Nr. 25 Juli/August 2001  AZADI e.V.

AZADI informationen 


Deutsch-türkische Zusammenarbeit

Am 3. Juli 2001 wurden 88 abgelehnte kurdische Asylbewerber mit einem eigens hierfür gecharterten Flugzeug aus Deutschland in die Türkei abgeschoben. An Bord der Maschine aus Düsseldorf waren türkischen Presseberichten zufolge auch 56 deutsche Sicherheitsbeamte, die die Abgeschobenen in Istanbul der türkischen Polizei übergaben. 25 der Flüchtlinge wurden noch auf dem Flughafen verhaftet, weil sie u. a. wegen PKK-Zugehörigkeit von der türkischen Justiz gesucht wurden. Unter den Abgeschobenen waren laut der Tageszeitung „Sabah” auch Kranke und Behinderte.
(AZADI/jw, 5.7.2001)


Taschenpfändung für die Abschiebung

Im Abschiebegefängnis in Büren (Nordrhein-Westfalen) ist eine neue Regelung in Kraft getreten, wonach Inhaftierte für ihre Unterbringung zahlen müssen. Sämtliche Gelder, die Gefangene bei ihrer Verhaftung bei sich haben, werden hierfür konfisziert. Dies gilt ebenso für Beträge, die Verwandte, Bekannte oder Freunde auf das JVA-interne Konto eingezahlt haben. Außerdem werden vier Siebtel des Arbeitslohns einbehalten, der selten höher als zwei Mark pro Stunde liegt. Die neu eingeführte Regelung soll auch von anderen NRW-Abschiebehaftanstalten übernommen werden. „Ein Gefangener, der in Abschiebehaft untergebracht worden ist, hat grundsätzlich keine Straftat begangen. Die Abschiebehaft dient einzig und allein dazu, den Verwaltungsakt der Abschiebung für die Ausländerbehörde zu erleichtern”, kommentiert Frank Gockel vom Verein „Hilfe für Menschen in Abschiebehaft Büren e.V.” die Regelung. Die Kosten für eine Abschiebung können zwischen 2.000 und 25.000 DM betragen. (AZADI/jw, 6.7.2001)

Daoud lebt

Der Kurde Hussein Daoud, der bis Dezember 2000 in Braunschweig lebte, wurde direkt nach seiner Abschiebung nach Syrien in Damaskus festgenommen. Monatelang verweigerten die syrischen Behörden die Auskunft, ob Hussein Daoud noch lebt. Weil Menschenrechtler fürchteten, dass der 30-Jährige gefoltert worden und an deren Folgen gestorben sei, griff Amnesty International ein. Das Auswärtige Amt erklärte inzwischen, dass Daoud lebt; ein Mitglied der deutschen Botschaft habe Kontakt mit ihm aufnehmen können. Unklar sei, ob der Kurde psychisch gefoltert wurde. Für den Niedersächsische Flüchtlingsrat sei die Verfolgung von Hussein Daoud absehbar gewesen, weil er sich in Deutschland „politisch gegen den brutalen Umgang des syrischen Regimes mit Oppositionellen” engagiert habe. Syrien gehe gegen die 1,5 Millionen Kurden im Land brutal vor. Deshalb fordern der Flüchtlingsrat und Pro Asyl einen Abschiebestopp nach Syrien.
Hussein Daoud lebte bis zu seiner Abschiebung in der Zentralen Anlaufstelle Braunschweig, in der jene Asylbewerber/innen untergebracht werden, die angeblich bei der Beschaffung ihrer persönlichen Ausweisdokumente nicht hinreichend mitwirken. Vermutlich wurden die syrischen Behörden auf den Kurden erst aufmerksam, als dieser der syrischen Botschaft vorgeführt worden war, glaubt der Flüchtlingsrat.(AZADI/FR, 9.7.2001, s. a. Info Nr. 24)

Klage gegen Schein-Urkunden

Die Flüchtlingsinitiative und das Antirassismusbüro Bremen wollen Strafanzeige gegen den bremer Innensenator, die Polizei und das deutsche Generalkonsulat in Izmir erheben, weil die Behörden mit nachweislich gefälschten Papieren die Abschiebung einer libanesischen Familie in die Türkei erzwingen wollen. Damit klagen Kurden erstmals zurück, nachdem die Behörden seit längerem versuchen zu beweisen, dass es sich bei Personen aus dem Libanon tatsächlich um Kurden aus der Türkei handele. Vor diesem Hintergrund werden Abschiebungen in die Türkei gerechtfertigt.
In dem konkreten Fall der Familie hält Danja Schönhöfer von der Flüchtlingsinitiative die von der Behörde vorgelegten Dokumente für „Gefälligkeitsbescheinigungen”. Auch nach Aussagen türkischer Experten seien die vorgelegten Urkunden „dilettantische Fälschungen”, heißt es u. a. in der Klageschrift. (AZADI/taz Bremen, 11.7.2001)

Endlich Hoffnung für Familie Akyüz

Das Verwaltungsgericht Wiesbaden hat auf der Grundlage von neuen Gutachten, die zwei Mitgliedern der kurdischen Familie Akyüz bescheinigen, aufgrund erlittener sexueller Folter schwer traumatisiert zu sein, endlich Abschiebeschutz gewährt. Damit endet vorläufig der dramatische Fall der elfköpfigen Familie, die sich im vergangenen Jahr aus Angst vor Abschiebung drei Monate im Kirchenasyl der Evangelischen Studentengemeinde aufhielt, dieses aber verlassen musste und sich seit August letzten Jahres getrennt in zwei Gruppen versteckt hält. Für den Anwalt der Familie, Uwe Remus, sind derartige Fälle „leider keine Ausnahme”. Bei der Familie Akyüz sollte jedoch offenkundig lange Zeit nur eines durchexerziert werden: „Raus mit ihnen”. Alle offiziellen Stellen hatten ungeachtet aller vorliegenden Informationen und Gutachten über Folterungen und Verfolgung einzelner Familienmitglieder auf einer Abschiebung der ganzen Familie bestanden. (AZADI/jw/Wiesbadener Kurier/FR,11., 12.7.2001)

Anzeige nach einem Gesetz von 1935

„Es ist offensichtlich, dass die Behörden auf dem Rücken der Betroffenen ihre Gefechte mit unliebsamen Kritikern austragen,” kommentierte Christian Moeller vom „Südbadischen Aktionsbündnis gegen Abschiebungen” (SAGA) die Anzeige des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge gegen die Initiative. Ihr wird von der Freiburger Außenstelle der Behörde vorgeworfen, gegen das Rechtsberatungsgesetz verstoßen zu haben. „Es ist juristisch fragwürdig, wenn, gestützt auf ein Gesetz von 1935*, Hilfe für die Ärmsten verhindert werden soll”, kritisiert Rechtsanwalt Michael Moos das Vorgehen des Bundesamtes. Zudem handele nur rechtswidrig, wer „fremde Rechtsangelegenheiten geschäftsmäßig besorgt”, was auf Gruppen wie SAGA nicht zutreffe. Viele Anwälte würden von ihren Mandanten einen Kostenvorschuss von 500 DM verlangen, der bei einem monatlichen Taschengeld von 80 DM für Flüchtlinge nicht aufzubringen sei.Kontakt zu SAGA: Tel. 0761 - 74003
(AZADI/ND, 13.7.2001)
Nach Redaktionsschluss: Die Freiburger Staatsanwaltschaft hat inzwischen die Ermittlungen gegen die Flüchtlingsinitiative eingestellt, und das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge seine Anzeige zurückgezogen.
(AZADI/jw, 6.9.2001)

* Mit diesem Gesetz sollten ausschließlich jüdische Rechtsanwälte daran gehindert werden, Rechtsberatung durchzuführen.

No more ready for take-off

„Aufgrund unerwarteter Aktivität deutscher Menschenrechtsaktivisten in Büros der TAROM in Frankfurt, Düsseldorf und Berlin haben wir uns entschieden, mit dieser Art der Beförderung aufzuhören”, erklärte Nicolai Demetriade, Generalmanager der rumänischen Fluglinie „Romanian Air Transport” (Tarom). Seit 1993 führte die Fluggesellschaft Abschiebungen von rumänischen, türkischen und libanesischen Staatsangehörigen durch. Sie war Vertragspartner der Bezirksregierung Düsseldorf.
Stattdessen übernahm am 3. Juli die deutsche Fluggesellschaft FTI unter Bewachung des Bundesgrenzschutzes eine Sammelabschiebung in die Türkei. FTI-Geschäftsführer Godwin Demicoli erklärte jedoch, dass der Flug über einen Vermittler gebucht und er über den Zweck des Fluges nicht aufgeklärt worden sei.
Die belgische Fluggesellschaft SABENA befördert bereit seit längerem keine Zwangspassagiere mehr; ebenso die LUFTHANSA keine Personen, die „erkennbar Widerstand leisten”. (AZADI/FR, 28.7.2001)

BGS-Beamte töteten Aamir Ageeb

Die Todesursache von Aamir Ageeb steht nun fest. Im Mai 1999 starb der Sudanese bei der Abschiebung in den Sudan an Bord einer Lufthansa-Maschine. Laut Gutachten des Münchener Rechtsmediziners Wolfgang Eisenmenger wurde Aamir Ageeb von Beamten des Bundesgrenzschutzes (BGS) erdrückt, als sie dem gefesselten Mann einen Motorradhelm aufgesetzt und ihm den Kopf heruntergedrückt hatten. Das habe zur Erstickung geführt. Laut SPIEGEL sei noch nicht geklärt, ob die Frankfurter Staatsanwaltschaft die drei BGS-Beamten wegen fahrlässiger Tötung anklagen wird.(AZADI/ND, 30.7.2001)
Nur wenige Monate nach dem Tod von Aamir Ageeb, im April 2000, ließ Bundesinnenminister Schily verkünden, es solle für Personen, die sich ihrer Abschiebung widersetzen, ein eigens entwickelter Helm geprüft werden, der im Mundbereich „weit nach vorn gezogen” sei und dadurch ein „freies Atmen” gewährleiste. Außerdem hatte er Überlegungen angestellt, ein Fesselungssystem aus den USA zum Einsatz zu bringen, das die Arme von sich wehrenden Abzuschiebenden seitlich an einem Hüftgürtel fixiert. (AZADI)

Staatliche Ausbeutung von Flüchtlingen

Laut Innenministerium Nordrhein-Westfalen (NRW) müssen abgelehnte Asylbewerber in diesem Bundesland künftig unwiderruflich festlegen, ob die Abschiebehaftanstalten ihnen zur „Existenzsicherung” Überbrückungsgeldkonten einrichten sollen. Dieses Geld soll den Betroffenen „zur Bestreitung des Lebensunterhalts für die ersten vier Wochen” nach der Abschiebung dienen. Entscheiden sich Flüchtlinge gegen ein solches Konto, können die zuständigen Ausländerbehörden deren Vermögen pfänden. Falls Gefangene innerhalb des Knastes arbeiten, gehen vier Siebtel des Lohnes (bis zu 450 DM monatlich) auf das Sperrkonto, Spenden von Freunden vollständig. Auch für die Kosten der eigenen Inhaftierung sollen die Betroffenen laut Gesetz aufkommen. Deshalb werden ihnen bei der Verhaftung Barvermögen und Wertgegenstände beschlagnahmt. „Kostenschuldner” bleiben aber auch abgeschobene Flüchtlinge solange, bis sie die Rechnung ihrer Abschiebung bezahlt haben. Nachdem z. B. ein abgeschobener Asylbewerber nach fünf Jahren wieder in die BRD eingereist war und er eine Duldung erhielt, forderte die Ausländerbehörde von ihm 14.000 Mark für den Abschiebeflug. In einem anderen Fall wurde eine Wiedereinreise davon abhängig gemacht, dass der Antragsteller „zuvor die Abschiebekosten” begleicht. Einnahmequellen sind für fast alle Bundesländer aber auch ehemalige Arbeitgeber von Flüchtlingen oder Firmen, die Flüchtlinge illegal beschäftigt hatten. NRW z. B. konnte im letzten Jahr auf diese Weise Einnahmen in Höhe von 15,2 Millionen Mark verbuchen.
Von den 35.444 Abschiebungen im letzten Jahr erfolgten 32.443 auf dem Luftweg. 9.962 Flüchtlinge wurden dabei von 4.889 BGS-Beamten „zur Gewährleistung der Sicherheit und Ordnung des Luftverkehrs” begleitet. (AZADI/jw, 1.8.2001)

Keine Nachricht von Ali Dasayak

Wie der „Verein Hilfe für Menschen in Abschiebehaft Büren e.V.” bekanntgab, gibt es von dem aus Büren (Nordrhein-Westfalen) in die Türkei abgeschobenen Kurden Ali Dasayak keine Nachricht. Er wurde zusammen mit fast 50 weiteren Kurdinnen und Kurden vom Flughafen Düsseldorf abgeschoben. Auch seine Angehörigen wissen nichts über seinen Verbleib. Dasayak hatte 60 Tage mit einem Hungerstreik Widerstand gegen seine Abschiebung geleistet. Er ist Militärdienstverweigerer und wird in der Türkei als PKK-Sympathisant gesucht. Der Bürener Verein vermutet, dass Dasayak festgenommen wurde. Ihn erwarte eine lebenslängliche Haftstrafe. Außerdem sei die Abschiebung von Erol Akbulut und Ismail Genc, beide im Bürener Abschiebegefängnis, zu befürchten. Sie riefen die deutsche Öffentlichkeit zur Aufmerksamkeit angesichts der herrschenden Abschiebepolitik und der Menschenrechtsverletzungen in der Türkei auf. Genc erinnerte daran, dass er in der Türkei aktiv an der Demokratisierung des Landes gearbeitet habe und dort gesucht werde. (AZADI/ÖP, 7.,11.8.2001, Übersetzung ISKU)

Härtefall oder nicht?

Im Kreishaus von Herford wurde am 16. August in einer zweiten Anhörung mit dem Petitionsausschuss des nordrhein-westfälischen Landtags der Fall des von Abschiebung bedrohten inzwischen 18-jährigen Schülers Mehmet Demir behandelt. Mit Erreichen der Volljährigkeit droht ihm nun die Abschiebung. Seine Aufenthaltserlaubnis ist abhängig vom Ausgang des Asylverfahrens seines Vaters. Dieser gilt aus Krankheitsgründen als nicht reisefähig und wird deshalb in der Bundesrepublik geduldet. Der Petitionsausschuss des Landtags kann entscheiden, ob es sich im Fall Demir um eine „außergewöhnliche Härte” handele oder nicht. (AZADI/Neue Westfälische, 20.8.2001)

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