In Berlin angeklagte Kurden schweigen zu den Vorwürfen
Prozesse um Ausschreitungen auf dem Gelände des israelischen Generalkonsulats
/ Verteidigerin sieht "Ablenkungsmanöver"
Von Ullrich Fichtner
Sechs Monate nach dem dramatisch gescheiterten Sturm kurdischer Demonstranten auf das israelische Generalkonsulat in Berlin beginnen die ersten großen Gerichtsverfahren. Auf der Anklagebank: junge Männer, die die Strafverfolger für auffällige Aktivisten der damaligen Krawalle halten. Die Verteidiger sprechen von "politischen Prozessen".
BERLIN, 10. August. In zwei getrennten Verfahren stehen seit Dienstag fünf Kurden wegen schweren Landfriedensbruchs, schweren Widerstands, Bildung einer bewaffneten Gruppe und gefährlicher Körperverletzung vor der 38. Großen Strafkammer des Berliner Landgerichts. Die Anklage wirft den Männern in beiden Prozessen vor, an den Ausschreitungen von Mitte Februar maßgeblich beteiligt gewesen zu sein. Damals waren in Berlin - während der europaweiten Kurden-Proteste gegen die Verschleppung des PKK-Führers Abdullah Öcalan in die Türkei - vier Kurden von Wachleuten des belagerten Konsulats erschossen worden.
Im größeren der beiden Verfahren müssen sich die 22- bis 27-jährigen Kurden Izzet A., Adil D., Ahmed E. und Zülküf U. verantworten. Ihnen wird vorgeworfen, gemeinsam mit 50 bis 60 Protestmarschierern am 17. Februar gegen 13.30 Uhr gewaltsam, bewaffnet und gegen den Widerstand der Polizei auf das Konsulatsgelände vorgedrungen zu sein. Anschließend hätten sie versucht, die Tür der israelischen Vertretung "mit Fußtritten und Schlagwerkzeugen" aufzubrechen. Während der Aktion hätten die Kurden "andere Menschen in die Gefahr des Todes gebracht", heißt es in der Anklageschrift.
Im zweiten, am Nachmittag eröffneten Verfahren wurden fast gleichlautende Vorwürfe gegen den 23-jährigen Süleyman A. erhoben. Der Kurde soll nach Darstellung des Staatsanwalts überdies mehrfach mit einer Holzlatte auf Polizeibeamte eingeprügelt und sie verletzt haben. Er habe sich "rücksichtslos" verhalten und "erhebliche Verletzungen" anderer in Kauf genommen.
In beiden Verfahren, die Gruppenanklage ist auf 24 Verhandlungstage bis Ende November angesetzt, verweigerten die Angeklagten Aussagen zur Sache. Süleyman A. las allerdings eine mehrseitige politische Erklärung vor, in der er die jahrzehntelange Leidensgeschichte des kurdischen Volkes in pathetischen Worten schilderte. Zugleich erhob er schwere Vorwürfe gegen die deutsche Justiz: Sie habe der israelischen Wachleute nicht habhaft werden können und verurteile stattdessen nun "die eigentlichen Opfer, die Kurden".
Bereits am Morgen hatte die Rechtsanwältin Regina Götz stellvertretend für die sieben Verteidiger im Vierer-Prozeß die Verfahren als Ablenkungsmanöver kritisiert. Um Fehler der deutschen Behörden zu vertuschen, würden ihre Mandanten "zu besonders gefährlichen und brutalen politischen Straftätern hochstilisiert", sagte Götz. Sie monierte zudem, daß das Verfahren am Land- und nicht am Amtsgericht eröffnet worden sei, mithin direkt in der zweiten Instanz. Den Angeklagten werde ohne Not der Rechtsweg verkürzt.
Den fünf Kurden drohen im Fall einer Verurteilung Freiheitsstrafen
zwischen sechs Monaten und zehn Jahren. Die höchste bislang im Zusammenhang
mit den Februar-Krawallen gegen einen Angeklagten verhängte Strafe
betrug 24 Monate auf Bewährung. In zwei weiteren Prozessen wurden
die Beschuldigten zu neun Monaten auf Bewährung verurteilt. Insgesamt
sind nach den Ausschreitungen knapp 20 Anklageverfahren mit insgesamt 140
Beschuldigten abzuarbeiten.