Telefon-Protokoll setzt Polizeichef schwer unter Druck
Warnungen vor Kurden-Protesten unterschätzt?
Von Hans Krump
BM Berlin - Drei Monate nach der Erstürmung des israelischen Generalkonsulats
in Berlin durch militante Kurden ist Polizeipräsident Hagen Saberschinsky
erneut unter starken Druck geraten. Für Wirbel sorgten vom SFB verbreitete
Auszüge aus einem Telefon-Protokoll, demzufolge Innen-Staatssekretär
Kuno Böse (CDU) den Polizeipräsidenten am Tag vor den blutigen
Ereignissen auf eine Gefährdung israelischer Einrichtungen an der
Spree hingewiesen und deren Schutz angemahnt hatte.
Darauf hatte laut Protokoll Saberschinsky mit den Worten reagiert:
«Ja, ja, ja, ist gut, ok. Wir schützen die ganze Welt.»
Das Angebot von Verstärkungen durch den Grenzschutz hatte der Polizeipräsident
danach zunächst abgelehnt. Bei dem brutalen Überfall am 17. Februar
auf das Israelische Generalkonsulat nach der Entführung von PKK-Führer
Öcalan in die Türkei wurden vier Kurden von israelischen Sicherheitsleuten
erschossen.
Saberschinsky und Innensenator Eckart Werthebach (CDU), der gestern
als Zeuge vor den Untersuchungsausschuß des Abgeordnetenhauses geladen
wurde, zeigten sich empört und wiesen die Vorwürfe gegen die
Polizei zurück. Werthebach sagte, das Telefonprotokoll wärme
nur «uralte Informationen wieder auf». Die Äußerungen
des Polizeipräsidenten seien eine spontane Reaktion angesichts der
Vielzahl möglicher Gefährdungsobjekte gewesen. Saberschinsky
sprach von einem «diffamierenden und zersetzenden SFB-Bericht».
Ausschußchef Wolfgang Wieland (Grüne) rügte es als «schlechten
Stil», daß Akten des U-Ausschusses an die Öffentlichkeit
gelangten.
Innensenator Werthebach betonte vor dem U-Ausschuß, die ersten
konkreten Warnungen auf einen Überfall von Kurden auf das israelische
Generalkonsulat gegen 13.30 Uhr habe es erst etwa zehn Minuten vorher gegeben.
Nach einem Alarm seien die dortigen Polizeikräfte in kurzer Zeit auf
20 und dann 180 verstärkt worden. Zuvor habe es nur «abstrakte
Hinweise» auf eine Gefährdung israelischer Einrichtungen in
ganz Deutschland gegeben. Hans-Georg Lorenz (SPD) kritisierte, Werthebach
habe damals trotz «nur abstrakter Warnungen» die SPD-Bundeszentrale
in Berlin massiv schützen lassen.
Der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) sagte der
Berliner Morgenpost, eine «generelle Gefährdung der israelischen
Botschaft stand nie zur Debatte». Als es «konkrete Erkenntnisse
von konkreten Gefährungen gab», sei auch «zusätzlich
gehandelt worden». Die Brutalität der kurdischen Angreifer dürfe
nicht vergessen werden.
Trotz Warnung nur Wachpolizisten
Polizeipräsident Saberschinsky spricht von empörender Kampagne
gegen seine Behörde Von Walter Scharfenecker und Dirk Reitemeier
Polizeipräsident Hagen Saberschinsky gerät unter schweren
politischen Druck: Obwohl er bereits einen Tag vor dem Sturm kurdischer
PKK-Anhänger auf das israelische Generalkonsulat in Grunewald am 17.
Februar durch Staatssekretär Kuno Böse telefonisch gewarnt worden
war, ordnete er offensichtlich keine verschärften Schutzmaßnahmen
an. Das belegt der dem SFB vorliegende Wortlaut dieses Telefongesprächs
sowie das tatsächliche Geschehen danach. Erste Stimmen nach seinem
Rücktritt wurden am Freitag laut.
Nach der Festnahme des Kurdenführers Abdullah Öcalan wies
Böse Saberschinsky in dem Telefongespräch zur «Sensibilisierung»
auf die Gefährdung israelischer Einrichtungen hin. Die Warnung quittierte
Saberschinsky mit der Bemerkung: «Ja, ja, ja, ist gut , ok. Wir schützen
die ganze Welt.»
Saberschinsky hat am Freitag die Veröffentlichung des Tonbands
durch den SFB als «empörende Kampagne» gegen die Polizei
bezeichnet. «Der Vorgang ist ungeheuerlich, diffamierend und zersetzend,
persönlich und auch für die ganze Polizei.» In der Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen um den Abgeordneten Wolfgang Wieland wurden
am Freitag Forderungen nach einem Rücktritt Saberschinskys laut. Die
SPD gab sich am Freitag noch bedeckt. Ihr sicherheitspolitischer Sprecher
Hans-Georg Lorenz, ansonsten als erklärter Gegner Saberschinskys bekannt,
meinte: «Da muß man erst mal den Polizeipräsidenten selbst
hören.» Unabhängig von der neuen Situation hat Lorenz aber
schon seit geraumer Zeit einen Saberschinsky-Nachfolger parat: Es handelt
sich um den früheren Bundesvorsitzenden der Gewerkschaft der Polizei
und heutigen Polizeipräsidenten von Hagen/Westfalen, Klaus Steffenhagen,
ein Sozialdemokrat.
Der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen nahm dagegen gegenüber
der Berliner Morgenpost Saberschinsky ausdrücklich in Schutz: «Es
stand eine generelle Gefährdung des israelischen Generalkonsulats
nie zur Debatte. Die Position der Polizei und die allgemeinen Hinweise
auf generelle Gefährdungen sind im Parlament wiederholt behandelt
worden. In dem Augenblick, in dem es konkrete Kenntnisse von konkreten
Gefährdungen gab, ist nach heutiger Erkenntnis zusätzlich gehandelt
worden. Ich halte es auch nicht für zulässig, die wirklichen
Probleme und Ausgangspositionen zu verdrehen. Die Gewalttätigkeit
der kurdischen Angriffe, das Ausmaß der Brutalität sind die
wirkliche Herausforderung.
Unsere Gesellschaft sollte nicht stets an erster Stelle den Versuch
unternehmen, die eigene Polizei zu kritisieren und internationale Kritik
und Gewaltanwendung damit in den Hintergrund zu drücken.»
Tatsache bleibt: Nach der Besetzung des griechischen Konsulats am Wittenbergplatz
durch die Kurden am 16. Februar und deren freien Abzug am Abend desselben
Tages blieb die in Rundfunk und Fernsehen verbreitete Nachricht, daß
der israelische Geheimdienst Mossad bei der Festnahme Öcalans beteiligt
gewesen sein könnte, bei der Berliner Polizei ohne große Beachtung.
Das war offensichtlich auch tags darauf am 17. Februar noch so, als in
den Morgenzeitungen diese Nachricht zu lesen war. Vor das israelische Konsulat
wurden nämlich keine zusätzlichen Einheiten beordert, man beließ
es bei drei bis vier Wachpolizisten.
Um 13.23 Uhr wurde ein Zug der 23. Hunbdertschaft in die Schinkestraße
beordert, da um 14 Uhr eine Besetzung des Konsulats durch Kurden zu erwarten
sei. Von einer aktuellen Gefährdung war aber nicht die Rede. Die Beamten
fühlten sich so sicher, daß sie beim Aufbau von Sperren nicht
einmal ihre Helme und Schlagstöcke «am Mann» hatten. Doch
plötzlich fielen etwa 60 Kurden über sie her. Die Beamten konnten
den Sturm auf die Vertretung nicht mehr verhindern. Sie waren kräftemäßig
unterlegen. Das Unheil nahm seinen Lauf.