AZADI infodienst nr. 65
april 2008


 

verbotspolitik

 

Razzia in kurdischem Verein und neun ­Objekten in Bremen
Vorwurf: Bildung einer kriminellen Vereinigung

In den frühen Morgenstunden wurden die Räumlichkeiten des kurdischen Vereins BIRATI e.V. in Bremen sowie die Wohnungen von neun Mitgliedern durchsucht, darunter die des ehemaligen und derzeitigen Vereinsvorsitzenden. Die Betroffenen mussten sich einer erkennungsdienstlichen Behandlung unterziehen; festgenommen wurde niemand. Im Zuge der Durchsuchungen sind Vereinsunterlagen, Zeitschriften, Bücher, Notizblöcke, Computer und Handys beschlagnahmt worden.
Die Staatsanwaltschaft Bremen wirft den kurdischen Vereinsaktivisten die Bildung einer kriminellen Vereinigung (§129 Strafgesetzbuch) vor – ein Novum in der strafrechtlichen Verfolgung von Kurden und ihren Einrichtungen. Bislang wurden Spenden, das Spendensammeln und andere Aktivitäten als Verstöße gegen das Vereinsgesetz strafrechtlich geahndet. Begründet wird dies in der Regel mit der Behauptung, dass alle Vereine, die der Föderation kurdischer Vereine (YEK-KOM) angehören, den „legalen Arm“ von PKK/KONGRA-GEL bilden und mit deren Ziele sympathisieren würden. Während zahlreiche derartiger Verfahren mit Geldstrafe oder einer Einstellung enden, müsste bei einer Anklage nach § 129 StGB mit empfindlicheren Strafen und einem anschließenden quasi-Politikverbot aufgrund von mehrjährigen Bewährungszeiten gerechnet werden.
Bisher wegen der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung als Rädelsführer angeklagte Kurden nach § 129 StGB wurden Ausnahmslos zu Freiheitsstrafen verurteilt. In jüngster Zeit mehren sich Verhaftungen von Aktivisten, denen eine Unterstützung vorgeworfen wird. Eine Ausweitung der Vorwürfe auf die Bildung einer kriminellen Vereinigung muss eindeutig als eine Verschärfung der strafrechtlichen Verfolgung betrachtet werden. Damit wollen die Behörden offensichtlich den juristischen Druck auf den größten Teil der hier lebenden kurdischen Bevölkerung erhöhen und sie von jeder politischen Parteinahme oder Aktivität fernhalten.
Als Folge einer gegen die kurdische Bewegung gerichteten NATO-Strategie wird der Druck auf die Kurdinnen und Kurden in Deutschland erhöht. Schließlich hatte auch Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble der Türkei im Februar bereits seine Unterstützung im Anti-PKK-Kampf zugesagt. In diesem Kontext müssen die Repressionsmaßnahmen der letzten Monate bewertet werden.
In dem Maße wie die EU nicht nur einen „Sondergesandten für Tibet“ sowie eine „offene und unabhängige Untersuchung der jüngsten Unruhen und der Unterdrückung in Tibet unter der Schirmherrschaft der Vereinten Nationen“ fordert und die Bundesregierung eine Bundestagsdebatte über die „aktuelle Lage“ in Tibet initiiert hat, setzt der NATO-Partner unbehelligt seinen Krieg gegen die kurdische Bevölkerung fort und die internationale Staatengemeinschaft schweigt.

(Azadî-Pressemitteilung, 10. April 2008)

 

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