Die Welt, 10.09.1999
Geheimdienst widerspricht Werthebach
Aussage des Verfassungsschutz-Präsidenten Peter Frisch bringt den Innensenator
in Erklärungsnot Von Fatina KeilaniDer Druck auf Innensenator Eckart Werthebach
(CDU) steigt. Anders als von ihm stets behauptet, hat es vor den Berliner Kurdenkrawallen
im Februar offenbar keine vom Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) herausgegebene
Prioritätenliste für den Schutz ausländischer Einrichtungen gegeben.
Das sagte der Vorsitzende des Kurden-Untersuchungsausschusses, Wolfgang
Wieland, am Mittwoch nach der nicht-öffentlichen Vernehmung des BfV-Präsidenten
Peter Frisch. Durch Frischs Aussage kommt Werthebach in Erklärungsnot.
Denn der Innensenator hatte sich nach den Krawallen, bei denen vier Kurden von
israelischen Sicherheitsbeamten erschossen worden waren, stets auf eine Gefährdungsanalyse
des BfV berufen. Nach dieser Liste sollten israelische Einrichtungen erst an
fünfter Stelle schutzbedürftig gewesen sein.Damit hatte Werthebach
die Verantwortung für die Sicherheitsmängel am israelischen Generalkonsulat
- dort hatten am Tag des Kurdensturms nur drei Polizisten gestanden, die gerade
eingetroffene Verstärkung wurde von einer Horde PKK-Anhänger überrannt
- mindestens zum Teil auf den Bund abgewälzt.
Werthebach hatte erst vergangene Woche erneut bekräftigt, er sei von einer
Gefährungs-Rangfolge für bestimmte Staaten ausgegangen. Er habe diese
Information nicht angezweifelt, weil sie ihm plausibel vorgekommen sei.Dennoch
bleibt unklar, weshalb er auch dann nicht der Frage nach der Existenz einer
solchen Liste nachgegangen ist, als daran Zweifel aufkamen.
Davon hing immerhin ab, ob die Verantwortung für die Fehleinschätzung
der Situation bei den Berliner Behörden liegt.Der Grünen-Politiker
Wieland kündigte unterdessen an, er werde am Freitag Strafanzeige gegen
den Chef des Berliner Verfassungsschutzes, Eduard Vermander, erstatten. Anlass
ist die Vernichtung eines Aktenvermerks im
Landesamt für Verfassungsschutz. In dem Vermerk, den Vermander am 6. März
gefertigt hatte, hieß es ebenfalls, es gebe keine Rangfolge gefährdeter
Länder. Dieser Vermerk war aus der Akte entnommen, vernichtet und durch
einen anderen ersetzt worden, der die Ranglisten-These stützte. Wieland
warf CDU-Innensenator Werthebach in diesem Zusammenhang Verschleierung und
Vertuschung vor. Man habe versucht, die Aktenlage nachträglich den Äußerungen
über eine nicht existierende Prioritätenliste anzupassen, statt den
Ausschuss und die Öffentlichkeit über die Fakten zu informieren.Ein
Mitarbeiter der Innenverwaltung, der eine Kopie des Vermerks vernichtet hatte,
bestritt den Vertuschungsvorwurf allerdings. Es sei nur darum
gegangen, den Vermerk durch einen weniger missverständlich formuliertes
Papier gleichen Inhalts zu ersetzen. Den Innensenator habe er davon nicht in
Kenntnis gesetzt, weil er den Vorgang nicht für relevant gehalten habe.
Wieland wertete das Manöver dagegen als Spurenverwischung. Der Untersuchungsausschuss
soll klären, ob die Berliner Polizei das Gebäude nach der Festnahme
des kurdischen Separatistenführers Abdullah Öcalan hätte besser
schützen müssen. Der Ausschuss will jetzt einen Zwischenbericht erstellen,
der am 23. September im Plenum diskutiert werden soll.Der für den Schutz
des Generalkonsulats zuständige Leiter der Polizeidirektion 2, Gerhard
Kilian, berichtete dem Ausschuss am Mittwoch,
die Israelis hätten stets erklärt, sich selbst schützen zu können.
"Dass sie sich gegen einen Angriff mit Waffengewalt wehren würden,
haben wir erwartet", sagte der Polizeiführer. "Nach meiner Erfahrung
ist die Devise der Bürger mosaischen Glaubens: Wir sind nie wieder schwach."