der voran gegangenen Monate kanalisierte. Die Dynamik war mitreißend. Mit vielen Leuten durch die Straßen zu rockern, hatte Charme und Unterhaltungswert.
III.
Bewegung – äh, Mobilisierung.
Wir sind die coolsten wenn wir cruisen,
wenn wir durch die city düsen
»Unter der nächsten Regierung wird es für viele
Menschen auch nicht besser werden, deswegen
muss diese Bewegung einfach weiterbestehen«
(Jungle World-Interview 10/2004 mit VertreterInnen der Bambule und anderen)
»Dies ist keine politische Bewegung«
(Professor Doktor Michael Greven am 20.11.2002 in der MOPO)
Es gibt offensichtlich konträre Positionen über den Status der Bambule-Proteste. Die einen setzten recht schnell und zuverlässig auf einen Begriff, der rasch zur Hand ist, wenn ein paar Menschen über einen etwas längeren Zeitpunkt etwas zusammen unternehmen. Die anderen verweigerten diesen Aktivitäten nicht weniger zuverlässig genau jene Würde, ein ernsthafter politischer Faktor zu sein. Es ist aber auch möglich die Frage, »Bewegung oder nicht« in einer Art zu beantworten, die nicht in erster Linie der Befestigung der eigenen politischen Absichten dienen soll. Bewegung muss ja letzten Endes durch benennbare Faktoren definiert sein. Dazu gehört: sie muss irgendwie auf eine gewisse Dauer gestellt sein, sie muss ein System von Handlungen hervor bringen, sie muss Formen kollektiver Identität herausbilden, ihr Ziel muss sein, irgend etwas durchzusetzen oder zu verhindern. Auf Grund des begrenzten Zeitraums und der heterogenen Ausrichtung der Kämpfe rund um die Bambule scheint uns der Begriff der Bewegung also etwas überdimensioniert. Angemessener ist es, von Mobilisierung zu sprechen, da sich hierin die Kurzfristigkeit und die nicht stattgefundene Institutionalisierung des Protestes ausdrückt.
Wer, kann mensch sich nun fragen, waren eigentlich all diese Leute, die da letztlich unterwegs waren? Schwer zu sagen, denn es gab kaum Versuche die einigen tausend Leute näher kennen zu lernen. Auf jeden Fall lässt sich sagen, dass sich einfach viel mehr Menschen als das sonst so üblich war, bewegt haben und dass vermehrt junge Leute anzutreffen waren. Dabei gab es zunächst auch immer wieder Momente von Selbstorganisierung, die sich in keinster Weise den »üblichen Verdächtigen« zuschreiben ließen, z.B. Solidaritätsveranstaltungen und Initiativen, deren Einnahmen der Bambule zugute kamen, eine mehrwöchige Mahnwache am Pferdemarkt, ein Laternenumzug in der Innenstadt und die »let the music play«-Konzertreihe. Gekennzeichnet waren diese Aktivitäten durch einen unmittelbaren und spontanen Bezug zu den Ereignissen. Auch die Aktionen auf der Straße fanden zunächst unter großer Beteiligung statt und es machte einfach mal wieder Spaß, Politik zu machen, den Auseinandersetzungen haftete bereits von Anfang an ein gewisser Eventcharakter an. Die Bullen waren dabei am Anfang trotz massiver Aufgebote nicht in der Lage, die Kontrolle über das oft spontane und unvorhersehbare Agieren der Bambulistas zu gewinnen.
Dies änderte sich jedoch mit der Zeit. Die Aktionsformen – zum Beispiel spontane, für niemanden vorhersehbare Demorouten – konnten weder beibehalten noch weiterentwickelt werden. Die zunächst »innovative« Praxis ritualisierte sich zunehmend. Dies machte für die Bullen gewisse Abläufe vorherseh- und berechenbar und es gelang ihnen, unsere »Spielräume« zu verringern. D.h., es wurde zusehends schwieriger, sich überhaupt mit vielen Leuten zu sammeln und zu handeln. Auf diese eigentlich vorhersehbare Entwicklung wurde reagiert wie eigentlich immer. Es wurde begonnen, sich an ihr abzuarbeiten, statt zu realisieren, dass es auf dem Niveau der Mobilisierung zu diesem Zeitpunkt in der direkten Konfrontation nichts mehr zu gewinnen gibt, dass der Polizeiapparat aufgrund seiner eindimensionalen Strategien und buchstäblichen Trägheit allenfalls hinter- und umgehbar ist.
Doch zurück zum Geschehen. Die radikale Linke war seit der Räumung Teil der Mobilisierung. Dabei reagierte sie genauso überrascht wie alle anderen auch. Sie hatte zu keinem Zeitpunkt ein fertiges politisches Konzept oder ein ausformuliertes Verständnis über das eigene Agieren im petto, was Teile von ihr jedoch nicht daran hinderte, das Bambule-Soli-Bündnis ins Leben zu rufen. Das Bündnis war zunächst durch eine relativ weit gefächerte Zusammensetzung aus dem linken Spektrum geprägt: organisierte Gruppen, Zusammenhänge und Einzelpersonen der autonomen/radikalen Linken, parteinahe und andere Einzelpersonen, Asten und die Bambule selbst. Die Arbeit des Bündnisses war einerseits durch die konkrete Solidarität mit der Bambule und dem Ziel, einen neuen Platz durchzusetzen, gekennzeichnet. Andererseits war sie durch den Versuch geprägt, die Proteste auszuweiten und gegen die Politik des gesamten Senats (und darüber hinaus) zu wenden. Bis zum Jahresende 2002 hatte sich das Plenum schwerpunktmäßig mit der Organisierung von Großdemonstrationen beschäftigt. Die drei Demos bis zum Jahreswechsel erfreuten sich wachsender Beteiligung – mitunter bis zu 6000 Leute, mensch muss für autonome Verhältnisse ein fast schon biblisches Alter erreicht haben, um sich an szenedominierte Demos dieser Größenordnung zu erinnern. Das mochte euphorisch stimmen, im Nachhinein denken wir aber, dass das auch zu Fehleinschätzungen führte. Zum einen zehrte die Vorbereitung einer Demo nach der anderen ganz massiv an den Kräften und Strukturen des Solibündnisses, wobei kaum Zeit für inhaltliche Diskussionen blieb. Vielleicht hätte sich das Bündnis an einem solchen Punkt mehr auf die eigenen Kräfte und Möglichkeiten konzentrieren müssen, um diese zum Ausgangspunkt der eigenen Praxis zu machen. Zum anderen wurde auch nach der Hochphase der Mobilisierung von einer »Bewegung« ausgegangen, d.h. einer abrufbaren und aufgrund definierter gemeinsamer Interessen dauerhaft mobilisierbaren Masse von Menschen. In der Praxis hat sich jedoch gezeigt, dass wer »Bambule« sagt, nicht automatisch mit einer Bewegung rechnen kann, eine solche sich weder steuern noch herbeizitieren lässt.
Hierin sehen wir auch den Ausdruck für das Verhältnis von großen Teilen der radikalen Linken zu den »anderen Leuten«, die da noch unterwegs waren (falls diese Trennung überhaupt so klar gemacht werden kann). Dieses war – und ist wohl noch immer – gekennzeichnet durch Distanz, aber gleichzeitig auch durch die Erwartung, dass eine manövrier- und organisierbare Menschenmenge »zur Verfügung steht«. Dagegen finden wir es wichtig zu betonen, dass das, was auf der Straße passiert ist, eine eigene Qualität hatte, sich aber nicht in Strukturen verstetigt hat. Vielleicht ist die linksradikale Vorstellung von Organisierung nicht das Kriterium, um die Bambule-Mobilisierung zu bewerten. Vielleicht gibt es abgesehen davon eventuell auch andere Ideen davon, wie mensch sich organisieren oder Politik machen möchte. Wenn »wir« den Wunsch haben, mehr zu werden, müssten zum einen Anknüpfungspunkte geschaffen werden, die es Menschen möglich machen, sich linksradikaler Politik zu nähern. Zum anderen bedeutet es aber auch, eine autonome Wahrnehmungstradition in Frage zu stellen, nach der sich die Autonomen irgendwie immer im Zentrum der Ereignisse befinden.
Festzuhalten bleibt, dass die Beteiligung an Bambule-Aktionen nach dem Jahreswechsel stark zurückging. Warum? Hier haben unserer Meinung zwei Faktoren eine Rolle gespielt. Zum einen die Verhandlungen mit dem Senat und der »Ausnahmezustand«, der mit der permanenten action verbunden war. Die Aktivitäten rund um die Bambule hatten den Senat zumindest soweit in Bedrängnis gebracht, dass er sich auf Verhandlungen einließ. Wir wollen an dieser Stelle nicht darüber urteilen, ob dies als erkämpfter Erfolg zu bewerten sind oder die Bambule sich gar nicht erst darauf hätte einlassen sollen. Fakt ist, dass es Verhandlungen gab und dass diese innerhalb »der« Szene kontrovers diskutiert wurden. Aus unserer Sicht hat sich der Senat aus strategischen Gründen für Verhandlungen entschieden. Wo vorher mit repressiven Mitteln vorgegangen wurde, wurde nun die »Sozi-Karte« gezückt. Der Rückgriff auf integrative Elemente (in diesem Fall die Verhandlungen) ist natürlich auch eine Technik zum Kleinkochen von Widerstand und Protest. Die Integration à la runder Tisch täuscht die Möglichkeit von Partizipation an politischen Entscheidungen vor und hat vielleicht mit dazu beigetragen, die Vehemenz der Politik auf der Straße abzuschwächen. Der zweite, wesentlichere Aspekt betrifft die Dauerbelastung durch die ständigen Demos, Aktionen und deren Vorbereitung. Es ist klar, dass die Hochphase der Mobilisierung im November/Dezember in ihrem Umfang jeden, nun mal bei allen vorhandenen, Alltagsrahmen sprengte und somit nur als »Ausnahmezustand« möglich war. Was in den 1980ern (Barri-Tage etc.) noch möglich war – das Engagement als Vollzeit-AutomatIn – ist heute zunehmend schwieriger. Das Eingebundensein und der Zwang, eigenverantwortlich und individualisiert den Alltag zu bewältigen (Jobs, Uni, Politgruppe, Freizeitgestaltung und am Besten alles auf einmal) machen es unmöglich, mal »alles aufs Spiel zu setzen« (Jobs und Scheine sausen zu lassen, nur noch auf Soli-Konzerte zu gehen und Verfahren zu riskieren). Hin zu kommt, wir haben es angedeutet, Mobilisierungen sind punktuelle Ereignisse. Sie können nicht ewig so weiter gehen, nur weil es sich gut anfühlt.
IV.
Wenn es nicht hart ist, ist es nicht das Projekt?
Die Inhalte.
Als Ausgangspunkt für eine Bewertung der Inhalte möchten wir festhalten, dass die Bambule-Mobilisierung kein explizit linksradikales Projekt war. Dies ginge an ihrem heterogenen Charakter, an der Unterschiedlichkeit der Politikansätze und Inhalte vorbei. Die Forderungen der Bambule selber beschränkten sich zunächst auf einen Wagenplatz und die Akzeptanz des Lebens im Bauwagen, weiter gehend formuliert auf die Rücknahme des Hamburger Bauwagen-Gesetzes. Im Zuge der Mobilisierung gab es jedoch eine Vielzahl darüber hinaus gehender Inhalte. Im folgenden wollen wir uns mit dem, was von linksradikaler Seite eingebracht wurde, selbstkritisch auseinandersetzen.
Dass nach der Räumung entstandene Bambule-Soli-Bündnis, welches wir hier exemplarisch für linksradikales Agieren in der Mobilisierung betrachten, setzte weitere inhaltliche Schwerpunkte. Unter dem Slogan »Regierung stürzen« sollte die gesamte Politik des Rechtssenats kritisiert und angegriffen werden – für manche formulierte das auch den Anspruch, jede Regierung zu stürzen. Da in den ersten Wochen der Mobilisierung eher das »Machen« als eine fundierte inhaltliche Bestimmung im Vordergrund stand, konnte die inhaltliche Einschätzung der Situation in Hamburg nicht sehr eloquent ausfallen. Auch wurde kaum versucht, sich einen Begriff davon zu machen, warum gerade Bambule Auslöserin für derart massive Proteste war und was deren Charakter ausmachte. Eine Ausnahme bilden hier die später entstandenen Texte der ›gruppefuenf‹ »Randale! Bambule! Hamburger Schule« und »Rechtspopulismus« von hkIGs (beide Zeck Nr. 113).
›hkIGs‹ gehen davon aus, dass mit der neoliberalen Globalisierung und dem »Ausverkauf des Sozialstaates fordistischer Prägung« eine Legitimationskrise der klassischen Volksparteien einher geht. Dadurch entsteht ein Vakuum, öffnet sich ein politischer Raum, der durch Rechtspopulisten wie Schill gefüllt werden kann. Die Krise wird so in einer »autoritären Rebellion« kanalisiert. Diese ist inhaltlich nur schwer kritisierbar, da der mit ihr verbundene autoritär-populistische Diskurs der Rechtspopulisten vornehmlich auf psychologischer Berechnung beruht. ›hkIGs‹ sehen es nun als den großen Verdienst der Bambule an, die Hegemonie dieses Diskurses an einem Punkt durchbrochen zu haben, indem sie die öffentliche Verhandlung eines sozialen Konflikts erzwangen, indem sie etwas durchsetzten, was im »rechtspopulistischen Eskalationsdrehbuch« nicht vorgesehen ist. Dort werden keine Konflikte verhandelt, sondern repressiv weggeregelt. Obwohl ›hkIGs‹ dies als ein Richtungs weisendes Moment betrachten, um Widerstand gegen den Rechtspopulismus zu entwickeln, bleibt dabei, wie sie selbst erkennen, eines problematisch: Der Senat insgesamt konnte sich im Schatten der populistischen Eskapaden des Innensenators konsolidieren, Ole von Beust sich als »elder-statesman« inszenieren. Und doch war und ist Bambule trotz »Schill muss weg!« als kleinster gemeinsamer Nenner nicht auf diese Parole reduzierbar. Wenn auch schwer fassbar, so waren doch die verfolgten Intentionen zu unterschiedlich und diffus, als dass sie sich in einen derart eng gesteckten Deutungsrahmen pressen ließen. Analog dazu reicht es auch nicht aus, die Analyse des Konflikts nur vom Phänomen Rechtspopulismus ausgehend aufzuziehen. So vorzugehen bedeutet, die verkürzende Personalisierung von Politik, für die Schill stand und auf die er als Rechtspopulist angewiesen ist auch im eigenen Ansatz zu wiederholen. Eine solche Einengung aufzubrechen ohne einen Konflikt zur Projektionsfläche eigener Wünsche zu machen, müsste ein klarer gefasstes Ziel politischer Analyse und Handelns sein.
›gruppefuenf‹ nehmen sich in »Randale! Bambule! Hamburger Schule!« der Konfliktlinien zwischen Bambule und dem Senat an und versuchen, diese vor dem Hintergrund postfordistischer Vergesellschaftung einzuordnen. Dazu kontrastieren sie Bauwagenplätze und Schrebergärten und zeichnen deren jeweilige Entwicklung und Bedeutung nach. Sie kommen so zu dem Schluss, dass sich der Protest im Kern gegen die, durch die auf dem ehemaligen Bambule-Gelände eingerichteten Kleingärten repräsentierte, Disziplinierung richtet. Diese Disziplinierung und den Kampf dagegen ordnen sie nun einer Reihe antifordistischer Kämpfe zu, die heute nicht mehr auf der Höhe der Zeit sind. ›gruppefuenf‹ folgert, dass die Proteste nur dann eine Perspektive haben, wenn es ihnen gelingt, sich über den Widerstand gegen die Disziplinierung hinaus den neuen Strategien der Macht zuzuwenden, in die Flexibilität, Selbstverantwortung und Differenz (die auch Teil des propagierten Bauwagen- und Alternative-Livestyles sind) schon längst Eingang gefunden haben. Wenn mensch die Analyse so aufzieht, mag das, was mit der Bambule durchgezogen wurde und was sich als Reaktion darauf in den Protesten artikulierte, als anachronistisches Relikt vergangener Zeiten wirken. Dazu zwei Anmerkungen: Einerseits kommt diese Analyse von Bambule in ihrem Ergebnis ebenfalls recht eindimensional daher und wird der Heterogenität der Positionen, Motivationen und Praktiken innerhalb des Konflikts nicht gerecht. Andererseits stellt sich die Frage, ob der Kampf gegen die Disziplinierung nicht tatsächlich auch eine zeitgemäße Seite hat. Das liegt zumindest nahe, wenn mensch Schill und Konsorten eben nicht nur als rückwärtsgewandten Reflex auf gesellschaftliche Umbrüche sieht, sondern die sich über und hinter dem Rechtspopulismus etablierenden Politikformen und -strategien als auf der Höhe der Zeit betrachtet, in denen die Disziplinierung ein Element unter anderen ist. Trotzdem ist es richtig, die Frage zu verfolgen, wie sich gegen die neuen Formen postfordistischer Regulation (Flexibilität, Differenz und eben Kontrolle…) und durch die Personalisierungen und Vereinfachungen populistischer Politik hindurch Widerstand entwickeln lässt, der auf die grundsätzliche Infragestellung der gegenwärtigen Gesellschaftsordnung abzielt.
Abgesehen von diesen elaborierten Versuchen, sich theoretisch Durchblick zu verschaffen, bewegte sich das Gros der Beteiligten vorzugsweise auf einem sehr bewegungs-populistischen Niveau, dass das Zusammengehen der verschiedenen Proteste (von Antira über SchülerInnen bis zur HWP) beschwor. Der Anspruch, Konflikte aufeinander zu beziehen, wurde zwar immer wieder formuliert, es blieb jedoch bei einer unvermittelten diskursiven Aneinanderreihung der verschiedenen »Krisenherde«. Und das, ohne eine eigene linksradikale Ausgangsposition und Bestimmung deutlich zu machen und ohne sagen zu können, was wir in einem Zusammenwirken von Kämpfen stark machen wollen und was wir für Perspektiven sehen. Der Versuch, verschiedenste gesellschaftliche Konflikte zu vernetzen, ist noch keine linksradikale Politik. Schließlich kam zum Tragen, dass inzwischen nicht nur Schill abgedankt war, sondern der Senat im Begriff stand, sich insgesamt aufzulösen. So entstand ein Vakuum, in dem durch das Fehlen von RepräsentantInnen und einem noch nicht eingesetzten Wahlkampf politische Forderungen nicht ihre Adressaten finden konnten und kaum öffentlich verhandelbar waren. Das kennzeichnete ein grundlegendes Dilemma: die strukturelle Abhängigkeit vieler der politischen Forderungen der Bambule-Proteste von den Charaktermasken der politischen Verhältnisse. Fehlende Analyse und das Verhaftetsein in den Wahrnehmungsrastern und Spielregeln des bürgerlichen Politikbetriebs fielen dem Bambule-Protestbetrieb endgültig auf die Füße.
V.
Die Summe der einzelnen Teile des Problems.
Im Nachgang der Bambule-Mobilisierung tat sich auf verschiedenen Ebenen einiges. Erinnert sei an Diskussionen, die gemachten Erfahrungen für andere aktuelle und noch anstehende Auseinandersetzungen nutzbar zu machen, an Versuche, den inhaltlichen Fokus zu erweitern und die »linksradikalen« Strukturen des Solibündnisses thematisch umzuwidmen, an Vernetzungsaktivitäten unterschiedlichster Art. Ansprüche auf Ausweitung in andere Themenfelder wurden formuliert, die Bewegung wurde beschworen und gleichzeitig ihr Sterben längst zur Kenntnis genommen und beklagt. Im Zentrum der Bemühungen stand Verstetigung, weil mit dem Ende von Bewegung immer eben auch die Versuche einsetzen, Kontinuität herzustellen. Worum es in dieser Situation – und auch vorher schon – nicht ging: um die eigenen Vorstellungen, um etwas, was man als Profil der eigenen politischen Praxis bezeichnen könnte.
Es ging nicht um Fragen nach der eigenen Praxis, nicht um die Form der eigenen Strukturen, nicht um Strategien, mit denen den eigenen Zielen näher gekommen werden sollte, nicht einmal um die Bestimmung von Zielen jenseits der Forderungen, die ohnehin auf der Hand lagen. Der Ausgangspunkt einer solchen Diskussion wäre ein Defizit gewesen, denn genau diese gemeinsamen Vorstellungen gibt es nicht und dies ist ein strukturelles Problem.
Das Ende der Autonomen – vielfach ausgerufen, wahrscheinlich mittlerweile eingetreten – wurde von einer strikten Orientierung des Restpersonals auf Bewegung überlebt. Wer von Bewegung zu Bewegung vagabundiert, hat allerdings zwei Probleme: politische Praxis muss zum einen immer die Form von Bewegung annehmen, jede Mobilisierung muss zum anderen schon Bewegung sein. Orientierung auf Bewegung jedoch bedeutet automatisch den Verzicht auf die Herstellung auch inhaltlicher Kontinuität.
Orientierung auf Bewegung bedeutet in gewissem Maße auch Mythisierung des Bewegungsbegriffs und Hinwendung auf vermeintliche tagespolitische Erfordernisse. Überall wo es brennt, muss wahlweise mit Feuer gelegt oder der Schlauch ausgerollt werden. Das kann auf Dauer wenig erfolgreich sein, weil die Impulse, dieses oder jenes zu tun oder zu lassen, von außen kommen und selten bis nie Ausdruck einer eigenen politischen Strategie oder auch nur Vorstellung sind. Wenn diese Vorstellungen doch einmal formuliert werden, dann reproduziert sich das Dilemma lediglich auf einer anderen Ebene. Dies macht recht anschaulich die Entwicklung des Hamburger Widerstandsforums deutlich, dessen Entstehungsdynamik von den Bambuleprotesten nicht unwesentlich mitbestimmt wurde und dem von manch interessierter linksradikaler Seite zugetraut wurde, die »Bewegungen« bündeln, diversifizieren und verstetigen zu können. Das ist an sich kein schlechter Gedanke. Faktisch jedoch entschied sich die Frage der Beteiligung über den simplen Umstand, dass viele »unterschiedliche« Leute und Spektren zusammen kamen. Das war neu, das klang wie Bewegung auf anderem, nämlich höherem Niveau. Welche politischen Vorstellungen man daran entwickeln konnte, blieb höchst fraglich und sogar weit gehend unbeantwortet. Wie ausgeprägt die inhaltliche Frustrationstoleranz sein kann, wenn man kaum eigene politische Vorstellungen entwickelt hat, zeigt nicht nur die Gründungserklärung, die einer linksradikalen – oder auch nur einigermaßen pfiffigen Sichtweise auf die aktuellen politischen Verhältnisse – Hohn spricht. Das letzte Kapitel weist das Widerstandsforum dann als Wahlverein für dubiose parlamentarische Begehrlichkeiten aus.
Damit ist das Problem wieder auf die eigene Szene – was immer das sein mag – zurück verwiesen. Es gibt kein eigenständiges Profil linksradikaler Theorie und Praxis und es gibt keine Instrumente der Betrachtung, mit denen aktuelle politische Konflikte erfasst werden können. Aus diesem Grund wird entweder Protest nach Maßstäben des bürgerlichen Politikbetriebes in Gang gesetzt, den eine bürgerliche Öffentlichkeit nicht mehr organisieren kann und mag oder es wird auf identitäre Politikansätze zurückgegriffen, auf eine – teilweise romantisch aufgeladene – Vorstellung widerständigen Lebens, die direkt auf die Wurzeln der autonomen Bewegung verweist. Und damit leider auf ein ausgetrocknetes Erdreich. In beiden Ansätzen ist die Bewegungsfixiertheit, dir wir kritisieren, auf je unterschiedliche Art und Weise aufbewahrt. Ein Weg jenseits dieser zwei falschen Alternativen führt unweigerlich zum Begriff der Organisierung. Nicht, dass wir falsch verstanden werden: wir verstehen Organisierung nicht als einen simplen Gegensatzbegriff zu Bewegung, wir verstehen darunter nicht parteiähnliche Strukturen mit Namen und Emblem und wir greifen damit auch nicht die Organisierungsdebatte auf, die in den frühen 1990er Jahren die autonome Szene erfasst, beschäftigt und gespalten hat.
Wir verstehen Organisierung ganz bescheiden, aber dennoch deutlich über die jetzige Situation hinaus weisend, als organisierte gegenseitige inhaltliche Bezugnahme. Diese gegenseitige Bezugnahme ist politischer Natur, hat also eine praktische und eine inhaltliche Dimension, die nicht voneinander zu trennen sind. Dazu gehört im übrigen – um eine aktuelle Debatte, die nicht nur in Hamburg stattfindet zu erwähnen – auch die Frage, mit wem es denn weiter gehen soll und mit wem nicht. Organisierung ist ein Prozess, der vor allem auf dem Vorhandensein von Strukturen des Streits, der Auseinandersetzung beruht. Diese Strukturen gibt es nicht. Es hat sie nicht gegeben in der Bambulemobilisierung, es hat sie nicht gegeben in allen Versuchen, nach dieser Mobilisierung neue mobilisierungsträchtige Themen zu suchen und zu finden. Wir plädieren dafür, diese Jagd nach guten Themen zumindest durch die Frage zu ergänzen, wo wir eigentlich stehen, wo wir eigentlich selber hinwollen, worin dieses Wir überhaupt bestehen kann. Nicht im Rahmen eines Befindlichkeitsdiskurses, sondern im Rahmen der kontroversen Produktion von inhaltlichen Positionen.
august 2004
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