Bericht des Untersuchungsausschusses attestiert den Sicherheitsbehörden gravierende Fehler
Holger Stark
Seit Wochen schon war absehbar, dass sich die Parteien im Abgeordnetenhaus nicht zu einer gemeinsamen Bewertung der Ereignisse rund um das israelische Generalkonsulat würden durchringen können. Gestern nun legte die Ausschuss-Mehrheit von SPD, Bündnisgrünen und PDS ihren gut 120 Seiten starken Zwischenbericht vor, der detailliert das Verhalten und die Fehler der Sicherheitsbehörden am 16. und 17. Februar auflistet. Die CDU verbreitete dagegen einen abweichenden 27-seitigen Bericht, der das Verhalten der anderen Parteien als Wahlkampf brandmarkt und den Zwischenbericht als "rechtswidrig" bezeichnet. Am 17. Februar waren aufgebrachte Kurden nach der Entführung von PKK-Chef Öcalan gewaltsam in das Konsulat eingedrungen; dabei wurden vier Kurden erschossen.
Im Kern dokumentiert der Ausschuss-Bericht die bereits bekannten Probleme der Sicherheitsbehörden. "Es gab eine Flut von Hinweisen auf die Gefährdung israelischer Einrichtungen, die nicht ausreichend beachtet wurden", resümierte der Ausschuss-Vorsitzende Wolfgang Wieland (Bündnis 90 / Grüne). Der SPD-Sprecher im Ausschuss, Frank Ebel, sagte, es hätten sich "deutliche Schwächen in der Kommunikation und in der Struktur der Berliner Sicherheitsbehörden" gezeigt: "Die Innere Sicherheit ist nicht in guten Händen." Ebel kündigte an, dass sich die Sozialdemokraten dem Thema verstärkt widmen werden.
Einig waren sich SPD, Grüne und PDS darin, dass die Abstimmung innerhalb der Berliner Polizei verbessert werden müsse. Die Fehleinschätzung, das israelische Generalkonsulat sei ausreichend geschützt, habe dazu geführt, dass nur drei Wachleute vor dem Gebäude standen, während etwa vor der US-Botschaft in Mitte Stacheldraht und eine ganze Hundertschaft aufgezogen waren. Auch der Verfassungsschutz habe Fehler gemacht, als beispielsweise ein V-Mann am entscheidenden Tag nicht im Kurdenzentrum war. Die innenpolitische Sprecherin der PDS, Marion Seelig sprach von einem "deutlichen Versagen" des Geheimdienstes.
Ausführlich dokumentiert der Bericht zudem die Vernichtung eines Aktenvermerks des Verfassungsschutz-Chefs Eduard Vermander, in dem es zuerst geheißen hatte, es habe keine Prioritätenliste gefährdeter Staaten gegeben. Der Vermerk wurde später durch eine Neufassung ersetzt, in der von einer Prioritätenliste die Rede war. Eckart Werthebach (CDU) hatte zuvor von einer Rangliste gessprochen, die vom Bund übermittelt worden sei und auf der Israel nachrangig genannt sei. "Diese Prioritätenliste ist eine Legende des Senators", kritisierte Ebel.
Harsche Kritik übte der Ausschuss-Vorsitzende Wieland am Verhalten der CDU. Die Union habe von Beginn an kein eigenes Erkenntnisinteresse gehabt. "Die gleiche CDU-Fraktion, die nicht wollte, dass wir losfahren, wollte auch nicht, dass wir ankommen." Zudem sei die Arbeit des Ausschusses dadurch behindert worden, dass Akten nur unvollständig zur Verfügung gestellt wurden.
Die CDU nahm nicht an der Vorstellung des Berichts teil, sondern schickte
nur einen Assistenten zur Beobachtung. Ihr abweichender Bericht bemängelte,
die Rolle der PKK sei nicht ausreichend beleuchtet worden. Die Aufklärung
der Verantwortung der Bundesregierung sei verhindert worden. Bei den Grünen
und der PDS gebe es "breite Sympathie" für die PKK. Der Mehrheits-Bericht
wurde im Ausschuss einstimmig angenommen; die CDU stimmte gar nicht erst
mit ab. Am Donnerstag wird er im Parlament mit den Stimmen von SPD, Grünen
und PDS verabschiedet. Der Ausschuss darf noch bis zum Ende der Legislaturperiode
am 18. November tagen. Die Frage, wie die Kurden erschossen wurden, wird
er nach einhelliger Meinung nicht klären können.