menschenrechte
Amnesty International: Menschenrechtsschutz stärken
Kritik an Bundesregierung/Erwartungen an neue
„Erhoffte wirtschaftliche Vorteile dürfen nicht zu einer zögerlichen Kritik führen“, sagt die Generalsekretärin der deutschen Sektion von Amnesty International (AI), Barbara Lochbihler. Enttäuscht zeigte sie sich von der rot-grünen Politik: „Der Menschenrechtsansatz bleibt zu oft folgenlos für das politische Handeln.“ Eine künftige Regierung dürfe nach Ansicht von AI nicht vor Kritik an Menschenrechtsverletzungen verbündeter und einflussreicher Staaten zurückscheuen. Außerdem müsse sie sich verstärkt um die Einhaltung internationaler Rechtsstandards bei der Bekämpfung des Terrorismus bemühen. Kritisch bewertete sie den Vorschlag Schilys zur „Sicherungshaft“. Rechtliche Standards müssten eingehalten werden und „für alle gleich gelten, auch für mutmaßliche Terroristen. Dies gebietet das Rechtsstaatsprinzip.“
(Azadî/ND, 5.8.2005)
Zur Sache: Türkei
Aufwühlendes Werk über Genozid an Armeniern
Unter dem Titel „Operation Nemesis“ erschien im Verlag Kiepenheuer & Witsch ein umfangreiches Buch von Rolf Hosfeld über die Türkei, Deutschland und den Völkermord an den Armeniern. Der Autor zeichnet in diesem „aufwühlenden Geschichtswerk“ das „Panorama eines Schreckens, der bis dahin nicht seinesgleichen hatte, aber im Gegensatz zum Holocaust bis heute nicht in das Weltbewusstsein eingedrungen ist“, wie Ralph Giordano im Klappentext schreibt. Rolf Hosfeld beleuchtet nicht nur ausführlich die Hintergründe des im März 1921 von dem Armenier Soghomon Tehlirjan in Berlin ermordeten Großwesirs Talaat Pascha, der für die Massaker an den Armeniern verantwortlich war. In seinen Schilderungen wird nur allzu deutlich, wie tief deutsche Behörden, Beamte und Politiker verwickelt waren in die Ausrottungspolitik des türkischen Staates. Auch ermöglichten staatliche deutsche Stellen – insbesondere das Auswärtige Amt – den Kriegsverbrechern Talaat, Ismail Enver Pascha, Dr. Bahaeddin Sakir und Dr. Mehmed Nazim die Flucht nach Deutschland. Sie erfuhren jegliche Unterstützung. Ein unbedingt lesenswertes Buch !
(Azadî)
Haftstrafe wegen »Herr« Öcalan
Weil er den ehemaligen PKK-Vorsitzenden Abdullah Öcalan in einer Rede als „Herr“ bezeichnet hatte, wurde Bedri Firat, Bezirksvorsitzender der DEHAP, zu einer 10-monatigen Haftstrafe verurteilt. Ein Schwurgericht in Erzurum war der Auffassung, dass ein zu lebenslanger Haft Verurteilter eine solche Anrede nicht verdiene. Außerdem wurde der Kurde wegen der Anredeform der Propaganda für die verbotene PKK für schuldig befunden. Dem Angeklagten hat das Gericht außerdem eine Geldstrafe von 250 Euro auferlegt.
(Azadî/ND, 29.7.2005)
Giftgaseinsatz der türkischen Armee
Die Göc-Der-Zweigstelle in Van hat die UN und andere internationale Organisationen dazu aufgerufen, den Einsatz von chemischen Waffen bei Militäroperationen zu untersuchen. Deren Sprecherin, Caroline Camgöz, erklärte, dass es Hinweise auf den Einsatz von Giftgas bei Militäroperationen der türkischen Armee gebe. Sie rief zum Dialog auf, um den Krieg zu beenden und auf eine dauerhafte Lösung der kurdischen Frage hinzuwirken.
(Azadî/ÖP/ISKU, 2.8.2005)
EMRGH: Türkei muss zahlen
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat die Türkei zur Zahlung einer Entschädigung in Höhe von 172 000 Euro verurteilt. Sie wird beschuldigt, für die am 25. Januar 2001 in Silopi verschwundenen HADEP-Mitglieder Serdar Tanis und Ebubekir Deniz verantwortlich gewesen zu sein. Die Türkei habe neben der Verletzung des Europäischen Menschenrechtsabkommens in fünf Punkten auch gegen ihre Mitwirkungspflicht verstoßen, weil Augenzeugen nicht angehört und Dokumente nicht vorgelegt worden seien. Außerdem habe sie keine wirksamen Ermittlungen über das Verschwinden der beiden Politiker angestellt.
(Azadî/ÖP/ISKU, 3.8.2005)
Türkei leugnet weiterhin Genozid an Armeniern
Schweizer Wirtschaftsminister ausgeladen
Aufgrund angeblicher „Terminprobleme“ hat die türkische Regierung den für September geplanten Besuch des Schweizer Wirtschaftsministers Joseph Deiss abgesagt. Tatsächlicher Hintergrund dürften jedoch die seit längerem andauernden Differenzen hinsichtlich des türkischen Massakers an den Armeniern 1915/16 sein. Die Schweizer Behörden hatten gegen den Vorsitzenden der türkischen Arbeiterpartei, Dogu Perincek, ein Verfahren wegen Leugnung eines Genozids eingeleitet. Dieser bestritt in mehreren Veranstaltungen in der Schweiz das Massaker und bezeichnete dieses als eine „Lüge von Imperialisten“. Weil gegen den Präsidenten der Türkischen Historischen Gesellschaft ein ähnliches Verfahren eingeleitet worden war, hatte ein ranghoher türkischer Politiker im Juni aus Protest eine Reise in die Schweiz abgesagt.
(Azadî/FR/ND, 6.8.2005)
IHD fordert Ausbaustopp der Isolationsgefängnisse
Aufhebung des Ein-Personen-Knasts auf Imrali
In acht Städten der Türkei hat der Menschenrechtsverein IHD auf die angestiegene Repression in den Gefängnissen seit Inkrafttreten des neuen Strafvollzugsgesetzes am 1. Juni 2005 aufmerksam gemacht. Die „F-Typ“ genannten Isolationsgefängnisse werden als Verletzung der Menschenwürde und der psychischen wie sozialen Bedürfnisse von Individuen bezeichnet. Die Rechte politischer Gefangener würden kontinuierlich beschnitten: „Die im Gesetz festgelegte Definition von Strafvollzug ist das Produkt einer Logik von Rache, Repression, Ungleichheit und sekundärer Bestrafung.“
Der Menschenrechtsverein fordert die Beendigung der Repression gegen die Gefangenen, den Stopp des Ausbaus der Gefängnisse zwecks verstärkter Isolation und die Aufhebung jeglicher Isolation einschließlich des Ein-Personen-Gefängnisses auf der Insel Imrali (mit Abdullah Öcalan als einzigem Gefangenen, Anm.). Notwendig sei es hingegen, in allen Gefängnissen Gemeinschaftsräume zu errichten.
(Azadî/Özgür Politika/ISKU, 20.8.2005)