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Initiativ e.V. klagt für das Recht auf Meinungsfreiheit Verfahren vor Finanzgericht Düsseldorf
Am 9. Februar fand vor dem Finanzgericht Düsseldorf das Verfahren gegen die Aberkennung der Gemeinnützigkeit von Initiativ e.V., Verein für Demokratie und Kultur von unten, statt. Diese Mitteilung hatte der Verein im Jahre 2006 vom Finanzamt Duisburg-Hamborn erhalten. Die Begründung: „Nach den Veröffentlichungen im Verfassungsschutzbericht des Landes NRW für 2004, S. 85/86 und 2005, S. 63/64 wird deutlich, dass der Verein mit seinen Aktivitäten (auch) terroristische Widerstandsgruppen im Irak, Gruppierungen in Palästina und der ETA nahestehende Organisationen im Baskenland ideell und materiell unterstützen möchte.“
Nach Selbstdarstellung von Initiativ e.V. bestehen die Aktivitäten des Vereins seit seiner Gründung aus „internationalistischen Kampagnen, Web-Publikationen, Informationsbroschüren und öffentlichen Diskussionsveranstaltungen.“ Außerdem verantworte der Verein „neben zahlreichen Kundgebungen und Demonstrationen gegen Krieg und Neoliberalismus“ auch „Veranstaltungen und Publikationen gegen die anti-muslimische Hysterie, die nicht dem rechten Rand vorbehalten ist, sondern auch von linksliberalen Politikern und Publizisten geschürt“ würden. Internationalismus und Antifaschismus gehöre zum Selbstverständnis von Initiativ e.V. Das Vorgehen des Finanzamtes richte sich „nicht gegen vermeintliche Straftaten“, sondern „eindeutig gegen politisch unerwünschte Äußerungen“, was sich insbesondere an der „Unterstützung für irakische BesatzungsgegnerInnen ablesen lasse.“ In einem Erörterungstermin mit einem Vertreter der Finanzbehörde Duisburg habe dieser geäußert, es gehe – Zitat - „ums Prinzip“, weil das, was Initiativ e.V., äußere, nicht gemeinnützig sei. Hiergegen hat der Verein Klage eingereicht. (Azadî/Pressemitteilung Rote Hilfe e.V., OV Duisburg v.3.2.2010)
Teilerfolg für Initiativ e.V. / Verein legt Revision gegen Urteil ein / Verfassungsschutz hat bei Finanzamt interveniert
Der Verein Initiativ e.V. hat die Klage gegen das Finanzamt Duisburg-Hamborn zwar verloren, wird aber gegen das Urteil Revision einlegen. In einem Gespräch mit der jungen welt erklärt der Vereinsprecher, Dimitri Tsalos u. a.: „Das Urteil ist ein Teilerfolg. Das Gericht ist dem Duktus der Finanzbehörde, wir stünden in der Nähe von Terrorismus, bewusst nicht gefolgt. Es attestiert uns, dass wir uns im Rahmen der Verfassung bewegen und bestätigt ausdrücklich, dass unser Schwerpunkt die Förderung der Völkerverständigung ist. Das ist eine Niederlage für die Finanzbehörde.“ Das Gericht kritisierte aber, dass die Kampagnen „gegen die neoliberalen Kriegsparteien über das Betätigungsfeld eines herkömmlichen Vereins hinausgehen.“ Für bedenklich hält es Tsalos, „dass das Gericht zwischen politischen und unpolitischen Vereinen differenziere“. In der mündlichen Verhandlung habe der Verein erfahren, „dass die Maßnahme des Finanzamtes auf direkte Intervention des Verfassungsschutzes erfolgt“ sei: „Uns war jedoch nicht klar, dass die Finanzbeamten auf direkte Anweisung“ gehandelt haben.“
Dem Verein sei aber klar, „dass wir seit Jahren observiert werden und dass Staatsanwälte unter Zuhilfenahme des § 129a StGB ermittelt haben –und vielleicht immer noch ermitteln.“ Man lasse sich aber „von solchen Maßnahmen nicht beeindrucken“ und setze die „Aktivitäten unvermindert fort.“
(Azadî/jw, 2.3.2010)
Bundesinnenminister will «keine nationale Abhörzentrale»
Was sein Vorgänger im Bundesinnenministerium noch durchboxen wollte, will sein Nachfolger Thomas de Maizière (CDU) nun stoppen: eine gemeinsame Abhörzentrale, auf die das Bundesamt für Verfassungsschutz, die Bundespolizei und das Bundeskriminalamt hätten zugreifen dürfen. Die innenpolitische Sprecherin der FDP, Gisela Pütz, jubelt: „Es zeigt sich, dass die längst überfällige Kehrtwende in der Innenpolitik nun erste Früchte trägt.“
(Azadî/FR, 8.2.2010)
Bundesinnenminister will keinen Einsatz der Bundeswehr im Innern
CDU-Bundesinnenminister Thomas de Maizière kündigte im Innenausschuss des Bundestages an, den Plan seines Vorgängers Schäuble, die Einsatzmöglichkeiten der Bundeswehr im Innern zu erweitern, mangels einer Bundestagsmehrheit vorerst aufzugeben. „Das Thema ist mausetot“, kommentierte der SPD-Innenexperte Dieter Wiefelspütz. Die FDP sieht sich in ihrer Ablehnung von Beginn an bestätigt.
(Azadî/FR, 13.2.2010)
Der Feind steht rechts! Gewaltanstieg für 2009 registriert
Nach vorläufigen Erkenntnissen der Polizei und Informationen des „Tagesspiegel“ haben Rechtsextreme im vergangenen Jahr mehr als 16 000 Straftaten begangen. Die Landeskriminalämter registrierten bislang 16 133 Delikte, darunter 768 Gewalttaten, bei denen mindestens 658 Menschen verletzt worden seien. Laut „Tagesspiegel“ hatten mehr als 1000 der verübten Straftaten einen antisemitischen Hintergrund – davon 19 Gewaltdelikte mit 16 Verletzten. Die Polizei ermittelte für 2009 bisher 8269 Tatverdächtige; vorläufig festgenommen wurden davon lediglich 278. Haftbefehle ergingen nur gegen 19 der mutmaßlich rechten Straftäter. Der „Tagesspiegel“ hat die Zahlen aus den monatlichen Kleinen Anfragen der Linke-Abgeordneten Petra Pau errechnet. Eine endgültige Gesamtzahl wird normalerweise im Frühjahr aus dem Bundesinnenministerium bekannt gegeben, die in der Regel wegen Nachmeldungen der Polizei höher liegt. Im Dezember 2009 hatte der Präsident des Bundeskriminalamtes (BKA) von einer zu erwartenden Gesamtzahl von „um die 20 000 Delikte“ gesprochen.
(Azadî/FR, 12.2.2010)
Amtsgericht Krefeld: Freispruch für Webportal «scharf links»
Im Streit mit dem Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf hat das Amtsgericht Krefeld der Online-Redakteurin des Webportals „scharf links“, Edith Bartelmus-Scholich, Recht gegeben. Sie hatte Widerspruch gegen einen Strafbefehl in Höhe von 12.000 Euro wegen Verleumdung eingelegt. Das OLG sah sich durch die Veröffentlichung eines Berichts der Roten Hilfe Mönchengladbach/Düsseldorf über den § 129b-Prozess gegen den aus der Türkei stammenden linken Aktivisten Faruk Ereren, gegen den die Richter eine Beugehaft verhängte, diffamiert. Das Amtsgericht gab dem Widerspruch der Betreiberin von „scharf links“ statt, weil sie weder den inkriminierten Bericht verfasst habe noch an dem in der Erklärung genannten Prozesstermin persönlich anwesend gewesen sei. Nach den Ausführungen ihres Verteidigers Tim Engels beantragte selbst die Staatsanwältin einen Freispruch. Das Urteil ist allerdings noch nicht rechtskräftig.
Im März wird in Berlin aufgrund desselben Sachverhalts gegen den Herausgeber des „Gefangenen-Info“ verhandelt, der ebenfalls Widerspruch gegen einen Strafbefehl eingelegt hatte.
(Azadî/„scharf links“v. 16.2.2010)
Berliner Anwalt Sven Lindemann fordert anderes Denken bei Polizei und Justiz / «Polizeiaussagen werden glattgebügelt»
„Bei Polizei und Justiz muss ein anderes Denken einziehen: Polizeizeugen dürfen keine Sonderrechte mehr genießen. De facto werden sie alsZeugen 1. Klasse gewertet. Eine kritische Überprüfung dessen, was sie sagen, unter welchen Umständen sie ihre Aussage machen und welches Hintergrundwissen sie haben, findet kaum statt. Selbst wenn ihre Angaben noch so dürftig und widersprüchlich sind, glaubt man ihnen. Abgeschafft gehört auch das Recht, dass polizeiliche Zeugen Akteneinsicht nehmen können – und Aussagen eines Kollegen dann Wort für Wort abschreiben können.“ Dieses Fazit zieht der Berliner Rechtsanwalt Sven Lindemann in einem Gespräch mit der “jungen welt”. Vor dem Hintergrund zunehmender Ermittlungspannen bei mutmaßlich linksmotivierten politischen Straftaten geraten Polizei und Justiz immer stärker in die Kritik von Juristenorganisationen wie dem Republikanischen Anwältinnen- und Anwälteverein (RAV). Auf die Frage der “jungen welt”, ob dieses Vorgehen möglicherweise in voller Absicht geschieht, antwortet Lindemann: „Ja, der Verurteilungswille reicht häufig mindestens bis zur Staatsanwaltschaft, in vielen Fällen bis zum Gericht. Es gibt strukturelle Gründe, warum das so ist: In der Regel werden entlastende Indizien erst gar nicht in die Akten aufgenommen. Aussagen von Polizeibeamten werden sich zunehmend ähnlicher und reduzieren sich – stetig knapper gehalten – auf das absolut Wesentliche.“ Auch müssten Untergebene ihre Aussagen den Vorgesetzten zur angeblichen Korrektur von Rechtschreibfehlern vorlegen. Tatsächlich gehe es aber darum, „Widersprüche abzuklären“. Das hätten Polizeibeamte vor Gericht schon zugegeben. „Es wird glattgebügelt. Das kann man wohl nicht als Panne bezeichnen.“
(Azadî/jw, 17.2.2010)
MLPD-Vorsitzender hat wieder Konto bei der Commerzbank
Bei einer Verhandlung vor dem Landgericht Essen am 17. Februar hat die Commerzbank akzeptiert, das Privatkonto des Vorsitzenden der Marxistisch-Leninistischen Partei Deutschlands (MLPD), Stefan Engel, wieder zu eröffnen, das sie zuvor ohne Angabe von Gründen gekündigt hatte. Das Gericht hatte auf einer Offenlegung der Gründe für die Kündigung bestanden, was die Bank jedoch verweigerte. Nach Einschätzung von Engel wollte das Institut vermeiden zu erklären, einer Privatperson aus politischen Gründen das Konto gekündigt zu haben. In einigen Monaten wird über die Kündigung der MLPD-Parteikonten bei der Deutschen Bank verhandelt.
(Azadî/jw, 18.2.2010)
11. März: Prozesseröffnung gegen mutmaßliche DHKP-C-Mitglieder vor dem OLG Düsseldorf
Am 11. März wird die Hauptverhandlung im Verfahren gegen Cengiz O., Ahmet I. und Nurhan E. vor dem Staatsschutzsenat des OLG Düsseldorf beginnen. Alle drei Angeklagten befinden sich seit mehr als einem Jahr und vier Monaten in Haft und sind angeklagt, als mutmaßlich führende Funktionäre der DHKP-C Mitglieder einer terroristischen Vereinigung im Ausland (§ 129b StGB) aktiv gewesen zu sein. Das Besondere an diesem Verfahren ist, dass zusätzlich die Vorwürfe des Spendensammelns für die Organisation nach dem Außenwirtschaftsgesetz (§ 34) in Verbindung mit der sog. EU-Terrorliste strafbar seien. Hierzu ist derzeit ein Vorabentscheidungsersuchen beim Europäischen Gerichtshof in Luxemburg anhängig, über das bislang noch nicht entschieden ist. Aufgrund dieser Besonderheit ist der Ausgang des Verfahrens auch für andere politische Gruppierungen bedeutsam.
Prozessauftakt: 11. März, 9.00 Uhr im Prozessgebäude des OLG Düsseldorf, Kapellweg 36; Fortsetzung am 12. März
(S.hierzu auch Azadi-Info-Nr. 84).