Die wenigsten Spitzenpolitiker gehen schnell genug. Dunkel ist der Rücktritt von Bundesinnenminister Seiters (CDU) wegen der Schießerei am Bahnhof von Bad Kleinen in Erinnerung - ansonsten sitzen die meisten Oberen der Bundes- und der Landespolitik ihre Affären aus, wie sie es vom Oberaussitzer Helmut Kohl in seinen 16 Jahren Kanzlerschaft gelernt haben. So auch Berlins Innensenator Eckart Werthebach, Parteifreund des Ex-Kanzlers und früher im Bundesinnenministerium tätig.
Dennoch, angesichts des jetzigen Skandals sollte Werthebach mit dieser üblen Gewohnheit brechen und seinen Hut nehmen. Nach der jüngsten "Reißwolf-Affäre" ist seine Demission überfällig. Schließlich steht fest, dass sein Haus die Vernichtung vertraulicher Akten des Landesamtes für Verfassungsschutz angeordnet hat - Papiere wohlgemerkt, die seine politische Mitverantwortung für den lächerlichen Schutz des israelischen Generalkonsulats im Februar bei den Kurdenkrawallen zeigten. Vier Tote forderte das Blutbad, das israelische Sicherheitsleute infolge von Werthebachs Schlamperei anrichteten.
Schon dieses Versagen beim Schutz der gefährdeten Einrichtungen - die Medien hatten schon am Vortag vor der Gefahr gewarnt - hätte eigentlich für einen Rücktritt ausgereicht. Er kam nicht. Peinlich dagegen, wie schnell der Innensenator stattdessen die Schuld zuerst auf den Bund, dann auf untergebene Stellen abzuwälzen versuchte. Die neuesten Enthüllungen zeigen nun: Entweder kam der Vernichtungsauftrag von Werthebach selbst - dann hat er sich mit großer Sicherheit strafbar gemacht. Oder er wusste nichts von dieser höchst unüblichen Aktion - dann hat er seinen Laden nicht im Griff. Dann ist er offensichtlich überfordert. Beides Gründe für einen Rücktritt. Und dass nun auch noch völlig zufällig der Vizechef des Landesverfassungsschutzamtes, der sich gegen den Vernichtungsauftrag wehrte, versetzt werden soll - das stinkt zum Himmel!
Deshalb fordert schon jetzt die PDS einen Rücktritt, die Grünen zieren sich noch etwas. Die SPD hält drei Wochen vor der Landtagswahl nicht viel davon. Wahrscheinlich wird sich Werthebach deshalb bis zum Urnengang über die Runden schleppen. Das ist schade, aber es bleibt die Hoffnung, dass die CDU ihn bei der wahrscheinlichen neuen Großen Koalition nach der Wahl nicht wieder nominiert. Zumindest dieser gesichtswahrende Abgang ist Werthebach, wenn er denn zu mehr nicht den Mut oder den Anstand hat, zu wünschen.
Philipp Gessler