Nr. 25 Juli/August 2001  AZADI e.V.

AZADI informationen 


EU-Gericht verurteilt BRD

Wegen des Verstoßes gegen § 5 der Europäischen Menschenrechtskonvention hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg die Bundesrepublik Deutschland verurteilt. Duran Kalkan, alias Selahattin Erdem, Gründungsmitglied der PKK, hatte gegen seine sechs Jahre dauernde Untersuchungshaft geklagt. Der Kurde war im April 1988 an der deutschen Grenze bei der Einreise aus Frankreich festgenommen und erst im März 1994 im so genannten „Düsseldorfer Prozess“ wegen Mitgliedschaft in einer „terroristischen“ Vereinigung zu sechs Jahren Gefängnis verurteilt worden. Die deutschen Behörden rechtfertigten die lange Untersuchungshaft mit den komplexen Ermittlungen. So seien 50.000 Akten-Seiten zusammengetragen, 200 Zeugen und 20 Sachverständige vernommen worden. Während seiner Haft hatte Selahattin Erdem mehrere Anträge auf Freilassung gestellt, die allerdings vom Bundesgerichtshof und vom Oberlandesgericht (OLG) abgelehnt worden waren. Durch die Anrechnung der 6-jährigen U-Haft wurde er seinerzeit sofort auf freien Fuß gesetzt.(AZADI/agence france press, 5.7.2001)

Duran Kalkan setzt sich heute als Mitglied des PKK-Präsidialrates für einen Prozess des demokratischen Wechsels in der Türkei ein. Am 14. August erklärte er zur aktuellen Lage in einem Gespräch mit der Zeitung Özgür Politika u. a.: „Die momentane Phase ist kritisch. Denn jetzt wird sich herausstellen, welcher Grad des Gewinns und der Entscheidung möglich ist. Die Kräfte, die für einen demokratischen Wandel, die demokratische Lösung der kurdischen Frage und den Eintritt in die EU sind, müssen unverzüglich und in aktiver Form dafür eintreten.“

Geldstrafe für Demo und Plakatekleben

Zweieinhalb Jahre, nachdem ein heute 20-jähriger Kurde an einer nicht genehmigten Demonstration teilgenommen hatte, wurde er jetzt vom Amtsgericht Wiesbaden verwarnt und dazu verurteilt, 900 Mark an Amnesty International zu zahlen.
Aus Anlass der Festnahme des PKK-Vorsitzenden Öcalan versammelten sich am 19. Februar 1999 etwa 350 Kurden vor dem Innenministerium in Wiesbaden. Die Polizei löste die Demonstration mit Wasserwerfern und Schlagstockeinsatz auf, 26 Personen wurden festgenommen. Der Verurteilte war allerdings auf einem Polizeivideo identifiziert worden. Im Mai 1999 geriet der Jugendliche erneut ins Visier der Polizei. Er wurde festgenommen, als er Plakate mit dem Abbild Öcalans klebte. „Ich als Kurde wollte meine Empörung zeigen; Öcalan war der Führer der Kurden,“ rechtfertigte sich der 20-Jährige vor Gericht. Die lange Dauer bis zum Prozess erklärte die Justiz mit Problemen bei der Verbindung der beiden Taten. Außerdem war das Beweisvideo im Büro der Verteidigerin verloren gegangen und erst nach einem Jahr wieder gefunden worden. (AZADI/Wiesbadener Kurier, 17.7.2001)

Für illegale Einreise 900 DM Bußgeld

Ein 26-jähriger Kurde war 1995 zum ersten Mal von Istanbul aus illegal in die Bundesrepublik eingereist. Drei Jahre später wurde er in die Türkei abgeschoben: „In Istanbul hat man mich festgenommen und ins Gefängnis gesteckt.“ Im April 2000 reiste er mit einem gefälschten Ausweis über den Kölner Flughafen wieder in die Bundesrepublik ein: „Es gab keine Möglichkeit, in der Türkei zu bleiben. Sonst wäre ich tot gewesen,“ sagte der Kurde. Kurze Zeit später entdeckte ihn die Polizei bei einer Verkehrskontrolle, nahm ihn fest und ließ ihn nach zwei Tagen wieder frei. Nach eigenen Angaben sei er erneut ins Visier der Polizei geraten: Er hatte an einer Feier teilgenommen, bei der ein Gast eine Fahne der verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) in der Hand gehalten habe.
Der Richter am Amtsgericht der nordrhein-westfälischen Stadt Rheinbach hat das Verfahren eingestellt unter der Voraussetzung, dass der Kurde für die illegale Einreise 900 DM bezahlt. Er lebt in der Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber mit einer Aufenthaltsgenehmigung und einer befristeten Arbeitserlaubnis.(AZADI/Bonner General-Anzeiger, 18.7.2001)

Frieden schützt vor Strafe nicht

Weil ein 26-jähriger Kurde Zeitungen und Festival-Karten verkauft und Spenden für die verbotene PKK gesammelt hat, wurde er am 9. August 2001 von Richter Dr. Thomas Gessert beim Landgericht Dortmund zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt, gegen eine Geldauflage von 500 DM zur Bewährung ausgesetzt. Da er bei seiner Festnahme in Gelsenkirchen 3.400 DM bei sich trug, stand für das Gericht fest, dass es sich hier um Beiträge von PKK-Mitgliedern gehandelt hat. Der Angeklagte leugnete nicht, für die PKK tätig gewesen zu sein. Militanz wurde ihm von Seiten des Gerichts nicht vorgeworfen. Richter Dr. Thomas Gessert äußerte in seinem Urteil u.a.: „Auch wenn sich etwas politisch ändert, wirkt sich das nicht rückwirkend auf die Strafbarkeit aus.“
Der Verurteilte stammt aus einer Großfamilie, die sich in ihrer Heimat dem Freiheitskampf verschrieben hat. Sein Vater wurde umgebracht, ein Bruder spurlos verschwunden gelassen. Nach Gefängnis und Folter flüchtete der 26-Jährige im Mai 2000 nach Deutschland und wurde als politischer Flüchtling anerkannt. (AZADI/WR, 10.8.2001)

Zurück zum Inhaltsverszeichnis