28. Juni 2002
Fethiye
K. zu Haftstrafe verurteilt
Fethiye K. wurde gestern vom 6. Strafsenat des Oberlandesgerichts
(OLG) Düsseldorf zu einer Haftstrafe von 3 Jahren und 3 Monaten
wegen "Beihilfe zum versuchten Mord und zur tateinheitlich
begangenen gefährlichen Körperverletzung in Tateinheit
mit Unterstützung einer terroristischen Vereinigung"
(§ 129a StGB) verurteilt. Das Gericht blieb damit deutlich
unter der Forderung der Bundesanwaltschaft (BAW) nach einer Strafe
von 4 Jahren und 6 Monaten.
Die
BAW hatte Fethiye K. vorgeworfen, Beihilfe zu einem Mordversuch
geleistet und damit eine "terroristische Vereinigung innerhalb
der PKK" unterstützt zu haben. Der frühere PKK-Funktionär
Adil A. war am 2. Mai 1994 in Krefeld von einem Kurden namens
"Hamza" angeschossen und schwer verletzt worden. Schon
damals wurde behauptet, es habe sich um eine "Bestrafung"
gehandelt, weil sich Adil A. nach seiner Haftentlassung im Jahre
1992 geweigert habe, weiter für die PKK zu arbeiten. Er war
damals vom OLG Celle wegen politischer Betätigung für
die kurdische Organisation verurteilt worden. Weil die Ermittlungen
im Zusammenhang mit dem Anschlag ergebnislos verlaufen waren,
wurde auch das Verfahren gegen Fethiye K. und ihre Familie eingestellt.
Im April 1997 meldete sich der jüngste Sohn der Angeklagten,
Taylan K., bei der Polizei und sagte aus, dass seine Mutter und
deren Bruder von dem Anschlagsplan des "Hamza" auf Adil
A. gewusst habe. Auf diese Aussage des Sohnes, einem schwer psychotischen
und stark heroinabhängigen Mann, der zudem der Polizei regelmäßig
als Informant zur Verfügung stand, stützte sich hauptsächlich
die Anklage. Im Dezember 1998 verstarb Taylan 21-jährig an
den Folgen seiner Selbstverbrennung.
Die
BAW hatte jedoch im Laufe des Prozesses immer größere
Schwierigkeiten, sich auf die Angaben des Sohnes als alleiniges
Beweismittel zu stützen. Dazu trugen auch die Ausführungen
des psychologischen Gutachters bei.
Die
neuen Aussagen des Nebenklägers Adil A. dagegen nutzte die
BAW zur Erhärtung der Vorwürfe gegen Fethiye K., sie
habe als PKK-Kader gehandelt und von den Anschlagsplänen
gewusst. Nach 8 Jahren nämlich brachte Adil A. ins Gespräch,
dass sich der damalige Europasprecher der ERNK, Kani Yilmaz, am
Tattag in der Wohnung der Angeklagten aufgehalten habe. Wie in
allen Prozessen mit PKK-Hintergrund trat als Zeuge auch der Leiter
der "Arbeitsgruppe PKK" beim Bundeskriminalamt, Würth,
auf.
Auf die Frage des vorsitzenden Richters, ob sich aus dieser Aussage
von Adil A. neue Gesichtspunkt ergeben würden, antwortete
der BKA-Beamte, dass "das die Lösung für mich ist"
und vom "System her passe es jetzt". Kani Yilmaz bestritt
in einem Schreiben aus Beirut die Behauptung des Nebenklägers
und erklärte sich bereit, hierzu als Zeuge auszusagen. Die
Verteidigung beantragte die Vernehmung in einer deutschen Einrichtung
im Ausland. Dieser Antrag wurde vom Gericht mit der Begründung
abgelehnt, eine solche Vernehmung trage nicht zur Wahrheitsfindung
bei.
Eindeutige Absicht sowohl der BAW als auch des BKA war in diesem
Verfahren, eine Kontinuität der "Bestrafungspraxis"
der PKK von 80-er und 90-er Jahren
bis heute zu belegen, wobei nun Personen gefährdet seien,
die "mit der neuen Linie nicht einverstanden seien".
Dieser Argumentation und einigen anderen Punkten ist das Gericht
in der Urteilsbegründung nicht gefolgt.
Fethiye
K., erklärte im Laufe des Prozesses, dass sie die "Tat
gegen Adil A. und sämtliche ähnliche Angriffe verurteile".
Sie glaube auch heute nicht, dass die PKK den Anschlag auf ihn
angeordnet habe. Wäre dies der Fall, würde sie das Gefühl
haben, instrumentalisiert worden zu sein. Sie habe nur den einen
Wunsch, dass "alle Menschen auf der Welt in Frieden zusammen
leben". Mit der "Verhaftung einzelner Personen"
könnten keine Probleme wie das des kurdischen Volkes gelöst
werden. Sie als aufrichtige Patriotin wolle sich in ihrem künftigen
Leben "für Demokratie und Frieden einsetzen". Sie
begrüße deshalb die Gründung des KADEK (Kongress
für Demokratie und Frieden in Kurdistan).
Die
Absicht der Behörden, ihre Strafverfolgungspraxis unabhängig
von den weitreichenden Veränderungen und der ernsthaften
Bemühungen der kurdischen Organisation um politische Lösungen
und demokratische Entwicklungen, fortzusetzen, hat dieser Prozess
deutlich werden lassen.
Fethiye K. war hierfür Mittel zum Zweck.
Auf
die von der Verteidigung angesprochenen Möglichkeit, dass
es für den Anschlag auch private Motive gegeben hat, ist
das Gericht nicht eingegangen. Ob Revision gegen das Urteil eingelegt
wird, wollen die Verteidiger von Fethiye K. nach Vorliegen der
schriftlichen Begründung des Gerichts entscheiden.