AZADI infodienst nr. 33
august 2005


gerichtsurteile

Dank BGH können Neonazis SS hochleben lassen

Kurt Goldstein: Urteil »einfach nur ungeheuerlich«

Während Kurdinnen und Kurden nach wie vor wegen des Rufens von Parolen für Abdullah Öcalan oder „Es lebe Kongra-Gel“ strafverfolgt werden, dürfen Neonazis seit dem 27. Juli 2005 mit höchst richterlichem Segen die Waffen-SS preisen. Der 3. Senat des Bundesgerichtshofes (BGH) sicherte ihnen für die Verwendung des Rufes „Ruhm und Ehre der Waffen-SS“ Straffreiheit zu. Die Richter begründeten ihre Entscheidung damit, dass das Gesetz eine „Glorifizierung von NS-Organisationen“ als Straftatbestand nicht vorsehe. Kurt Goldstein, Ehrenpräsident des Internationalen Auschwitz-Komitees, der 30 Monate in Konzentrationslagern verbrachte, nannte den Richterentscheid „einfach nur ungeheuerlich“. In den Nürnberger Prozessen sei die SS „in der Tat für alle Zeiten als verbrecherische Organisation verboten“ worden. Dies gelte auch für die Gestapo oder die NSDAP und alle Nachfolgeorganisationen. Goldstein erinnerte in einem Gespräch mit der jungen welt daran, dass dies bereits das dritte Urteil eines deutschen Gerichts sei, das dazu beiträgt, die Verbrechen der Nazis zu verharmlosen bzw. zu verleugnen. Das erste habe es den Neonazis erlaubt, zu Ehren des Hitler-Stellvertreters Rudolf Hess zu demonstrieren. Bei dem zweiten „ging es darum, dass in Bochum die 1938 abgefackelte Synagoge wieder aufgebaut werden sollte“, wogegen die Neonazis protestieren wollten, was die Gerichte in NRW allerdings verboten hatten. Doch das Bundesverfassungsgericht entschied anders. „Es bezeichnete die Demonstrationsfreiheit als ein so hohes Gut, dass gegen den Wiederaufbau demonstriert werden darf. Und jetzt haben wir das dritte Urteil.“

Azadî/jw, 30.7.2005)

BGH: Selbstgespräche gerichtlich nicht verwertbar

Der Bundesgerichtshof (BGH) veröffentlichte am 10. August seine Entscheidung, dass abgehörte Selbstgespräche nicht als Beweisstücke vor Gericht verwertet werden dürfen. In seiner Argumentation bezogen sich die Richter auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom März 2004, wonach staatliche Abhöraktionen in einem „absolut geschützten Kernbereich privater Lebensführung“ unzulässig sind. Deshalb seien auch Erkenntnisse, die zur „Aufklärung von Straftaten aus dem Bereich der Schwerkriminalität“ beitragen könnten, nicht justiziabel. Dazu gehörten eben auch Selbstgespräche. Außerdem seien die diesem Urteil zugrunde liegenden Äußerungen eines wegen Mordes verurteilten Mannes interpretationsbedürftig. Dieser hatte sich in einem akustisch überwachten Krankenzimmer die Frage gestellt, ob es besser gewesen wäre, das Opfer „in den Kopf zu schießen“. Der BGH entschied, dass ein Einzelzimmer im Krankenhaus zum privaten Wohnraum gehöre.
Aktenzeichen: 1 StR 140/05

(Azadî/ND/FR, 11.8.2005)

 

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