Von Jakob Menge
Berlin Nach den Todesschüssen im israelischen Generalkonsulat
in Berlin vor zwei Wochen befürchten israelische Medien jetzt weltweite
Vergeltungsaktionen der PKK. Dazu könnten besonders Veröffentlichungen
in der deutschen Presse in den letzten Tagen führen. Nach diesen Darstellungen
sollen die israelischen Sicherheitsbeamten vor dem Konsulat „wild in die
Menge geschossen“ haben. Seit dem blutigen Zwischenfall sind deshalb alle
israelischen Botschaften in erhöhte Alarmbereitschaft versetzt worden.
Diese Anordnung wurde erst vor zwei Tagen noch einmal erneuert. Nach israelischer
Darstellung hat es außer einem Warnschuß keine gezielten Schüsse
nach außen gegeben. Aus Angst vor Racheaktionen seien die zwei israelischen
Sicherheitsbeamten kurz nach ihrer neun Stunden langen Vernehmung am 18.
Februar ausgeflogen worden. Auch Darstellungen des ZDF-Magazins „Kennzeichen
D“ aus dem internen Obduktionsbericht beunruhigen die Israelis. Danach
sei die 18jährige PKK-Anhängerin Sema Alp durch einen Schuß
in den Rücken ums Leben gekommen. Für die Berliner Fraktionsvorsitzende
der Grünen, Renate Künast, ein Grund, an der Notwehrthese der
Israelis zu zweifeln. „Wenn jemand wirklich von hinten erschossen wird,
dann sind Notwehrsituationen eigentlich kaum denkbar.“
Für den Fall, daß sich der Schuß in den Rücken
als korrekt herausstellt, haben die Israelis allerdings auch eine Erklärung
parat. Nach ihrer präzisierten offiziellen Darstellung des Tathergangs
vom Dienstag hatte sich ein israelischer Sicherheitsbeamter nach gezielten
Schüssen im Eingangsbereich des Konsulats auf eindringende Kurden
einige Stufen die schmale Treppe nach oben gerettet und von dort acht Schüsse
auf eine größere Gruppe PKK-Anhänger abgegeben, die ihm
folgte. Zwar habe er dabei auf die Unterkörper gezielt, aber da er
von oben schoß, könne nicht ausgeschlossen werden, daß
andere Körperteile getroffen wurden, so die israelische Darstellung.
Da auf der sehr schmalen Treppe einige Kurden gestürzt seien, sei
es möglich, daß die Kurdin Sema Alp in den Rücken getroffen
worden sei. „Der Sicherheitsbeamte hat aber aus reiner Notwehr gehandelt“,
erklärt Din Heiman, Pressesprecher der israelischen Botschaft. Der
israelische Inlandsgeheimdienst Schabak habe so vollständig wie möglich
mit den deutschen Behörden kooperiert. Israel ermöglichte sogar
eine Videorekonstruktion der Ereignisse mit den Sicherheitsbeamten, auf
denen allerdings ihr Gesicht nicht zu sehen sei. Die israelische Seite
hofft, so Heiman, daß „die nackte Wahrheit möglichst bald ans
Licht kommt“.
Im Rechtsausschuß des Berliner Abgeordnetenhauses will Justizsenator
Erhart Körting (SPD) heute genauere Auskunft über den Stand der
Ermittlungen geben. „Wenn die Ermittlungen durch die Bundesregierung geführt
würden, wären wir weniger beunruhigt“, sagte ein Regierungsvertreter
der Zeitung „Ha’aretz“. „Aber die Berliner Behörden sind schwer einzuschätzen.“
Die Grünen wollen einen Untersuchungsausschuß einsetzen, wenn
der Justizsenator nicht ausreichend Klarheit über die Vorgänge
im israelischen Konsulat schafft.