23. Juli 2003
Urteil des Bundesverfassungsgerichts ermuntert Folterstaaten
„Niemand
darf der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe
oder Behandlung unterworfen werden“ steht in der 1952 von
Deutschland ratifizierten Europäischen Konvention zum Schutz
der Menschenrechte.
Das
Bundesverfassungsgericht mochte diesem Grundsatz offenbar nicht
mehr folgen. In einem gestern veröffentlichten Beschluss
hat es entschieden, dass Verdächtige auch in Länder
ausgeliefert werden dürfen, in denen gefoltert wird. Ein
früherer indischer Staatsbürger hatte gegen den Auslieferungsantrag
Indiens Verfassungsbeschwerde eingelegt, die von der Mehrheit
des Zweiten Senats abgewiesen worden ist. Diese Entscheidung wurde
u. a. damit begründet, dass Folter in Indien gesetzlich verboten
sei und vom Staat nicht zielgerichtet gefördert würde.
Deshalb seien Auslieferungshindernisse nicht erkennbar. Das Gericht
bezog sich außerdem auf den seit Juni 2001 bestehenden Auslieferungsvertrag
zwischen Deutschland und Indien. Dies sei hinreichendes Indiz
dafür, dass in diesem Land die Menschenrechte geachtet würden,
obwohl selbst das Auswärtige Amt und Amnesty International
von Folter durch die Polizei und desolaten Haftbedingungen in
Indien berichten.
Diese
Entscheidung der obersten Verfassungsrichter ist gefährlich
und scharf zu verurteilen. Durch sie werden nicht nur Folter und
Misshandlungen verharmlost, sondern Folterstaaten geradezu ermuntert,
ihre menschenrechtswidrige Praxis fortzusetzen. Das Urteil öffnet
zudem künftig Gerichten Tür und Tor, strafrechtlich
Beschuldigte oder auch politische Flüchtlinge auszuliefern
oder abzuschieben. Was mit ihnen dort geschieht, wird die Richter
nicht mehr interessieren.
Folter
muss geächtet werden – weltweit.