Köln, den 6. April 2000
Was will Deutschland?
Der Schnee geht, die türkische Armee kommt:
Das jährliche Ritual des Einmarsches türkischer Soldaten
in den Nordirak wiederholt sich auch in diesem Frühjahr.
Sie ziehen in den Krieg gegen die Guerilla der PKK, die im September
1999 den bewaffneten Kampf eingestellt und ihre militärischen
Einheiten aus der Türkei zurückgezogen hat.
Konservative in Militär- und Regierungskreisen wollen keine
Reformen, keinen Frieden, aber eine Kapitulation der PKK.
Die rot/grüne Bundesregierung scheint diesen
harten Kurs auf ihre Weise zu unterstützen, allen voran Bundesinnenminister
Schily. Seine Ankündigung vom letzten Jahr, "die Logistik
der PKK zu zerschlagen", setzen die Strafverfolgungsbehörden
konsequent um. Das macht die jüngste Verhaftungswelle gegen
kurdische Politiker und Politikerinnen deutlich, denen die Bundesanwaltschaft
vorwirft, mit einem sog. "Heimatbüro" die Strukturen
der PKK aufrecht erhalten zu haben. Das zeigen aber auch die zahlreichen
Durchsuchungen von Wohnungen und Vereinsräumen der letzten
Wochen, die häufig von einem massiven Polizeieinsatz begleitet
werden. Allein gestern wurden in einer landesweiten Operation
der Polizei und Staatsanwaltschaft Rostock die Geschäfte
und Privatwohnungen kurdischer Geschäftsleute durchsucht.
Der Sprecher des Landeskriminalamtes von Mecklenburg-Vorpommern
rechtfertigte die Polizeiaktion damit, dass man "die verbotene
Unterstützung an die PKK in den Griff bekommen" wolle.
In den Griff bekommen will man aber auch kurdische
Intellektuelle. Am 4. April durchsuchte der Staatsschutz stundenlang
die Wohnung und den Keller des Mitglieds des Kurdischen Nationalkongresses,
Haci Erdogan in München. Beschlagnahmt wurden zahlreiche
Bücher über Kurdistan sowie Artikel der Tageszeitung
Özgür Politika, für die er u.a. schreibt. Darüber
hinaus arbeitet Herr Erdogan auch für den kurdischen Fernsehsender
Medya-TV.
Ebenfalls in München wurde gestern die Wohnung des Schriftstellers
und Mitglieds des Kurdischen Nationalkongresses, Haydar Isik,
durchsucht.
Unvermindert hartnäckig sind auch die Versuche
der Verfassungsschutzämter, Kurdinnen und Kurden für
Spitzeltätigkeiten zu gewinnen. Weigern sich die Angesprochenen,
werden sie eingeschüchtert und zum Teil dauerhaft und massiv
bedroht. Der Präsident des Verfassungsschutzes von Thüringen,
Helmut Roewer, vertrat kürzlich im Zusammenhang mit Anwerbeversuchen
in Erfurt und Gera die Auffassung, zur Ausspähung der PKK
könne seine Behörde auf solche Kontakte nicht verzichten.
Das Ausmaß der Repression lässt nur den
einen Schluss zu, dass die politisch Verantwortlichen in Deutschland
den Friedensprozess der PKK torpedieren wollen. Sie setzen wie
die Hardliner in der Türkei auf eine Fortsetzung der Politik
mit unfriedlichen Mitteln, die auch die Zerschlagung der PKK und
ihrer Organisationen zum Ziel hat. Nichts anderes bedeuten die
gezielten Provokationen der letzten Wochen.
AZADI fordert ein Ende der Kriminalisierung von
Kurdinnen und Kurden, die Einstellung aller Prozesse und die Freilassung
der politischen kurdischen Gefangenen.