AZADI infodienst nr. 33
august 2005


Asyl- und Migrationspolitik

Bayerisches Jagdfieber

In den vergangenen 10 Monaten hat Bayern 15 als gefährlich eingestufte Ausländer mit islamistischem Hintergrund ausgewiesen. In 24 weiteren Fällen sei - so der bayerische Innenminister Günther Beckstein - eine Ausweisungsverfügung zugestellt worden, u. a. an 6 angebliche irakische Unterstützer und Angehörige von Ansar el Islam. 13 weitere Ausweisungsbescheide sollten in den nächsten Wochen zugestellt werden. Dies sei der Erfolg der seit zehn Monaten agierenden Arbeitsgruppe „BIRGIT“, Beschleunigte Identifizierung und Rückführung von Gefährdern aus dem Bereich des islamistischen Terrorismus und Extremismus.

(Azadî/ND, 4.8.2005)

Kurdische Familie im Erfurter Kirchenasyl

Oberkirchenrat: Abschiebungen verstoßen gegen Integration

Der Kirchengemeinderat der evangelischen Luthergemeinde in Erfurt/Thüringen hat der Bitte der kurdischen Familie S. entsprochen und gewährt ihnen Schutz vor drohender Abschiebung. Pastorin Dorothee Müller will Gespräche führen mit dem Innenministerium insbesondere über die Möglichkeit eines weiteren Schulbesuchs der beiden Kinder des Ehepaares S. sowie über ein dauerhaftes Bleiberecht.

Veysel S. war 1994 vor Bedrohungen und Repressalien aus der Türkei nach Deutschland geflohen. Seine Frau und ihr erstes Kind folgten 1996, das zweite Kind wurde in Erfurt geboren. Die Familie gehört zu den rund 2000 langjährig geduldeten Ausländern mit ungesichertem Aufenthaltsstatus.

Der Eisenacher Oberkirchenrat Peter Zimmermann, zugleich Mitglied der Härtefallkommission Thüringens, bezeichnete Abschiebungen nach langjähriger Duldung als Verstoß gegen das Integrationsgebot des Ausländergesetzes. Leidtragende seien besonders die betroffenen Kinder.

(Azadî/FR, 12.8.2005)

 

34 Menschen im Juli anerkannt – 60 Prozent abgelehnt

Schily lobt sich für niedrige Asylbewerberzahlen

Im Juli 2005 wurden in Deutschland 34 (!) Personen bzw. 0,9 Prozent asylrechtlich anerkannt; 211 Asylbewerber erhielten Abschiebeschutz oder durften bleiben, weil Abschiebungshindernisse bestanden. 60 Prozent aller Anträge wurden abgelehnt. Von Januar bis Juli beantragten insgesamt 16 712 Flüchtlinge Asyl. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge registrierte im Juli 2150 Erstanträge. Das waren 6 Prozent weniger als im Vorjahresmonat, erklärte Bundesinnenminister Schily. Dieser erfreuliche Rückgang sei nicht nur auf die Zuwanderungspolitik zurückzuführen, sondern auch darauf, dass Deutschland zur Stabilisierung zahlreicher Krisengebiete und damit zur Eindämmung der Flüchtlingsströme beigetragen habe.

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Frankreich:
Einwanderungspolizei und mobile Suchbrigaden auf der Jagd nach Illegalisierten

Die französische Regierung plant die Einrichtung einer Einwanderungspolizei zur „Bekämpfung der illegalen Einwanderung“ - wie der Premier Dominique de Villepin von der „Union für eine Volksbewegung“ (UMP) bereits im Mai angekündigt hatte, als er noch das Amt eines Innenministers innehatte. Bis Jahresende soll diese Sonderpolizei einsatzfähig sein. Deshalb sollen nun 300 Beamte eingestellt werden. Wie viele letztendlich illegale Einwanderer jagen sollen, wurde bislang nicht bekannt gegeben. Geschaffen werden soll außerdem etwa ein Dutzend „mobiler Suchbrigaden“ (Brigades Mobiles de Recherche), die ersten sollen in Saint-Etienne bei Lyon, in Grenoble sowie in Orleans südwestlich von Paris entstehen. Der jetzige Innenminister Nicolas Sarkozy, ebenfalls UMP, will ferner die Zahl der Abschiebungen „illegaler“ Ausländer um 50 Prozent erhöhen. Im Jahre 2004 waren 16 000 Personen ohne Aufenthaltsgenehmigung ausgewiesen worden. Künftig werden Abschiebungen in gemeinsamen Charterflügen organisiert. Die „Partner“: Deutschland, Großbritannien, Spanien und Italien.

(Azadî/jw, 13.8.2005)

VG Bremen:
Ehemaliger PKK-Funktionär bleibt asylberechtigt

Das Oberlandesgericht (OLG) und das Verwaltungsgericht (VG) Bremen haben entschieden, dass Sait Cürükkaya, ehemals Mitglied des Zentralkomitees und Guerillakommandant der PKK, asylberechtigt bleibt und nicht an die Türkei ausgeliefert wird. Im Mai 2001 war Cürükkaya nach Deutschland geflohen, wo er am 15. 5. Asyl beantragte. Zwei Tage später wurde er nach Artikel 16a Grundgesetz als Asylberechtigter anerkannt. Aufgrund der Verabschiedung der deutschen Anti-Terror-Gesetze und eines Auslieferungsersuchens der Türkei, hatte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge am 13. Juli 2004 seine Asylanerkennung widerrufen und behauptet, es liege kein Abschiebehindernis vor. Außerdem habe er aufgrund seiner führenden Position in der PKK eine Nähe zum Terrorismus gezeigt und stelle somit eine Gefahr für die innere Sicherheit Deutschlands dar. Die türkische Justiz wiederum suchte nach ihm, weil er angeblich 17 Mal an Morden und anderen Gewalttaten beteiligt gewesen sein soll. Deshalb war er am 30. 9. 2004 in Hamburg festgenommen worden. Das Oberlandesgericht (OLG) Bremen kam dem Auslieferungsersuchen der türkischen Behörden jedoch nicht nach.

Das VG Bremen urteilte jetzt, Cürükkaya habe sich glaubhaft von der PKK und deren Umfeld gelöst. Somit bleibe er asylberechtigt. Das Bundesamt beantragte gegen die nun veröffentlichte Entscheidung vom 30. Juni 2005 die Zulassung einer Berufung.
Aktenzeichen: 2 K 1611/04.A

(Azadî/FR, 13.8.2005)

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Kein Wahlkampf auf Kosten von Flüchtlingen

„Wer es nötig hat, Flüchtlingslager in Afrika zu fordern oder ausländische Arbeitnehmer als Fremdarbeiter zu diffamieren und sie damit zur Unperson zu erklären, bedient niederste Instinkte“, sagte Roland Röder vom Saarländischen Flüchtlingsrat (SFR) in einem Gespräch mit SPD-Landtagsabgeordneten. Einen Wahlkampf auf Kosten von Flüchtlingen und Migrant(inn)en dürfe es nicht geben. Darüber hinaus informierte der SFR über die Informationskampagne „Wenn das tägliche Leben zum Alptraum wird“ zu den Zuständen im Flüchtlingslager Lebach.

(Azadî/Pressemitteilung Aktion 3. Welt Saar, 16.8.2005)

 

24. September:
Demonstration am Abschiebelager Bramsche-Hesepe

Das Komitee für Grundrechte und Demokratie ruft in Kooperation mit dem „Anti-Lager-Netzwerk“ für den 24. September auf, vor dem Abschiebelager in Bramsche-Hesepe bei Osnabrück zu demonstrieren. Hierbei handelt es sich um ein Lagermodell, das Standard werden könnte unter den Lagereinrichtungen in der BRD. Wie die beiden Organisationen in einem Aufruf schreiben, wurden aus dem Lager Bramsche im vergangenen Jahr 358 Asylsuchende „zurückgeführt“, 95 Personen seien „freiwillig ausgereist“ und 55 Flüchtlinge an aufnahmebereite Drittländer „überstellt“ und die anderen abgeschoben worden. Flüchtlinge haben trotz größter Hindernisse immer wieder gegen die Lagerbedingungen und deren krank machende Wirkung protestiert, Blockaden organisiert und Kontakte zu Unterstützergruppen draußen geknüpft. Das Grundrechtekomitee und die Aktion unterstützende Gruppen rufen dazu auf, dass sich auch andere gesellschaftliche Gruppen an dem Protest gegen die unmenschlichen Lager in Deutschland beteiligen.

Informationen über: info@grundrechtekomitee.de , Tel. 0221-972 69 30

(AZADÎ/Flugblatt Komitee für Grundrechte)

Ausländerbehörde schikaniert Asylbewerber

Der Flüchtlingsrat Brandenburg hat der Ausländerbehörde des Landkreises Oberspreewald-Lausitz schikanöses Verhalten gegen politisch engagierte Asylbewerber vorgeworfen. Die Behörde versuche, mit „erheblichem Aufwand“ Flüchtlingen Verstöße gegen die Residenzpflicht durch Teilnahme an politischen Veranstaltungen nachzuweisen, wobei auch in anderen Landkreisen recherchiert würde. So sei ein Bußgeld gegen einen Asylbewerber aus Kamerun wegen illegalen Aufenthalts in Deutschland verhängt worden, obgleich er eine Aufenthaltsgestattung besessen hatte. Deshalb muss er sich vor dem Amtsgericht Senftenberg verantworten.

(Azadî/R, 23.8.2005)

 

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