Nr. 25 Juli/August 2001  AZADI e.V.

AZADI informationen 


Bleiben Staatsanwälte künftig draußen?

Der Bundestag beschloss am 8. Juli 2001 eine Änderung der Strafprozessordnung, das sogenannte Zeugnisverweigerungsrecht betreffend. Danach müssen künftig Journalisten in Presse, Funk und Fernsehen nach Recherchen zu brisanten Themen nicht mehr die Beschlagnahmung ihres Materials befürchten. Dies gilt auch für selbst recherchierte Berichte. Bisher bezogen sich Beschlagnahmungsmaßnahmen nur auf Unterlagen, die von Dritten stammen. Zudem wurde das Beschlagnahmeverbot auch auf nichtperiodische Druckwerke und Filmberichte ausgeweitet. Für die Beratung des Gesetzes hatte der Deutsche Journalisten-Verband eine Dokumentation von mehr als 150 Fällen von Durchsuchungs- und Beschlagnahmeanordnungen zur Verfügung gestellt.
(AZADI/jw, 9.7.2001)

Tödliche Anschaffung

Nach einem Bericht der Tageszeitung „Neues Deutschland” (ND), hat die Arbeitsgruppe II der Innenministerkonferenz am 3. April 2001 empfohlen, die Polizei mit Elektroschock-Geräten des US-Herstellers „Taser International” auszurüsten, obwohl auch deutschen Polizeiexperten mehrere Fälle aus den USA bekannt sein dürften, in denen der Einsatz dieser Waffe tödlich endete. Die pistolenähnliche Waffe verschießt durch Pressluft zwei mit Widerhaken versehene Nadelpfeile, die Kunstfaser oder Baumwolle als auch Leder durchdringen. Dabei wird ein 50 000 Volt-Impuls ausgestoßen und der Getroffene ist für mehrere Minuten völlig außer Gefecht gesetzt. Gegenüber ND erklärte der Chef der Michael Kähny GmbH in Maulburg, dass Sondereinsatzkommandos (SEK) solche Waffen bereits bei ihm gekauft hätten. Der Preis für ein Gerät betrage 860 DM, zuzüglich 152 DM pro Ersatzkartusche. (AZADI/ND, 10.7.2001)

Reaktionäre Observation

Als erste Stadt Baden-Württembergs hat Mannheim zur „Gefahrenabwehr” und zur „Beseitigung von Störungen der öffentlichen Ordnung” die Videoüberwachung auf öffentlichen Plätzen eingeführt. Die Digitalkameras ermöglichen durch eine starke Zoomleistung scharfe Bilder von Personen. Außerdem können die Fotos gedruckt, auf CD gebrannt und als Beweismittel verwendet werden. 48 Stunden lang sollen die Aufnahmen gespeichert werden. Die Kosten dieser Hightech-Überwachung: 1,25 Millionen DM; das Land Baden-Württemberg beteiligt sich mit 545.000 DM. Heilbronn und Stuttgart erwägen ebenfalls die Installierung von Kameras. Das Mannheimer „Aktionsbündnis gegen (Video-)Überwachung: „Alle reaktionären Gesetze und Verordnungen – ob zur Kontrolle und Abschiebung von Menschen ohne deutschen Pass, ob zur ‘Säuberung’ der Innenstädte von armen Menschen und Obdachlosen – lassen sich jetzt mit dem Videomaterial um so besser und polizeimäßig effektiver verfolgen.”
(AZADI/jw, 30.7.2001)

Ruf doch mal an?

Im vergangenen Jahr gab es in Berlin 739 Telefonüberwachungen; 1975 waren es noch 217. Nach Angaben des Innensenators Ehrhart Körting (SPD) verfügt die Polizei über 75 digitale Aufzeichnungsgeräte sowie 55 Auswerteeinheiten.
(AZADI/jw, 31.7.2001)

Mobiles Abhörkommando

Das Bundesinnenministerium bestätigte grundsätzlich einen Bericht des SPIEGEL darüber, wonach Bundeskriminalamt und Bundesgrenzschutz seit einigen Jahren Handys von mutmaßlichen Kriminellen mit einem Hightech-Gerät überwachen. Die mobile Überwachungsanlage „IMSI-Catcher” sei in mindestens 30 Fällen zum Einsatz gekommen. Eine gesetzliche Grundlage für die Maßnahme gebe es nicht. In den genannten Fällen habe jeweils ein Richter oder Staatsanwalt zugestimmt. Mit dem „IMSI-Catcher” könnten laut Ministeriumssprecherin keine Gespräche abgehört, sondern nur die Standorte seiner Nutzer ausfindig gemacht werden. Das Gerät, das aus einem Auto heraus betrieben werde, sei in der Lage, die Handys aller Personen in einem bestimmten Umkreis zu überwachen. Die Generalstaatsanwälte von Niedersachsen sowie der Bundesbeauftragte für den Datenschutz fordern eine klare Rechtsgrundlage.(AZADI/jw, 13.8.2001)

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