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Petra Haderstorfer                                                                                                                                 Silke Studzinsky
Großbeerenstraße 24                                                                                                                             Kottbusser Damm 72
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Berlin,den 02.09.1999


Presseerklärung

Kurdenproteste am Israelischen Generalkonsulat

Fortsetzung des Prozesses gegen Süleyman A.
am Freitag 3.9.199 um 10.30 Uhr Saal 217,
Turmstraße 91, 10559 Berlin


 



 

Der bisherige Verlauf des Prozesses stellt sich folgendermaßen dar:
Die Polizeibeamtin Sch. und der Polizeibeamte M., beide von dem 3. Zug der 23
Einsatzhundertschaft bekundeten, sie haben am 17.2.1999 vor dem Israelischen
Generalkonsulat den Angeklagten gesehen, wie er mit einer Holzlatte bzw. einem Rundholz
auf sie eingeschlagen habe. Sie haben ihn dann einige Minuten aus den Augen verloren.
Nach den Schüssen hatten sie ihn von der gegenüber dem Konsulat liegenden Gehwegseite
beobachtet, wie er allein vom Gelände gekommen sei. Sie hätten ihn dabei als den Straftäter
wiedererkannt und ihn in der Mitte der Straße festgenommen. Frau SCH. habe ihm
Handschellen angelegt. Er habe keinen Widerstand geleistet, sei auch nicht zu Boden gebracht
worden. Sie haben ihn dann (so die erste Version ihrer Aussage; Frau SCH. am 17.8.99)
sofort zu ihrem Fahrzeug gebracht , wohin auch die anderen drei Festgenommenen ihrer
Gruppe verbracht worden seien. Erst später habe sie ihn zum Bearbeiterfahrzeug der 23.
Einsatzhundertschaft gebracht.

Die Zeugin wurde in der Hauptverhandlung am 20.8.99 mit Videoprints aus dem Video der
12. Einsatzhundertschaft konfrontiert. Aus dem Video ergibt sich, daß der Angeklagte
Suleyman A. um 13.56 Uhr am Sammelplatz von drei Beamten des 2.Zuges der l2.
Einsatzhundertschaft festgenommen wird, indem er zu Boden gebracht wird.
Dabei werden ihm Handschellen angelegt.

Aus dem Video der 14. Einsatzhundertschaft ergibt sich, daß der Angeklagte um 13.52 Uhr
mit einem anderen Kurden einen Verletzten stutzend vom Gelände des Konsulats kommt.
Die Zeugin Frau SCH. sagt dazu, „Ich bin mir 100 %ig sicher, daß Herr M. und ich den
Angeklagten festgenommen haben und ihm Handschellen angelegt haben.."
Dies bekräftigt sie ein zweites Mal.
"Als ich ihn vom Gelände kommen sah, war er allein. Ich habe ihn nicht mit einem Verletzten
vom Gelände kommen sehen."
Zur Festnahmesituation gab sie angesichts der Videoprints eine zweite Version, nämlich daß
sie ihn zum ca. 30 m entfernten Sammelplatz gebracht habe und dort habe sie ihn mit den
Handschellen "abgelegt".
 
 

Sollten die Aussagen von Frau SCH. und Herrn M. richtig sein, müßte der Angeklagte nach
13.52 Uhr und vor 13.56 Uhr zunächst von Frau SCH. und Herrn M. festgenommen und mit
Handschellen gefesselt worden sein und dann erneut um 13.56 Uhr von Beamten der 12.
Einsatzhundertschaft festgenommen worden sein. Dabei wurden ihm - deutlich sichtbar auf
dem Video - Handschellen angelegt.
Weder Frau SCH. noch Herr M. haben dem Angeklagten nach ihrer angeblichen Festnahme
die Handschellen wieder abgenommen.
Daraufhin wurden beide Zeugen am 31.8.1999 mit den Videoaufnahmen der 12.
Einsatzhundertschaft konfrontiert.

Wenn man annehmen wollte, daß neben der durch das Video dokumentierten Festnahme
durch die 12. Einsatzhundertschaft auch die Festnahme durch die Zeugen Frau SCH. und
Herrn M. stattgefunden hat, müßte man folgenden hypothetischen Sachverhalt annehmen:
Der Angeklagte kam um 13.52 Uhr mit einer verletzten Person vom Gelände. Dann legte er
diese Person irgendwann irgendwo ab. Er ging zurück zum Gelände und kam dann allein vom
Gelände. Da wurde er von den Zeugen SCH. und M. wiedererkannt und festgenommen. Ihm
wurden Handschellen angelegt. Er wurde zum Sammelplatz gebracht. Dann muß er - auf welche Weise auch immer sich selbst oder durch Dritte von Handschellen gelöst haben, um um 13.56 Uhr neben dem Sammelplatz erneut durch die 12. Einsatzhundertschaft festgenommen zu werden und Handschellen angelegt zu bekommen.

Zur Erklärung, wie es kommen konnte, daß der Angeklagte bei seiner Festnahme um 13.56
Uhr die angeblich kurz vorher angelegten Handschellen nicht mehr hatte, gaben die Zeugin
SCH. ( so nunmehr die dritte Version ihrer Aussage) und der Zeuge M. am 31.8.1999 in der
Hauptverhandlung an, sie hätten gehört, daß es einen Handfesselmangel gegeben habe. Es sei
deshalb vorgekommen, daß bereits gefesselten Personen die Handschellen wieder abgenommen wurden, um sie anderen Festgenommenen anzulegen. Sie vermuteten, daß es auch hier so gewesen sein müsse. Weder haben sie dies jedoch gesehen, daß dem Angeklagten die Handschellen wieder abgenommen wurden noch haben sie es selber gemacht.
(Zu dem Zeitpunkt 13.56 Uhr waren mindestens die gesamte 12. EHU und die 23. EHU vor Ort. Bis zu diesem Zeitpunkt waren erst sehr wenige Personen festgenommen.)

Am Freitag wird der Prozeß fortgesetzt, mit der Vernehmung von dem
Einsatzhundertschaftsführer der 12. EHU, Herrn C., und weiteren Beamten der 12. EHU
und Herrn H. den Zugführer des 3. Zuges der 23. EHU zu Klärung der Festnahmesituation und der Versorgungslage mit Handschellen.
 
 

Studzinsky, Rechtsanwältin                                                     Haderstorfer, Rechtsanwältin