Kurden klagen gegen ihre Ausweisung
19 Bescheide nach Gewaltaktionen vor Generalkonsulaten erlassen
- zwei zurückgenommen
Von Vera Fischer
Wegen der Erstürmung des griechischen und des israelischen Generalkonsulats im Februar hat die Senatsinnenverwaltung inzwischen 19 Kurden aufgefordert, Deutschland zu verlassen. Doch die überwiegend jungen Protestierer, die in der Türkei Verfolgung befürchten, wollen nicht gehen. Nachdem sämtliche Betroffene Widerspruch eingelegt haben, sind jetzt beim Verwaltungsgericht die ersten vier Klagen eingegangen.
Einer der Kläger ist Mehmet K. (Name geändert). Der 18-Jährige stammt aus einer Notstandsprovinz in der kurdischen Osttürkei. 1997 floh er vor der Verfolgung türkischer Sicherheitskräfte nach Deutschland, beantragte politisches Asyl. Er soll an den Auseinandersetzungen am israelischen Konsulat beteiligt gewesen sein, wo er auch verletzt wurde. Im Sommer erhielt er die Ausweisung.
Das Verwaltungsgericht muss nun klären, ob sie korrekt begründet ist. «Wir stützen uns zum ersten Mal auf § 47 II Ziff. 3 Ausländergesetz», erklärt die Sprecherin der Senatsinnenverwaltung, Isabelle Kalbitzer. Danach kann ausgewiesen werden, wer sich aus einer verbotenen oder aufgelösten Versammlung heraus an Gewalttätigkeiten gegen Menschen oder Sachen beteiligt. Er muss nicht von einem Strafgericht verurteilt sein.
Rechtsanwalt Martin Rubbert, der sechs der Kurden vertritt, hält die Begründung im Bescheid nicht für ausreichend. «Den Betroffenen wird keine konkrete Gewalthandlung zur Last gelegt», kritisiert Rubbert. «Es genügt der Behörde, dass sie auf dem Gelände der Konsulate waren. Man argumentiert, sie hätten nur mit Hilfe von Gewalt dorthin kommen können.»
Dabei habe ein Polizist in einem der Strafprozesse eingeräumt, dass man auch ohne Konfrontation mit Sicherheitskräften auf das Gelände kommen konnte, sagt Rubbert. Und: «Ich sehe nicht, dass die Versammlung verboten war.» Die Innenverwaltung dagegen meint, eine konkrete Gewalthandlung müsse nicht nachgewiesen werden.
Insgesamt waren nach Auskunft der Senatsinnenverwaltung im Zusammenhang mit den Konsulatsprotesten 262 Kurden festgenommen worden. Bei 81 Berliner Kurden hätten Ausweisungsgründe vorgelegen, teilte Isabelle Kalbitzer mit. 19 Kurden hätten Ausweisungsverfügungen erhalten. Zwei der Protestierer seien als asylberechtigt anerkannt und ihre Ausweisungen zurückgenommen worden.
Abgeschoben wurde von den Kurden bisher keiner. Vor Ende der zurzeit laufenden Strafverfahren verweigert die Staatsanwaltschaft ihre Zustimmung.
In der Frage von Schadenersatzansprüchen der verletzten und der
Angehörigen der toten Kurden gegen den Staat Israel sind die Anwälte
nicht weitergekommen. «Es ist bedauerlich, dass auf politischer Ebene
so wenig getan wurde, um die Schützen zur Aussage zu bewegen»,
klagt Rubberts Kollege Volker Ratzmann. Zwei israelische Sicherheitskräfte,
die diplomatische Immunität schützt, hatten vier Kurden getötet
und zahlreiche weitere verletzt. Die Berliner Staatsanwaltschaft hat das
Todesermittlungsverfahren inzwischen eingestellt.