05.06.2002
Erneut
kurdischer Politiker in Beugehaft genommen
In dem Prozess gegen den kurdischen Politiker Halit Yildirim vor
dem Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf waren zur Aufklärung
der Identität des Angeklagten am gestrigen Verhandlungstag
zwei Zeugen geladen.
Der
Zeugenbeistand von Frau Halime C., Rechtsanwalt Schmitz (Dortmund)
erklärte, dass seine Mandantin Fragen bezüglich des
angeklagten Halit Yildirim nicht beantworten werde. Sie sehe sich
als Vertrauensdolmetscherin im Verfahren gegen den in der vergangenen
Woche in Beugehaft genommenen Sait Hasso an die Schweigepflicht
gebunden. Fragen zu diesen Personen und darüber hinaus erwünschte
Auskünfte hinsichtlich abgehörter Telefongespräche
könnten einen Eingriff in das Verteidigungsverhältnis
von Herrn Hasso und dessen Anwalt bedeuten. Dadurch setze sich
seine Mandantin der Gefahr einer Strafverfolgung aus. Ferner ließen
die Fragen des Gerichts Rückschlüsse auf zahlreiche
andere ERNK/PKK-Verfahren zu, in denen Halime C. als Dolmetscherin
tätig gewesen sei. Das Gericht erkannte teilweise ein Zeugnisverweigerungsrecht
an und erklärte die Zeugin in diesem Verfahren als vorläufig
entlassen.
Für
den zweiten Zeugen Mehmet Tanboga, erläuterte dessen Rechtsanwältin
Edith Lunnebach (Köln), dass ihr Mandant sich entschieden
habe, keine Aussagen gegen andere machen zu wollen. Er sei nicht
bereit, die Rolle als Belastungszeuge anzunehmen. Dies gelte auch
für den Fall, dass gegen ihn Beugehaft beschlossen werden
sollte. Mehmet Tanboga wurde am 19. Dezember 2001 vom 6. Strafsenat
des OLG Düsseldorf wegen "Mitgliedschaft in einer kriminellen
Vereinigung" zu einer Haftstrafe von 3 Jahren und 3 Monaten
verurteilt und befindet sich seit seiner Festnahme Ende August
2000 in Haft. Der kurdische Politiker verbrachte aufgrund seiner
politischen Betätigung bereits über 16 Jahre in türkischen
Gefängnissen, wo er schweren Folterungen ausgesetzt war und
an deren Folgen er noch heute zu leiden hat.
Nach
der Verlesung des umfangreichen Fragekataloges zu der Person von
Halit Yildirim und der Frage des vorsitzenden Richters nach der
Aussagebereitschaft des Zeugen, bekräftigte Mehmet Tanboga
seine Entscheidung, keine Auskünfte geben zu wollen. Auch
das von der Bundesanwaltschaft (BAW) beantragte und vom Gericht
beschlossene Ordnungsgeld in Höhe von 200 Euro veranlasste
Mehmet Tanboga nicht zu einer Meinungsänderung.
Daraufhin
beantragte die BAW die Anordnung von Erzwingungshaft bis zum gesetzlich
vorgesehenen Höchstmaß. Gleichzeitig drohte sie, dass
die Aussageverweigerung Folgen haben werde für die beantragte
Aussetzung des Restes seiner Strafhaft. Darüber hinaus äußerte
die BAW, Mehmet Tanboga habe mit seiner Haltung gegen § 258
StGB (Strafvereitelung) verstoßen. Der 6. Senat des OLG
folgte der BAW und ordnete Beugehaft bis zu einer Dauer von 6
Monaten bzw. bis zur Beendigung des Verfahrens gegen Halit Yildirim
an.
Rechtsanwältin
Lunnebach bewertete die Äußerungen der BAW als direkte
Drohung und wehrte sich gegen die Ansicht, Mehmet Tanboga würde
durch seine Haltung selbst dazu beitragen, nicht früher aus
der Haft entlassen zu werden. Der Politiker habe glaubhaft gemacht,
dass er sich an die Gesetze der BRD halte. Die Aussageverweigerung
sei für ihn eine politische Entscheidung gewesen, die er
aus einer moralischen Verpflichtung heraus getroffen habe.
AZADI
protestiert gegen die fortgesetzten Versuche, Kurdinnen und Kurden
gegeneinander auszuspielen, sie einzuschüchtern und weiterhin
ihre politischen Aktivitäten zu kriminalisieren. AZADI fordert
die Einstellung aller Verfahren und die Freilassung aller politischen
Gefangenen.
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