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Kein Krieg gegen den Irak!
Kein Frieden mit Deutschland!

Das „Nein” der Bundesregierung zum Krieg gegen den Irak wird mittlerweile offen mit den weltpolitischen Ambitionen der US-Regierung begründet. Der Dissens zwischen der Rot-Grünen Regierung und der US-Administration ist keine Meinungsverschiedenheit zweier befreundeter Staaten. Es handelt sich vielmehr um handfeste Interessensgegensätze zweier konkurrierender Machtblöcke. Auf der einen Seite die USA, mit deren militärischem Potential sich die EU keinesfalls messen kann und auf der anderen Seite das sich formierende Europa, in dem Deutschland und Frankreich einen klaren Führungsanspruch formulieren. Das dieser Führungsanspruch nicht überall in Europa auf Gegenliebe stößt, zeigt sich u.a. an der Solidaritätserklärung von acht europäischen Staaten mit den USA.

Deutsche Friedenspolitik

Seit dem Zusammenbruch des Warschauer Vertrages hat jede deutsche Regierung gezielt darauf hin gearbeitet, den deutschen Interessen auch wieder militärisch Nachdruck verleihen zu können. Das Zündeln im Balkan durch die einseitige Anerkennung Deutschlands von Slowenien und Kroatien als souveräne Staaten gipfelte letztendlich im Krieg gegen Jugoslawien. Ein Krieg, der weder von der UNO mandatiert wurde noch der Bewahrung der Region vor einer humanitären Katastrophe diente. Mit der Warnung vor einem neuen Auschwitz im Kosovo versuchte die rot-grüne Regierung, dem militärischen Eingreifen deutscher Soldaten auf dem Balkan einen „antifaschistischen“ Anstrich zu geben. Tatsächlich stellte der Vergleich eine Relativierung der NS-Verbrechen und eine Instrumentalisierung ihrer Opfer dar – ein weiterer Schritt zur Entsorgung der deutschen Geschichte. Mit entsorgt wurde auch gleich der nach der Niederlage des deutschen Faschismus abgegebene Schwur, das „von deutschem Boden nie wieder Krieg ausgehen darf“.

Die Änderung der verteidigungspolitischen Richtlinien im Jahr 1992, die erstmals die Sicherstellung des freien Zugangs zu den Rohstoffen und Märkten dieser Welt als eine Aufgabe der Bundeswehr definierte, wurden mit diesem Angriffskrieg in die Praxis umgesetzt. Heute sind Soldaten der Bundeswehr (mal abgesehen von dem Bündnisgebiet der Nato) in Afghanistan, am Horn von Afrika, in Kuwait und auf dem Balkan stationiert.
„Die Sicherheit Deutschlands wird auch am Hindukusch verteidigt“, erklärte Verteidigungsminister Struck und setzte die Auslandseinsätze der Bundeswehr in der Prioritätenliste an erste Stelle (Struck kündigte am 5. Dezember 2002 eine Überarbeitung der »Verteidigungspolitischen Richtlinien« aus dem Jahr 1992 an. Der Kern der neuen Bundeswehr: Nicht mehr Landesverteidigung, sondern „Krisenbewältigung”.) Die rot-grüne Bundesregierung steigerte in den letzten Jahren die Zahl der eingesetzten deutschen Soldaten außerhalb des NATO Gebietes von 2000 auf mittlerweile über 13.000. Die Bundeswehr hat durch ihre Auslandseinsätze etwa 60.000 Soldaten verplant oder gebunden. Diese Zahl ergibt sich aus dem Aufwand, der zusätzlich zum Einsatz für Ausbildung, Vor- und Nachbereitung sowie die Regeneration des Personals erforderlich ist. „Deutschland stellt heute nach den Vereinigten Staaten von Amerika das zweitgrößte Truppenkontingent in internationalen Einsätzen zur Sicherung und Wahrung des Friedens.“ (Schröder in der Regierungserklärung am 13.02.03)

Neuerdings hat Rot-Grün die Zuständigkeit der UNO für Krieg und Frieden in der Welt wieder entdeckt. Aber nicht etwa eine neu entdeckte Liebe zum Frieden spricht da aus dem Munde von Fischer und Schröder, sondern das Wissen darum, das sich die USA nach einem gewonnenen Krieg gegen den Irak weitere Militärbasen in der Region sichern werden. Der Krieg gegen den Irak wird aufgrund weitreichender geostrategischer und wirtschaftlicher Interessen geführt. Die globalen Konfliktlinien im neuen Jahrhundert verlaufen zwischen den USA, Europa, China und Rußland. Dem mittleren Osten und Zentralasien kommt in dieser innerimperialistischen Konkurrenz eine besondere Bedeutung zu. In einer Region also, deren Ölvorkommen die Basis aller kapitalistischer Wachstumsphantasien und damit auch deutscher Expansionsgelüste bilden.
Vor diesem Hintergrund ist auch das »Nein« der rot-grünen Bundesregierung zu einem Irakkrieg zu betrachten. Ein »Nein«, das aus der deutschen lnteressenslage und deren Möglichkeiten heraus betrachtet werden muß. Denn um nichts anderes als deutsche wirtschaftliche und politische Interessen geht es der Bundesregierung, wenn sie einen Krieg gegen den Irak ablehnt und sich konfrontativ gegenüber den USA und anderen Kriegsbefürworterinnen positioniert. So liegt es Deutschland an einer weitergehenden Einbindung des Nahen Ostens in das Einflussgebiet der EU, an Wachstum, Entwicklung und wirtschaftlicher Liberalisierung und Kooperation in der Region. Dieses Projekt steht und fällt aber mit der »Befriedung« des Nahen Ostens. Ohne Stabilität gibt es keine regionale Kooperation, keine ökonomische Liberalisierung und Intergration. Ein Krieg unter US-Hegemonie würde auch den deutschen Einfluß in der Region zurückdrängen und entscheidende Schlüsselpositionen militärisch, ökonomisch und politisch anderseitig besetzen.

Die Unterschiede in den geopolitischen und ökonomischen Strategien und Zielsetzungen resultieren nicht etwa aus einem wesenhaften Unterschied des deutschen und des US-amerikanischen Kapitalismus - sie sind viel mehr Ausdruck innerkapitalistischen Konkurrenz und der jeweiligen Ausgangsbedingungen zur Durchsetzung eigener imperialistischer Interessen. Grundsätzlich enthält der Kapitalismus die imanente Tendenz zum Krieg, die dem Zwang der imperialistischen Konkurrenz geschuldet ist. Hierbei ist das »aggressive« US-amerikanische Auftreten unter dem Gesichtspunkt des »Rechts des Stärkeren« zu verstehen. Denn die USA ist seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion konkurrenzlos die einzige Weltmacht. Diese Vormachtstellung wird sie weiterhin versuchen aufrecht zu erhalten bzw. nach Ihren konkreten Vorstellungen und Lösungsstrategien weiter auszubauen. Diese Logik entspricht nicht einer spezifischen US-amerikanischen Verfaßtheit, sondern ist so allgemein gültig seitdem es Machtverhältnisse überhaupt gibt. In der Irak-Frage setzt die USA auf Krieg mit dem Ziel darüber die effizienteste Umsetzung der eigenen Interessen zu erzielen. Der »deutsche Weg« beschreibt nur die Vorstellung mit sog. Zivilen Mitteln zu gleichen Ergebnissen zu kommen. Was sich in den derzeitigen Auseinandersetzungen vor allem zeigt, wie stark sich der Konkurrenzkampf zwischen den imperialistischen Mächten entwickelt, wie weit Deutschland seit der Wiedervereinigung an Macht gewonnen hat und dieses Gewicht nunmehr offen auf internationaler Ebene ins Gefecht führt.



Friedensfreunde unter sich


„Wenn aber heute Grüne und Sozialdemokraten wieder den Weg zur Friedensbewegung finden, dann sollte man sie herzlich willkommen heißen. Wir sind nicht nachtragend. Wir verzeihen alles ...“ erklärte ein Sprecher (Peter Strutynski) der Bewegung auf einer Friedenskundgebung in Kassel im Januar 03.

Wer schließt hier wen in die Arme? Zentral ist hierbei der Schulterschluß: eine Bewegung die nicht opponiert, sondern ihre mehrheitlichen Sprecher regierungsunterstützend agieren und folglich dem deutschen Machtbestreben den Rücken stärken. Kritik beschränkt sich darauf, dass sich die deutsche Regierung zu inkonsequent verhält, sprich sie sollte ihre Politik mit mehr Nachdruck durchsetzen. Die folgenden Zitate von Sprechern der Friedensbewegung stehen stellvertretend für Positionen, die mittlerweile auf allen Demonstrationen und in vielen Publikationen der Friedensbewegung zum Mainstream gehören.

Die Kritik am Krieg reduziert sich auf den Einsatz kriegerischer Mittel und es wird angemahnt, dass mit anderen Mitteln zu gleichen Ergebnissen zu kommen ist. Dabei wird eine euro - chauvinistische Variante favorisiert, „... denn die Erfolge der EU liegen in der wirtschaftlichen und sozialen Integration - nicht nur innerhalb der Union, auch in Ihren außenpolitischen Leistungen und Dimensionen wie z.B. in der Osterweiterung, in der Mittelmeerpolitik, in der Politik gegenüber den AKP-Staaten. Und solche Politik ist durchaus interessenkonform und funktional - auch wenn sie keineswegs frei ist vom Streben nach Dominanz: Investitionen brauchen Freiheit, sprich: Marktfreiheit. Und: Rechtssicherheit! Diese ist aber nur zu haben um den Preis von Demokratie und Gewaltenteilung.“, erklärt Werner Ruf, ein Mitglied der Arbeitsgruppe Friedensforschung an der Uni Kassel auf dem Friedenspolitischen Kongress in Hannover. Keimt zwischendurch die Erkenntnis über diverse Hintergründe auf, „ganz offensichtlich geht es den Regierungen der USA und Großbritanniens dabei nicht um Menschenrechte und Demokratie, sondern um politische und wirtschaftliche Interessen in einer der ölreichsten Regionen der Erde“ (Resolution der Landesbezirksfrauenkonferenz ver.di Berlin) wird immer den USA, aber niemals der eigenen Regierung ein solch niederes Interesse vorgeworfen. Eine Erklärung dafür ist: „ ... hätte dieser Krieg mit Sicherheit eine Explosion des Ölpreises zur Folge. Dies aber träfe die Europäer und Japan ungleich härter als die USA, die - noch - etwa zehn Prozent ihrer Ölimporte aus der Region beziehen, Europa aber vierzig und Japan gar siebzig Prozent. Eine solche Entwicklung wäre ein vernichtender Schlag für die Konkurrenzfähigkeit europäischer (und japanischer) Produkte auf dem Weltmarkt.“ (Werner Ruf)

Und wenn es ums Geld geht, dann wird auch einigen deutschen Friedensaktivisten ihre Herkunft schnell bewußt. Hierbei werden dann munter mal andere Töne angestimmt: „wer Freund und wer Feind ist, bestimmt die US-Politik durch das freie Ermessen. Kann sich Europa dem anschließen? Soll das Qualitatsprädikat „Westen“ noch irgendeinen Sinn haben, dann darf die westliche Welt ihrer Vormacht auf diesem Weg nicht folgen. Wo der Zweck die Mittel nicht heiligt, schänden die Mittel den Zweck.“ (Reinhard Mutz) Hier wird dem deutsch-europäischen Geist ein besonnenes, kultiviertes, zivilisierendes etc. Politikverständnis attestiert. Für die herrschende Politik hier sind das nur vorgeschobene Argumente, die die eigentlichen Interessen im kapitalistischen Konkurrenzkampf auf internationaler Ebene überdecken. Wer das sog. Qualitätsprädikat »Westen« für gut heißt, reproduziert genau diese Verhältnisse, die immer wieder zu Krieg geführt haben und auch in Zukunft zu Kriegen führen werden.

Wer in der unbedingten Ablehnung des geplanten US-Kriegs gegen den Irak, die USA mit dem kapitalistischen Weltsystem gleichsetzt, will die hiesigen und weltweiten Herrschaftsverhältnisse nicht wahrhaben. Mit Antiamerikanismus läßt sich in Deutschland schnell eine breite Basis finden. Mit emanzipatorischer Politik hat das nichts zu tun. Der US-Imperialismus wird in Europa und insbesondere in Deutschland leicht als alleiniger Verursacher der weltpolitischen Unordnung ausgemacht – die USA selbst sind zu einem Synonym für den weltweiten Kapitalismus geworden. Die politische und millitärische Rolle Deutschlands und der EU wird mittlerweile auf Friedensdemonstrationen als positiver Gegenpol zu den USA aktzeptiert und begrüßt. Dabei verstehen wir die jüngste Friedensbewegung in ihrer Zusammensetzung keinesfalls als einen homogen Block - auch wenn die nahezu ungestörte Vermittlung von regierungsfreundlichen bis nationalistischen Positionen diese Geschlossenheit nach aussen vermittelt. Wir finden es aber notwendig, innerhalb solcher Mobilisierungen - nicht nur als linke, kommunistische, antimillitaristische Kräfte - eine emanzipatorische Position zu beziehen. Das bedeutet, Positionen wie Antiamerikanismus und antisemitische Slogans oder Metaphern, wie zum Beispiel der „Tanz um das goldene Kalb” o.ä., in aller Deutlichkeit zurückzuweisen. Auch das Hohelied auf die alte europäische Zivilisation und der Gebrauch eines Friedensbegriffs, der nicht einmal ansatzweise die Grundlagen von Herrschaftsverhältnissen wie Kapitalismus, Rassismus und Patriarchat benennt, ist für uns nicht hinnehmbar. Inbesondere finden wir inakzeptabel, dass deutsche KriegsgegnerInnen über das Ticket der Angst, hier insbesondere mit der Begründung von leidvollen Erfahrungen der „Schrecken der alliierten Bombennächte“, mobilisiert werden sollen. Nicht nur, daß dass in diesem Zusammenhang Ressentiments gegen »die Amis« geschürt werden; hier findet auch eine Umdeutung des von den deutschen Nazis losgetretenen Zweiten Weltkriegs statt. Der nationalsozialistische Faschismus erscheint nicht mehr als der kriegstreibende Aggressor, sondern die Deutschen werden damit zu Opfern der Allierten, die schließlich mit dem nationalsozialistischem System Schluss gemacht haben.


Mobilmachung nach innen


Scheinbar paradox mag vor dem Hintergrund des Friedenskurses deutscher Aussenpolitik zunächst auch die sich vollziehende Mobilmachung nach innen wirken. Einerseits wurde mit der gleichen Rethorik - die Bedrohung durch den internationalen Terrorismus, mit der im Moment ein lrakkrieg legitimiert wird, eine Reihe von Sicherheitsgesetzen verabschiedet. Andererseits wird entlang einiger Hochwasserkatastrophen das Bild vom Militär als Freund und Helfer inszeniert, um schließlich offen über Gesetzesänderungen zu diskutieren, die Militäreinsätze der Bundeswehr im Inneren (Übernahme von Polizeiaufgaben beim Schutz von Kasernen) legitimieren sollen. Somit wird selbst vor dem Hintergrund eines „Neins“ zum Irakkrieg eine Militarisierung der Innenpolitik im Speziellen und der deutschen Politik im Allgemeinen vorangetrieben. Das dazu notwendige nationalistische »Wir«, hervorgerufen unter anderem durch scheinbar objektiv geführte Auseinandersetzungen anhand ideologisch aufgeputschter Bedrohungsszenarien von »inneren und äußeren Feinden«, verfehlt nicht seine Wirkung. Innergesellschaftliche Widersprüche werden dadurch überdeckt, bzw. deren Ursachen auf ausgemachte Feindbilder projiziert. So scheint es niemand größer aufzufallen, bzw. zu interessieren das mit quasi gleichen Bedrohungszenarien zuvor noch Kriege, jedoch heute Frieden begründet werden kann und gleichzeitig das verstärkt offene auftreten (auch militärisch) der deutschen Politik auf internationaler Ebene als selbstverständlich angesehen wird.

Der Bezug auf westliche Werte und Ideale, die Menschen- und Völkerechtsrethorik, die in diesem Fall als Anti-Kriegsrethorik daherkommen, entpuppt sich - wenn aktuell schon nicht als offene Kriegsrethorik - so doch als Versuch, auf ideologischer Ebene das Formulieren deutscher imperialisitischer Interessen und eine überwachungsstaatliche und militaristische Logik akzeptabel zu machen. Diese Bedingungen gegenwärtiger kapitalistischer Verhältnisse gilt es sich zu vergegenwärtigen, wenn man sich gegen den Irakkrieg ausspricht und nicht im Schulterschluss mit der Bundesregierung eine imperialistische Politik, die man an den USA kritisieren mag, an anderer Stelle fortsetzen will.


Unsere Widerstands-Perspektive

Linke Kritik am Krieg muß am weltweit herrschenden Prinzip des Kapitalismus selbst ansetzen. Wenn wir versuchen, daraus praktische und inhaltliche Konsequenzen zu ziehen, kann es vielleicht wieder möglich werden, eine Position gegen den Krieg zu entwickeln, die die Perspektive auf gesellschaftliche Emanzipation mit einschliesst. Das hiesse zunächst, die deutsche kapitalistisch-imperialistische Verfasstheit mit einzubeziehen und an dieser anzusetzen. Dies würde nicht nur der Anschlussfähigkeit reaktionärer antiamerikanischer Positionen an die eigenen unterbinden, sondern wäre ein Schritt in die Richtung, kapitalistische Verhältnisse grundsätzlich in Frage zu stellen.
Denjenigen Linken, die sich aktuell auf der Seite der USA für den Krieg positionieren, nicht zuletzt weil sie sich von diesem einen zivilisatorischen Fortschritt im Irak nach dem Machtwechsel erwarten, muß eine antikapitalistische Kritik ebenfalls entschieden gegenübertreten. „Wer seine Hoffnungen auf imperialistische Kriege projiziert, begleitet nur wohlwollend neue Massaker und die permanente Auswechslung von Tyrannen.“ (Rainer Trampert, Jungle World 8/2003)

Kein Krieg gegen den Irak!
Kein Frieden mit Deutschland!
Keine EU-Armee!
Revolution statt neue Weltordnung!


Linke Gruppen für eine revolutionäre Perspektive
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