Der Polizei-Coup
Von Jens Stiller
Der Innensenator hat gleich zweimal zugelangt: Er verlängerte
die Amtszeit des Polizeipräsidenten, der wegen seiner laxen Haltung
beim Schutz des israelischen Konsulats schon kurz vor der Ablösung
stand. Und er droht mehreren kurdischen Demonstranten, die vor dem Konsulat
randaliert haben sollen, mit der Ausweisung aus Deutschland. Er tut dies,
bevor deren Prozesse überhaupt begonnen haben – oder klar ist, wer
zur Eskalation vor dem Konsulat wie beigetragen hat. Beide Entscheidungen
sind Teil einer durchsichtigen Strategie, die jede Verantwortung deutscher
(und israelischer) Behörden für die Schüsse am Konsulat
verneint und einzig die Kurden als Auslöser der Eskalation nennt.
Mit der Verlängerung der Amtszeit des Polizeipräsidenten landet Werthebach dabei einen echten Coup. Der Polizei-Chef, der so augenscheinlich versagt hat, ist aus dem Wahlkampf heraus, auch wenn der Koalitionspartner ganz dünn das Wort vom Koalitionsbruch piepst. Die SPD hatte seit den Schüssen vier Monate Zeit, um den Polizeipräsidenten zu kippen. Sie tat es nicht, weil sie den Bruch mit der CDU nicht wirklich will. Wer sollte im Oktober eine Partei wählen, die mit Momper einen unbeliebten Spitzenkandidaten, mit Rot-Grün in Bonn jede Menge Probleme und mit einem Koalitionsbruch in Berlin auch noch die Arbeit der letzten acht Jahre in Frage gestellt hat?
Ein Durchmarsch wird dem Innensenator in der Frage der Kurden dennoch
nicht gelingen: Die von der Ausweisung bedrohten Demonstranten und Randalierer
schwiegen bislang. Sie werden trotz des Ausweisungsgerassels ihre Aussagen
vor Gericht machen. Ihre Prozesse werden zu einer Art zweitem Untersuchungsausschuß
– auch wenn viele ihre Version nicht hören und glauben wollen.