taz Berlin 10.3.99
Untersuchungsausschuß steht nichts mehr im Weg
Nach den Schüssen am israelischen Konsulat wurde Anklage geändert.
Anwälte stellen ihre Sicht
dar
Die Einsetzung eines Untersuchungsauschusses zu den Vorfällen
am israelischen Konsulat ist beschlossene Sache. Nachdem die PDS gestern
einen solchen Ausschuß gefordert hatte, entschied am Abend auch die
bündnisgrüne Fraktion, die Ereignisse um die tödlichen Schüsse
und den Polizeieinsatz durch einen Ausschuß aufzuklären. Thema
des Ausschusses wird auch die Informationspolitik von Innensenator Eckart
Werthebach (CDU) und der Polizei sein. Die Stimmen beider Fraktionen reichen
aus, um einen Ausschuß einzusetzen.
Unterdessen ist die Anklage gegen die in der Untersuchungshaft sitzenden
Kurden geändert worden. Wie Conrad Zimmer, einer der Anwälte
der Kurden, gestern gegenüber der taz sagte, „wird nun der Vorwurf
des schweren Landfriedensbruches erhoben“. Die bisherigen Vorwürfe
der gefährlichen Körperverletzung und des Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte
seien fallengelassen worden. Zunächst ging es laut Zimmer für
die Generalstaatsanwaltschaft darum, einzelnen Personen nachzuweisen, inwieweit
sie am Geschehen beteiligt waren. „Mit dem Vorwurf des schweren Landfriedensbruchs
kann aber ohne konkrete Zuordnung von Handlungen Einzelner angeklagt werden,
weil hier letztlich juristisch das gemeinschaftliche Handeln im Vordergrund
steht“, erklärte Zimmer.
Grundsätzlich kritisieren die Anwälte „den Glauben an die
Version der Israelis“, sagte Rechtsanwalt Rüdiger Jung, der zusammen
mit anderen Anwälten ein Papier verfaßt hat, in dem die Ereignisse
vom 17. Februar aus Sicht der beteiligten Kurden dargestellt werden.
Die israelische Seite hätte sich in Widersprüche verwickelt.
Zunächst hätten sie behauptet, daß der Versuch eines Kurden,
einem Sicherheitsbeamten die Waffe zu entreißen, damit endete, daß
der Sicherheitsbeamte den Kurden im Keller erschoß. Das decke sich
aber nicht mit der Version der israelischen Sicherheitsbeamten, die am
vergangenen Donnerstag durch die Generalstaatsanwaltschaft veröffentlicht
wurde. Danach hat ein zweiter Sicherheitsbeamter, der seinem Kollegen zu
Hilfe kam, den Kurden auf den Weg in den zweiten Stock erschossen.
Ferner machen die Anwälte darauf aufmerksam, daß die große
Menge der Kurden, die im Eingangsbereich des Konsulats angeschossen, beziehungsweise
getötet worden sind, bereits auf dem Rückweg waren. Das legten
die Schußverläufe nahe. Deshalb seien für Jung und seine
Kollegen die Notwehrthesen der beiden israelischen Sicherheitsleute nicht
haltbar. Zudem kritisierte Jung das Verhalten der Polizei, die Tränengas
eingesetzt habe. Zudem ist nach Ansicht von Jung und Regina Götz,
einer weiteren Anwältin, auf Sema Alp und die anderen Toten vor dem
Eingang des Gebäudes geschossen worden und nicht, wie von israelischer
Seite zumindest über zwei der Toten behauptet, bei der im Inneren
gelegenen Treppe.
Innensenator Werthebach kündigte gestern unterdessen an, daß
er Polizeiverstärkung aus anderen Bundesländern brauche, um die
Stadt Ende März gegen mögliche neue Ausschreitungen gewalttätiger
Kurden während des kurdischen Newroz-Festes, des Öcalan Prozesses
und des Berliner EU- Gipfels zu sichern.
Annette Rollmann