Vier Freisprüche und einmal Bewährung
Kurden-Prozesse: Kein Angeklagter musste in Haft
VON SABINE DECKWERTH
Die Prozesse um die gewalttätigen Ausschreitungen vor dem israelischen Generalkonsulat gehen zu Ende. Bisher wurden vor dem Berliner Landgericht fünf Urteile gesprochen. Zwei stehen noch aus. In jedem Fall hatte die Staatsanwaltschaft schweren Landfriedensbruch angeklagt. Dieser kann mit einer Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren geahndet werden. Doch bisher sitzt nicht ein Verurteilter in Haft. Im Gegenteil: In vier Prozessen wurden die Angeklagten freigesprochen. In einem Fall bekam ein Kurde eine Bewährungsstrafe.
Zu den vermeintlich milden Urteilen kam es vor allem deshalb, weil die Richter Probleme hatten, einzelne Straftaten konkret nachzuweisen. Zudem machten sich widersprechende Polizisten als Zeugen vor Gericht eine schlechte Figur. Wurde einem Angeklagten dann doch eine Straftat nachgewiesen, war er laut Gutachten nur vermindert schuldfähig oder gar schuldunfähig.
Beim Sturm auf das israelische Generalkonsulat am 17. Februar starben vier Kurden durch Schüsse israelischer Sicherheitskräfte. Generell können Angeklagte nur für Taten belangt werden, die zweifelsfrei nachgewiesen werden. Beispielsweise klagte die Staatsanwaltschaft alle 15 Kurden an, die von israelischen Wachleuten angeschossen wurden. Wer auf dem Konsulatsgelände angeschossen wurde, so ihre Argumentation, muss auch gewaltsam dorthin vorgedrungen sein. 18 Tage lang verhandelte darüber eine Kammer, hörte Polizeibeamte als Zeugen und sah sämtliche Videos von den Vorgängen um das Konsulat an. Die Aufnahmen zeigten viele verletzte Kurden, aber keiner der Angeklagten war bei einer Gewalttat zu sehen. Die Folge: Freispruch, weil keine Straftat nachweisbar war.
Ermittlungen gegen Polizisten
In einem Fall führten widersprüchliche Angaben von zwei Polizeibeamten der 23. Einsatzhundertschaft zu einem Freispruch. Ihre Aussagen unterschieden sich trotz mehrmaliger Nachfragen wesentlich von anderen Angaben. Die Justiz leitete gegen die beiden Polizisten ein Ermittlungsverfahren wegen uneidlicher Falschaussage ein. Drei Kurden konnten vor Gericht Gewalttaten wie schwerer Landfriedensbruch nachgewiesen werden. Etwa einem 34-Jährigen, der mit einer Eisenstange auf einen Polizisten losging. Dennoch endete sein Verfahren wie auch ein weiteres mit einem Freispruch, und in einem dritten Prozess blieb es bei einer Bewährung. Die Angeklagten waren früher in der Türkei gefoltert worden, Gutachter hielten sie für nicht oder nur vermindert schuldfähig.
Fraglich ist, wie die Israelis selbst die Sache sehen. Für einige
Angeklagte wäre eine Verurteilung wegen Hausfriedensbruchs in Betracht
gekommen – sofern der Hausherr Strafantrag stellt. Aber genau das haben
die Israelis nicht getan.