Bewährungsstrafe für Kurden
Landgericht verurteilt 31jährigen Kurden wegen schweren Landfriedensbruchs und Körperverletzung zu zwei Jahren. Polizeivertreter entsetzt
Das Berliner Landgericht hat gestern sein erstes Urteil über einen Kurden gesprochen, der an der Besetzung des israelischen Generalkonsulats Mitte Februar beteiligt war. Der geständige Angeklagte wurde wegen besonders schweren Landfriedensbruchs, Widerstands gegen die Polizei und Körperverletzung zu zwei Jahren Haft auf Bewährung verurteilt. Bei der Besetzung hatten israelische Beamte vier Kurden, eine Frau und drei Männer, erschossen.
Der Kurde hatte mit einem Holzknüppel auf einen Beamten eingeschlagen. Zudem hatte er sich der Festnahme mit Tritten und Schlägen zu entziehen versucht. Der als Zeuge aussagende Polizist räumte ein, dadurch nur einen kleinen Blutergoß am linken Ellenbogen bekommen zu haben. Der Kurde, der seit Februar in Untersuchungshaft saß, lebt seit 1995 in Deutschland und ist nach der Genfer Konvention als politischer Flüchtling anerkannt. In der Türkei wurde er nach eigenen Angaben gefoltert. Auch sein Vater wurde gefoltert und erschossen. In Untersuchungshaft unternahm der Kurde drei Selbstmordversuche.
Das Gericht unter dem Vorsitz des Richters Peter Faust folgte in seinem Urteil dem Antrag der Staatsanwaltschaft, die dem Angeklagten in der konkreten Situation verminderte Schuldfähigkeit attestiert hatte. Faust billigte dem Kurden zu, daß dessen Steuerungsfähigkeit bei den Ereignissen am Konsulat "erheblich vermindert" gewesen sei. Zu seinen Gunsten habe unter anderem sein umfassendes Geständnis und die Tatsache beigetragen, daß er nicht vorbestraft sei. Der Richter warnte jedoch, das Urteil habe für die noch anstehenden Verfahren um die Besetzung des Konsulats keine "präjudizierende Wirkung".
Nach Informationen der Justizpressestelle stehen noch 13 Verfahren gegen Kurden wegen der Geschehnisse am Konsulat an. Zwei an den Ausschreitungen beteiligte Jugendliche waren von einem Schöffengericht zu je vier Wochen Dauerarrest verurteilt worden. Ein anderes Verfahren vor dem Landgericht war nach einer Pannenserie ausgesetzt worden.
Während sich der Angeklagte vor Gericht offensichtlich zufrieden über das Urteil zeigte, verurteilte es ein Vorstandsmitglied der Kurdischen Gemeinde als eine "politische Entscheidung". Ein Verteidiger des Kurden deutete an, auf eine Revision verzichten zu wollen. Scharfe Kritik am Urteil äußerte die Polizei: Der Gesamtpersonalrat der Berliner Polizei sagte, man nehme das Urteil "mit Betroffenheit zur Kenntnis". Es sei "nicht geeignet, der Gewaltanwendung entgegenzuwirken". Der Vizelandesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei nannte die Botschaft des Urteils "verheerend": "Für den Richter ist eine Körperverletzung offensichtlich ein Kavaliersdelikt, obwohl in diesem Fall dem Täter unterstellt werden muß, daß er den Polizisten schwer verletzten bzw. töten wollte."
Philipp Gessler