Der Tagesspiegel, 8.11.2000
Besetzung des israelischen Generalkonsulats
Verteidiger will Israelis hören
Sechs Kurden wegen Besetzung des Generalkonsulats vor Gericht / Öffentlichkeit
ausgeschlossen
mura
Was geschah wirklich am 17. Februar vergangenen Jahres im israelischen Generalkonsulat?
Seit Dienstag stehen erstmalig sechs junge Kurden vor Gericht, die sich während
der Besetzung des Konsulats durch Anhänger des Kurdenführers Öcalan
im Inneren des Gebäudes aufhielten. Damals waren vier Kurden von israelischen
Sicherheitskräften erschossen worden. Um die Vorgänge im Gebäude
aufzuklären, will Rechtsanwalt Volker Ratzmann nun die beiden israelischen
Konsulatsangehörigen als Zeugen laden lassen, die damals auf die Besetzer
schossen.
Die sechs Kurden im Alter zwischen 17 und 21 Jahren, müssen sich nicht
nur wegen Widerstandes und schweren Landfriedensbruches verantworten; die Staatsanwaltschaft
legt ihnen auch Freiheitsberaubung zur Last. Laut Anklage sollen die sechs Beschuldigten
zusammen mit rund 60 anderen Kurden gewaltsam auf das Gelände des Israelischen
Generalkonsulats in der Schinkelstraße in Grunewald eingedrungen sein.
Nachdem es den Angeschuldigten und anderen Personen gelungen war, in den Konsularbereich
einzudringen, sollen sie durch Fußtritte und unter Einsatz von Schlagwerkzeugen
Türen im Konsulat aufgebrochen und eine Konsulatsangestellte in ihre Gewalt
gebracht haben. Anschließend sollen die Beschuldigten sich in einem Raum
verbarrikadiert haben.
Die Verteidigung vertritt hingegen die Auffassung, dass die Angeklagten sich
"aus Todesangst vor den wild um sich schießenden Sicherheitskräften"
in dem Raum verschanzt hätten. Sie hätten keineswegs vorgehabt, Konsulatsangestellte
einzusperren.
Als es zwischen der Kammer unter der Vorsitzenden Richterin Gabriele Eschenhagen
und den Verteidigern zu Auseinandersetzungen hinsichtlich der Prozessorganisation
kam, beantragte Staatsanwalt Krüger den Ausschluss der Öffentlichkeit.
Die Kammer gab dem Antrag unter Hinweis auf "allgemeine erzieherische Gründe"
statt und will nun bis zum Ende unter Ausschluss der Öffentlichkeit verhandeln.
Im Zusammenhang mit den Protestaktionen von Kurden gegen die Inhaftierung ihres
inzwischen in der Türkei zum Tode verurteilten Anführer Abdullah Öcalan
sind in Berlin bisher mehrere Prozesse geführt worden. Für die Gewaltaktionen
auf dem äußeren Gebiert der Botschaft gab es bisher für die
Beteiligten Bewährungsstrafen bis zu zwei Jahren.
Der zunächst bis Dezember angesetzte Prozess wird am kommenden Freitag
fortgesetzt.