AZADI RECHTSHILFEFONDS
            für Kurdinnen und Kurden in Deutschland e.V.

Fragen von Özgür Politika an AZADI

 

September 2002

AZADI fordert Aufhebung des PKK-Verbots und Streichung der Anti-Terror-Gesetze


Der Rechtshilfefonds AZADI e.V. existiert seit 1996 und organisiert im Rahmen seiner Möglichkeiten die Solidarität für alle Kurdinnen und Kurden, die aufgrund ihrer politischen Betätigung in Deutschland strafverfolgt werden. AZADI unterstützt diejenigen, die deshalb zu Geld- und Gefängnisstrafen verurteilt werden und versucht durch kontinuierliche Pressearbeit, die Öffentlichkeit auf die Situation der Betroffenen aufmerksam zu machen. Zentrale Forderung des Vereins seit seiner Gründung ist die Aufhebung des PKK-Verbotes. Die kurdische Bevölkerung muss öffentlich ihre politische Willensbildung artikulieren können, ohne der Gefahr der Strafverfolgung ausgesetzt zu sein.

Frage:
Was erwartet AZADI von einer neuen Bundesregierung und welche konkreten Forderungen stellt der Verein an die politisch Verantwortlichen?

Antwort:
Zunächst einmal: Wir haben positiv bewertet, dass der Staatsminister im Auswärtigen Amt, Ludger Volmer, am 7. September auf dem kurdischen Festival in Gelsenkirchen, an dem Zehntausende Kurd(inn)en teilnahmen, gesprochen hat. Das ist ein Novum. Natürlich spielte der Wahlkampf auch hier eine Rolle. Gelsenkirchen ist Volmers Wahlkreis. Er hob in seiner Rede hervor, dass vor allem die rot-grüne Bundesregierung der Türkei eine pro-europäische Perspektive eröffnet habe. Er forderte von der Türkei die Einhaltung der Menschenrechte, Rechtsstaatlichkeit, mithin die Erfüllung der "Kopenhagener Kriterien". Forderungen, wie sie von den Kurdinnen und Kurden seit Jahren erhoben werden.

Und hier möchte ich einhaken: So richtig der Verweis auf die Einhaltung der Menschenrechte in der Türkei ist, so gilt dies allerdings für die Bundesrepublik Deutschland gleichermaßen. Es klingt schmeichelhaft, wenn Staatsminister Volmer in seiner Rede den Kurden zu ihrem "jahrzehntelangen Kampf um kulturelle Autonomie und Gerechtigkeit in der Türkei" gratuliert, der jetzt "zu einem Teilerfolg geführt" hat. Nur: Wie verträgt sich dieses Lob und seine Zusage, diesen gewaltfreien und "aussichtsreichsten Weg" zur Lösung der Probleme solidarisch unterstützen zu wollen aber mit der Wirklichkeit in Deutschland?
Am 10. Juni 2002 erst hat das Auswärtige Amt eine Anfrage der PDS-Bundestagsfraktion zu der Aufnahme der PKK in die EU-"Terror"liste beantwortet. Gefragt wurde unter anderem, ob sich nach der Auflösung der PKK Anfang April an der
Verbotspraxis in Deutschland etwas ändere. Die Antwort lautete: "Die Bundesregierung sieht keinen Anlass, von dem gegen die PKK verhängten Betätigungsverbot Abstand zu nehmen", weil es "bisher nicht zu einer Umsetzung eines neuen Kurses gekommen" sei.

Die Auflösung dieses Widerspruchs ist die Forderung von AZADI an die nach dem 22. September politisch Verantwortlichen. Die Repressionshaltung, die den Weg für Konfliktlösungen versperrt, muss endlich beendet werden.

AZADI fordert, dass Bundesanwaltschaft und Bundeskriminalamt einen Schlussstrich ziehen unter ihren Kurs der Verfolgung kurdischer Politikerinnen und Politiker und ihrer Aktivitäten.
Anhängige Verfahren müssen eingestellt und kurdische politische Gefangene freigelassen werden.

AZADI fordert des weiteren, dass die in letzter Zeit verstärkt zu beobachtenden Versuche der Verfassungsschutzämter, Kurdinnen und Kurden für eine Spitzeltätigkeit anzuwerben, unverzüglich eingestellt werden. Die damit verbundenen Drohungen und Einschüchterungen müssen ein Ende haben.
Wenn die staatlichen Institutionen Informationen über die Entwicklung des KADEK gewinnen wollen, haben sie genügend Möglichkeiten, sich offiziell an kurdische Einrichtungen zu wenden.

AZADI fordert die Streichung aller Sondergesetze für Flüchtlinge und Migrant(inn)en, vor allem des ab Januar 2003 geltenden Zuwanderungsgesetzes, das in Wirklichkeit ein ein Begrenzungsgesetz ist und sich primär an den ökonomischen Interessen der BRD orientiert. Abschiebungen werden erneut erleichtert, die Zahl der Illegalisierten wird drastisch ansteigen, exilpolitische Aktivitäten als Nachfluchtgründe finden künftig keine Berücksichtigung mehr.

AZADI fordert die Rücknahme der "Anti-Terror-Gesetze", die massiv in den Grundrechtsschutz der Bürger/innen eingreifen. Der Bundestag änderte am 14. Dezember 17 Gesetze. Noch nie wurden in der BRD so viele Gesetze auf einmal geändert und verschärft. Diese Entwicklung kann in einen autoritären Überwachungs- und Erfassungsstaat führen.

AZADI fordert vor dem Hintergrund des am 1. September in Kraft getretenen § 129 b die generelle Streichung des Gesinnungsparagrafen 129.
Der § 129 b richtet sich gegen Befreiungs- und Widerstandsbewegungen mit Sitz im Ausland. Das Justizministerium trifft künftig die Entscheidung, ob eine Organisation "terroristisch" oder "kriminell" ist. Die politische Betätigung für eine Organisation oder deren Unterstützung kann demnach zu Strafverfolgung und Verboten führen. Die Zusammenarbeit mit den Geheimdiensten der Verfolgerstaaten (z. B. der Türkei) wird intensiviert.
Der § 129 b gibt den Behörden darüber hinaus erweiterte Handlungsmöglichkeiten, gegen Solidaritäts- und Menschenrechtsgruppen sowie Einzelpersonen strafrechtlich vorzugehen und deren Arbeit zu verbieten.

Eine neue Bundesregierung ist also gefordert, die Kriterien "Rechtsstaatlichkeit" und "Menschenrechte" auch im eigenen Land zu erfüllen. Wohlklingenden Worten müssen Taten folgen.

 

 


 
AZADI  Rechtshilfefonds für Kurdinnen und Kurden e.V., Lindenthalgürtel 102, 50935 Köln 
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