Zur Sache: TÜrkei
Militärputsch-Gesetzgebung
Zum Jahrestag des Militärputsches am 12. September 1980 in der Türkei, hat die Regierung ein neues Antiterrorgesetz nach britischem Vorbild erarbeitet. Demnach kann ein Gericht jeden Menschen, der demokratische Forderungen zur Sprache bringt, wegen Mitgliedschaft und Unterstützung einer terroristischen Organisation verurteilt werden. Durchsuchungen ohne staatsanwaltliche Genehmigung sind ebenso Bestandteil des Entwurfs wie die Möglichkeit, einem Festgenommenen per Gerichtsbeschluss für 24 Stunden jeglichen anwaltlichen Beistand zu verweigern. Der IHD-Vorsitzende Yusuf Alatas wies darauf hin, dass mit diesem Gesetz eine Zeit eingeleitet werde, die reaktionärer sei als die des Militärputsches: „Jeder Mitbürger, der sich für seine Freiheiten einsetzt, muss dagegen angehen. Wir werden dazu nicht schweigen.“
Der Vorsitzende des IHD in Diyarbakir, Demirtas, erklärte: „Die Demokratisierungsgesetze, die im Zuge der EU-Beitrittsverhandlungen erlassen wurden, sind bisher noch nicht einmal ganz zur Anwendung gekommen. Mit dem geplanten Antiterrorgesetz sollen diese bisher nur auf dem Papier gültigen Rechte wieder zurück genommen werden. Es kann keine Lösung sein, im Namen der Sicherheit Freiheiten zu beschneiden. Wir möchten ausdrücklich betonen, dass wir im Falle eines Beharrens auf dem Entwurf des Antiterrorgesetzes nicht tatenlos zuschauen und unsere Ablehnung auf demokratische Weise zur Sprache bringen werden.“
(Azadî/Özgür Gündem/MHA/ISKU, 11., 14.9.2005)
Internationales
Vernichtungskonzept
Die USA, der Irak und die Türkei haben sich hinsichtlich einer militärischen Intervention gegen die PKK geeinigt. Der kurdische Staatspräsident des Irak, Celal Talabani, von der Patriotischen Union Kurdistans (PUK) erklärte nach einem Treffen mit dem türkischen Ministerpräsident Tayyip Erdogan am Rande des UN-Gipfels: „Wir verurteilen die PKK als terroristische Gruppe. Jeder Krieg gegen die Türkei bedeutet zunächst Verrat an den nationalen Interessen der Kurden.“ Zur Lösung dieses Problems sei der Irak bereit, mit „den Brüdern der Türkei“ zusammen zu arbeiten. Erdogan: „Wir haben über die PKK-Lager im Nordirak gesprochen. Der Irak wird alles in seiner Macht Stehende tun, um uns zu unterstützen.“
Der ehemalige stellvertretende US-Außenminister Marc Grossmann erklärte, die Türkei könne nicht an einem Einmarsch in den Nordirak gehindert werden. Die USA müssten unverzüglich gegen die PKK vorgehen und als erstes die PKK-Führungskräfte im Irak festnehmen und an den Irak oder die Türkei ausliefern. Nancy McEldowney, Repräsentantin der US-Botschaft in Ankara, hatte kürzlich geäußert, zwischen Öcalan und Bin Laden bestehe kein Unterschied, es dürften keine Rückzugsgebiete geben. „Gemeinsam werden wir die Terroristen jagen und vernichten“, hetzte sie auf einer Gedenkveranstaltung zum 11. 9.
Der KONGRA-GEL-Vorsitzende Zübeyir Aydar bezeichnete das Vorgehen Talabanis als „Verrat“, mit dem er das kurdische Volk und seinen Befreiungskampf beleidigt habe. Er verleugne so auch seine eigene Kampfvergangenheit. Er habe von Talabani erwartet, dass er eine Vermittlerrolle einnimmt, sich aktiv für eine Lösung der kurdischen Frage in Nordkurdistan einsetzt und die Probleme auf der UN-Sitzung zur Sprache bringt. Aydar verwies darauf, dass keines der 22 arabischen Länder bis heute eine so negative Bewertung der PKK auf diesem Niveau ausgesprochen habe. „Die Haltung der türkischen Regierung, die Militäroperationen, die Erklärungen der USA und von Talabani, die Maßnahmen von KDP und PUK gegen uns in Südkurdistan – all das zeigt, dass ein neues Konzept läuft.“ Dennoch wolle KONGRA-GEL seine Bemühungen für Einheit und Dialog fortsetzen.
(Azadî/Özgür Gündem/MHA (ISKU), 17.9.2005)
Hatip Dicle: Probleme lassen sich nur politisch lösen
Auf der internationalen Konferenz „EU, Türkei und Kurden“, die am 19./20. September in Brüssel auf Initiative der Linken Gruppe im Europaparlament stattfand, hat der ehemalige DEP-Abgeordnete Hatip Dicle und heutiges Mitglied der „Bewegung für eine demokratische Gesellschaft“ (DTH) einen beidseitigen Waffenstillstand gefordert. KONGRA-GEL solle seine einmonatige Aktionspause auf unbegrenzte Zeit fortsetzen (inzwischen wurde er bis zum 3. Oktober verlängert, Azadî). Im Gegenzug müsse die türkische Armee ihre Militäroperationen einstellen. Der 15 Jahre währende Krieg könne nicht als ein „Terrorproblem“ abgetan werden. Vielmehr müsse das Problem politisch gelöst werden. Allen – einschließlich der in den Bergen Kurdistans befindlichen Guerillakräfte, der Gefangenen und der im Ausland lebenden Flüchtlinge – müsse eine Beteiligung an einem solchen Prozess zugesichert werden. Die Aufnahme des KONGRA-GEL auf die EU- bzw. US-“Terrorlisten“ hätte jenen Flügel in der Türkei gestärkt, der auf Verleugnung und Vernichtung setze. Er erwarte von der EU, dass sie eine „positive Rolle bei der Lösung der kurdischen Frage“ spiele und hoffe darauf, dass den demokratischen Forderungen der Kurden in den am 3. Oktober beginnenden Verhandlungen Beachtung geschenkt werde.
Gäste der Konferenz waren u.a. Danielle Miterrand, Bianca Jagger, der Schriftsteller Harold Pinter, der Schriftsteller Mehmet Uzun, die ehemalige DEP-Abgeordnete Leyla Zana und der Bürgermeister von Diyarbakir, Osman Baydemir.
Dem Vorsitzenden der DEHAP, Tuncer Bakirhan, war eine Teilnahme an der Konferenz aufgrund eines Ausreiseverbotes nicht möglich.
(Azadî/MHA/ISKU, 19.9.2005)
Türkei will Panzer selbst bauen
Wie die „Turkish Daily News“ vom 20. September berichtet, will die Türkei auf den Kauf des deutschen Kampfpanzers LEOPARD 2 verzichten. Die Rüstungsbeschaffungsbehörden hätten empfohlen, die benötigten Panzer von türkischen Unternehmen entwickeln und bauen zu lassen. Es soll nur noch Zulieferungen aus dem Ausland geben. Drei Rüstungsunternehmen hätten erklärt, zum Bau eines eigenen türkischen Panzers in der Lage zu sein.
(AzadÎ/ND, 21.9.2005)