Nr. 25 Juli/August 2001  AZADI e.V.

AZADI informationen 


Seit 1. Juli privatisierte Asylunterkünfte

Drei der fünf Erstanlaufstellen für Asylbewerber und Bürgerkriegsflüchtlinge in Nordrhein-Westfalen (NRW) werden nicht mehr durch karitative Verbände betrieben, sondern von einer Privatfirma. Am 1. Juli übernahm das Essener Unternehmen Korte & Mrosek die Standorte Dortmund, Schöppingen und Düren. Diese Firma betreibt bereits 12 Sammelunterkünfte in Deutschland. Die Antifa Düren befürchtet, dass sich sowohl Unterbringung als auch Betreuung der Flüchtlinge durch die „Billiglohnfirma” dramatisch verschlechtern. (AZADI/taz Köln, 28.6.2001)

„Scheinlibanesen“ und kein Ende: In den Ruin getrieben

Die Stadt Bremen fordert von der kurdischen Familie A. 178.000 DM früher geleisteter Sozialhilfezahlungen zurück. Außerdem hat die Staatsanwaltschaft das Vermögen der Familie beschlagnahmt, deren Konten gesperrt, so dass deren Im- und Exportgeschäft nicht weiter betrieben kann.
Die Familie A. lebt seit 13 Jahren in Bremen. Um nicht von der Sozialhilfe abhängig zu sein, hat sich der Vater vor fünf Jahren selbstständig gemacht.
Die Familie gehört zu den 531 Menschen, die sich als verfolgte staatenlose Kurden aus dem Libanon bezeichnen. Nach Auffassung des Bremer CDU-Innensenators handelt es sich bei diesen Kurden aber um Türken, die deshalb zu Unrecht Sozialhilfe bezogen und längst hätten abgeschoben werden können. Die Staatsanwaltschaft wirft den Kurden „Betrug und mittelbare Falschbeurkundung“ vor. Der 31-Jährige weist diese Betrugsvorwürfe zurück. Er sei 1970 als Kurde im Libanon geboren, 1983 wegen des Bürgerkrieges in die Türkei und 1988 von dort nach Deutschland geflüchtet. Rechtsanwalt Hans Meyer-Mews sagte, die zehnköpfige Familie sei dem Staat nicht zur Last gefallen, habe Steuern gezahlt „und jetzt wird sie in den Ruin getrieben“. Ob das Vorgehen gegen die Familie A. verhältnismäßig war, wird das Landgericht als Beschwerdeinstanz prüfen. Die Staatsanwaltschaft: Die Ankläger hätten sich in derartigen Fällen schon „blutige Nasen geholt“. (AZADI/FR, 18.8.2001)

Islamisten ohne deutschen Pass

Der Verwaltungsgerichtshof (VGH) Baden-Württemberg hat entschieden, dass Ausländern die Einbürgerung verweigert werden kann, wenn Zweifel an ihrer Verfassungstreue bestehen (Az.: 13 S 916/00). In dem konkreten Fall handelte es sich um einen Türken, dem 1990 Asyl gewährt wurde und der früher für den „Verband der islamischen Vereine und Gemeinden” (ICCB) tätig war, der laut VGH eine Weltherrschaft des Islam anstrebe. Den Beteuerungen des Mannes, er distanziere sich inzwischen von den Zielen des Verbandes, schenkte der 13. Senat des VGH keinen Glauben.
(AZADI/FR, 3.7.2001)

Absurdes Urteil

Mit der Begründung, der Kurde sei exilpolitisch nicht an herausgehobener Stelle tätig geworden, hat das Verwaltungsgericht Aachen den Asylantrag des Kurden Rezep Öz abgelehnt. Marion Wettach vom Berliner Flüchtlingsrat nannte das „absurd” vor dem Hintergrund, dass der 28-Jährige 1999 in der Abschiebehaft Berlin-Grünau mit einem vierwöchigen Hungerstreik einen Abschiebestop für Kurden gefordert hatte. Außerdem war er im Zusammenhang mit Protesten gegen die Entführung des PKK-Vorsitzenden Abdullah Öcalan verhaftet worden. Schriftsteller wie Christa Wolf und Günter Grass hatten sich für Rezep Öz eingesetzt.(AZADI/ND, 27.7.2001)

Vom grünen Rassismus eingeholt

Weil Menschen anderer ethnischer Abstammung bei den Grünen kaum eine Chance hätten, politisch vollwertig akzeptiert zu werden, ist Ismail Hakki Kosan am 2. Juli 2001 aus dem Berliner Landesverband der Grünen ausgetreten. Für ihn sei es bitter, feststellen zu müssen, dass „der Rassismus mich bei den Grünen eingeholt hat”. Vor 22 Jahren hatte Hakki seine politische Arbeit bei der „Alternativen Liste” begonnen. (AZADI/taz Berlin lokal, 3.7.2001)

VG Saarlouis: CDU muss zahlen

Seit die CDU bei den letzten Kommunalwahlen im Jahre 2000 in Saarbrücken die absolute Mehrheit gewann, weigerte sich diese konstant, Projektanträge der Aktion 3. Welt Saar zu bezuschussen bzw. bereits bewilligte Gelder für antirassistische Projekte an die Aktion 3. Welt Saar auszuzahlen. Dies begründete sie damit, dass die Organisation bei einer Antirassismus-Demonstration die CDU kritisiert hatte. Gegen das Vorgehen der CDU hatte die Aktion 3. Welt Saar geklagt. Das Verwaltungsgericht (VG) Saarlouis hat nun in seinem Urteil vom 21. Mai 2001 der Aktion 3. Welt Saar in vollem Umfange Recht gegeben und den Landkreis Merzig-Wadern aufgefordert, unverzüglich 13.000 DM an diese auszuzahlen.(AZADI/Pressemitteilung Aktion 3. Welt Saar, 13.7.2001)

NRW-Behörden diskriminieren

Der nordrhein-westfälische Sozialminister Harald Schartau (SPD) stellte das Ergebnis des Modellprojekts zum Thema „Antidiskriminierung” der Öffentlichkeit vor. Danach erleben Ausländer Diskriminierungen am häufigsten in Behörden und weniger im privaten Umfeld. 60 Prozent der 400 untersuchten Klagen richteten sich gegen staatliche und private Institutionen und lediglich 29 Prozent gegen Einzelpersonen. Mehrheitlich stammten die Beschwerden von türkischen und arabischen Staatsangehörigen (über 60 Prozent). Besonders häufig fühlten sich Betroffene durch ein beleidigendes Verhalten von Behördenmitarbeitern „nicht angemessen behandelt”. Ausgewertet wurde die Arbeit von verschiedenen Antidiskriminierungsstellen in Nordrhein-Westfalen im Zeitraum von 1997 bis 2000.
(AZADI/jw, 24.7.2001)

Schlechter wohnen

Laut Angaben des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) hatte im Jahre 1998 jedes Mitglied in deutschen Haushalten durchschnittlich 46 qm Wohnfläche zur Verfügung, ausländische Haushalte hingegen mussten sich mit 31 qm pro Person zufriedengeben. Jeder fünfte Haushalt - bei Deutschen wie Ausländern - klagt über zu wenig Wohnraum. (AZADI/jw, 26.7.2001)

Hochprozentige Ablehnung

Von Januar bis Juli 2001 beantragten 48.884 Personen Asyl; Hauptherkunftsländer waren Irak mit 9.720 und die Türkei mit 5.931 Bewerber(inne)n. Das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge entschied in den ersten vier Monaten diesen Jahres über 51.454 Anträge. 54,6 Prozent der Anträge wurde abgelehnt, in 4,6 Prozent der Fälle Asyl gewährt und 13,5 Prozent der Antragsteller erhielten Abschiebeschutz. Bei den restlichen 27,1 Prozent der Verfahren erfolgten Einstellungen, z. B. wegen der Rücknahme von Asylanträgen.
Nach Angaben des UNHCR leben zur Zeit in der BRD 7,3 Millionen Ausländer, mithin 9 Prozent der Gesamtbevölkerung. Seit 1954 kamen 31 Millionen Menschen nach Deutschland und 22 Millionen zogen weg. Heute arbeiten etwa 500.000 bis zu einer Million Illegalisierte in der „Schattenwirtschaft”.
(AZADI/GA Bonn/FR 3.,4.8.2001)

Bundesregierung schafft Fluchtgründe

Laut „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung” hat der Bundessicherheitsrat den Export von Munitionszündern in die Türkei genehmigt. Nach dieser Entscheidung habe das Nürnberger Rüstungsunternehmen Diehl, Hersteller der Zünder, seine Klage gegen die Bundesregierung wegen der Verschleppung seines Exportantrages zurückgezogen. Nach Angabe der wehrtechnischen Industrie drohe ohne eine Liberalisierung der Exportbestimmungen der Verlust „militärischer Kernfähigkeiten”. Unter Berufung auf ein internes Besprechungsprotokoll des Verteidigungsministeriums plant die Bundesregierung eine Erleichterung von Rüstungsexporten. Laut BILD-Zeitung habe Rudolf Scharping den Leiter der Rüstungsabteilung damit beauftragt, Länder, denen bisher Lieferungen verweigert wurden, über neue „Verwertungsstrategien” zu informieren. Denkbar sei, Waffen und Transportsysteme in größerem Umfang auszusortieren und ins Ausland zu verkaufen. Die verteidigungspolitische Sprecherin der Bündnisgrünen im Bundestag Angelika Beer behauptet, dass bei Exportentscheidungen die Beurteilung der Menschenrechtssituation im Empfängerland weiter Vorrang habe. Über die Diehl-Zünder habe es keinen Streit in der Koalition gegeben. Noch 1993 hat Beer mit Friedens- und Menschenrechtsgruppen eine Strafanzeige gegen die CDU/CSU/FDP-Regierung wegen Rüstungslieferungen an die Türkei gestellt. Damals forderte sie, dass man die „eigenen Kriegsverbrecher” nicht weiterhin „ungestraft Beihilfe zum Völkermord am kurdischen Volk leisten” lassen darf. (AZADI/Die Welt/jw, 6.,9.8.2001)

Kein Asyl in der BRD

Ein Flüchtling, der in einem sicheren Staat das Flugzeug nicht verlässt, wird in der Bundesrepublik Deutschland nicht als Asylbewerber anerkannt. Der Hessische Verwaltungsgerichtshof (VGH) lehnte mit Hinweis auf die Drittstaatenregelung die Klage eines Bewerbers ab, der in Paris zwischengelandet war (Az.: 10ZU4042/098 A). (AZADI/taz, 23.6.2001)

Belästigt und beleidigt

Die kurdische Asylbewerberin Cigdem Aksoy wirft dem Leiter des Asylbewerberheims in Arnstadt/Thüringen vor, ihr Zimmer „ständig überfallartig und zu unpassenden Zeiten, ohne anzuklopfen kontrolliert und ihre Gäste bei einem Besuch beleidigt” zu haben. Sie habe wieder Angst und Panikattacken, weil „die Angestellten der Gemeinschaftsunterkunft Sie an türkische Gefängnisse erinnerten”. Dies schrieb Cigdem Aksoy in einem Brief an ihren Schwager Hasan Aydin, der diesen der Presse übergab. Der Mitarbeiter im PDS-Wahlkreisbüro, Carsten Schneider fragte, wie die Ausländerbehörde so etwas dulden könne: „Auch die Menschenwürde dieser Leute ist unantastbar.” Die Ausländerbeauftragte des Kreises, Heidi Wedig, kündigte sofortige Gespräche zur Klärung der Vorwürfe an.(AZADI/Thüringer Allgemeine, 23.8.2001)

Verschlossene Botschaftstüren

Nachdem die türkische Botschaft in Berlin die Annahme der von Amnesty International gesammelten rund 1.000 Unterschriften gegen Folter in der Türkei verweigert hat, wird die Liste nunmehr der Regierung in Ankara per Post zugeschickt.
Nach Information des türkischen Menschenrechtsvereins IHD haben im ersten Halbjahr 2001 die Fälle von Folter im Vergleich zum Vorjahr drastisch zugenommen. Waren es im letzten Jahr im gleichen Zeitraum 263 Fälle, wurden in den ersten sechs Monaten diesen Jahres 435 Fälle gemeldet.
(AZADI/taz Berlin/jw, 22., 25.8.2001)

Landflucht

Nach Ansicht des Ausländerbeauftragten von Sachsen-Anhalt, Günter Piening, sind die neuen Bundesländer für Ausländer u. a. wegen Fremdenfeindlichkeit und Diskriminierung sowie fehlender Flüchtlingsnetzwerke nicht attraktiv. Bei der Vorstellung seines Bericht für die Zeit von 1998 bis 2001 wies er darauf hin, dass der größte Teil der Ausländer nicht freiwillig nach Sachsen-Anhalt komme, sondern nur aufgrund der dem Land zugewiesenen Verteilerquote. Im Zeitraum von 1996 bis 1999 hätten rund 45.000 Ausländer das Bundesland verlassen.
(AZADI/FR, 8.8.2001)

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