Wegen des Verstoßes
gegen § 5 der Europäischen Menschenrechtskonvention hat
der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg
die Bundesrepublik Deutschland verurteilt. Duran Kalkan, alias Selahattin
Erdem, Gründungsmitglied der PKK, hatte gegen seine sechs Jahre
dauernde Untersuchungshaft geklagt. Der Kurde war im April 1988 an
der deutschen Grenze bei der Einreise aus Frankreich festgenommen
und erst im März 1994 im so genannten Düsseldorfer
Prozess wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen
Vereinigung zu sechs Jahren Gefängnis verurteilt worden. Die
deutschen Behörden rechtfertigten die lange Untersuchungshaft
mit den komplexen Ermittlungen. So seien 50.000 Akten-Seiten zusammengetragen,
200 Zeugen und 20 Sachverständige vernommen worden. Während
seiner Haft hatte Selahattin Erdem mehrere Anträge auf Freilassung
gestellt, die allerdings vom Bundesgerichtshof und vom Oberlandesgericht
(OLG) abgelehnt worden waren. Durch die Anrechnung der 6-jährigen
U-Haft wurde er seinerzeit sofort auf freien Fuß gesetzt.(AZADI/agence
france press, 5.7.2001)
Duran Kalkan setzt sich heute als Mitglied des PKK-Präsidialrates
für einen Prozess des demokratischen Wechsels in der Türkei
ein. Am 14. August erklärte er zur aktuellen Lage in einem Gespräch
mit der Zeitung Özgür Politika u. a.: Die momentane
Phase ist kritisch. Denn jetzt wird sich herausstellen, welcher Grad
des Gewinns und der Entscheidung möglich ist. Die Kräfte,
die für einen demokratischen Wandel, die demokratische Lösung
der kurdischen Frage und den Eintritt in die EU sind, müssen
unverzüglich und in aktiver Form dafür eintreten.
Geldstrafe
für Demo und Plakatekleben
Zweieinhalb
Jahre, nachdem ein heute 20-jähriger Kurde an einer nicht genehmigten
Demonstration teilgenommen hatte, wurde er jetzt vom Amtsgericht Wiesbaden
verwarnt und dazu verurteilt, 900 Mark an Amnesty International zu
zahlen.
Aus Anlass der Festnahme des PKK-Vorsitzenden Öcalan versammelten
sich am 19. Februar 1999 etwa 350 Kurden vor dem Innenministerium
in Wiesbaden. Die Polizei löste die Demonstration mit Wasserwerfern
und Schlagstockeinsatz auf, 26 Personen wurden festgenommen. Der Verurteilte
war allerdings auf einem Polizeivideo identifiziert worden. Im Mai
1999 geriet der Jugendliche erneut ins Visier der Polizei. Er wurde
festgenommen, als er Plakate mit dem Abbild Öcalans klebte. Ich
als Kurde wollte meine Empörung zeigen; Öcalan war der Führer
der Kurden, rechtfertigte sich der 20-Jährige vor Gericht.
Die lange Dauer bis zum Prozess erklärte die Justiz mit Problemen
bei der Verbindung der beiden Taten. Außerdem war das Beweisvideo
im Büro der Verteidigerin verloren gegangen und erst nach einem
Jahr wieder gefunden worden. (AZADI/Wiesbadener Kurier, 17.7.2001)
Für
illegale Einreise 900 DM Bußgeld
Ein
26-jähriger Kurde war 1995 zum ersten Mal von Istanbul aus illegal
in die Bundesrepublik eingereist. Drei Jahre später wurde er
in die Türkei abgeschoben: In Istanbul hat man mich festgenommen
und ins Gefängnis gesteckt. Im April 2000 reiste er mit
einem gefälschten Ausweis über den Kölner Flughafen
wieder in die Bundesrepublik ein: Es gab keine Möglichkeit,
in der Türkei zu bleiben. Sonst wäre ich tot gewesen,
sagte der Kurde. Kurze Zeit später entdeckte ihn die Polizei
bei einer Verkehrskontrolle, nahm ihn fest und ließ ihn nach
zwei Tagen wieder frei. Nach eigenen Angaben sei er erneut ins Visier
der Polizei geraten: Er hatte an einer Feier teilgenommen, bei der
ein Gast eine Fahne der verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK)
in der Hand gehalten habe.
Der Richter am Amtsgericht der nordrhein-westfälischen Stadt
Rheinbach hat das Verfahren eingestellt unter der Voraussetzung, dass
der Kurde für die illegale Einreise 900 DM bezahlt. Er lebt in
der Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber mit einer Aufenthaltsgenehmigung
und einer befristeten Arbeitserlaubnis.(AZADI/Bonner General-Anzeiger,
18.7.2001)
Frieden
schützt vor Strafe nicht
Weil ein 26-jähriger
Kurde Zeitungen und Festival-Karten verkauft und Spenden für
die verbotene PKK gesammelt hat, wurde er am 9. August 2001 von Richter
Dr. Thomas Gessert beim Landgericht Dortmund zu einer Freiheitsstrafe
von sechs Monaten verurteilt, gegen eine Geldauflage von 500 DM zur
Bewährung ausgesetzt. Da er bei seiner Festnahme in Gelsenkirchen
3.400 DM bei sich trug, stand für das Gericht fest, dass es sich
hier um Beiträge von PKK-Mitgliedern gehandelt hat. Der Angeklagte
leugnete nicht, für die PKK tätig gewesen zu sein. Militanz
wurde ihm von Seiten des Gerichts nicht vorgeworfen. Richter Dr. Thomas
Gessert äußerte in seinem Urteil u.a.: Auch wenn
sich etwas politisch ändert, wirkt sich das nicht rückwirkend
auf die Strafbarkeit aus.
Der Verurteilte stammt aus einer Großfamilie, die sich in ihrer
Heimat dem Freiheitskampf verschrieben hat. Sein Vater wurde umgebracht,
ein Bruder spurlos verschwunden gelassen. Nach Gefängnis und
Folter flüchtete der 26-Jährige im Mai 2000 nach Deutschland
und wurde als politischer Flüchtling anerkannt. (AZADI/WR, 10.8.2001)
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