2.
Oktober 2003
Zur
Woche des ausländischen Mitbürgers:
Hessische
Behörden wollen kurdische Familie in die Türkei abschieben
Die Zentrale Ausländerbehörde des Main-Kinzig-Kreises
in Gelnhausen hatte die Abschiebung der seit Anfang 1997 in Deutschland
lebenden sechsköpfigen kurdischen Familie BEKIROGULLARI in
die Türkei verfügt. Sie sollte am 30. September durchgeführt
werden. Das Diakonische Werk Wetterau war jedoch zuvor an den
Petitionsausschuss des Hessischen Landtags herangetreten mit der
Bitte, von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen abzusehen, bis
das Nachfolgeverfahren des Vaters und Ehemanns entschieden ist.
Unterstützt wurde diese Eingabe von der Kirchengemeinde und
dem Evangelischen Jugendbüro Büdingen sowie den Lehrerinnen
und Lehrern der Schule der Kinder.
Frau
Bekirogullari leidet aufgrund erlebter schwerer Misshandlungen
durch die Polizei in der Türkei unter posttraumatischen Belastungsstörungen
und befindet sich in therapeutischer Behandlung. Seither hatte
sich ihr Gesundheitszustand verbessert, doch infolge der drohenden
Abschiebung erheblich verschlechtert. Auch die Kinder leiden unter
Angstzuständen aufgrund ihrer Erfahrungen, die sie in der
Türkei machen mussten. Dass die 10jährige Tochter Zozan
besonders mit massiven Ängsten, Alpträumen und Schlafstörungen
auf die äußerst belastende Situation reagiert, bestätigt
auch das Staatliche Schulamt in Friedberg. Hinzu kommt, dass die
Polizei häufig bei den Familienangehörigen von Frau
Bekirogullari in der Türkei erscheint, um sich nach dem Verbleib
des Schwiegersohnes zu erkundigen und versucht, die Menschen einzuschüchtern.
Dass
die Familie bei einer Abschiebung konkret gefährdet wäre,
ergibt sich vor allem aus der Tatsache, dass Herr Bekirogullari
seit Juli 2001 in der JVA Butzbach eine Haftstrafe verbüßt.
Er wurde im August 2000 vom Landgericht Frankfurt/M. zu einer
Strafe von 5 Jahren und 6 Monaten verurteilt wegen seiner Beteiligung
an der Besetzung des kenianischen Reisebüros in Frankfurt/M.
am 16. Februar 1999. Anlass war seinerzeit die Entführung
des PKK-Vorsitzenden Abdullah Öcalan aus Kenia in die Türkei,
in deren Folge es weltweit zu massiven Protesten kam. Außerdem
hatte ihm das Gericht vorgeworfen, als Mitglied der in Deutschland
verbotenen PKK gehandelt zu haben. Aufgrund des intensiven Datenaustausches
zwischen Deutschland und der Türkei, insbesondere auch in
Strafsachen, ist davon auszugehen, dass die türkischen Behörden
über diesen Fall informiert sind. Dass abgeschobene Personen,
die der Mitgliedschaft in oder der Unterstützung der PKK
verdächtigt werden, bei Einreise in die Türkei den zuständigen
Sicherheitsbehörden übergeben werden, stellt selbst
das Auswärtige Amt in seinem Bericht vom August 2003 zur
Lage der Türkei fest.
Aus
diesen Gründen muss die Abschiebungsverfügung zurückgenommen
und der Familie Bekirogullari ein sicherer Aufenthaltsstatus in
Deutschland erteilt werden, damit sie zur Ruhe kommt und in die
Lage versetzt wird, ihre Zukunft hier zu planen. Die hessischen
Behörden und der Petitionsausschuss des Landtages sind aufgefordert,
sich das Motto der Woche des ausländischen Mitbürgers
zu Eigen zu machen: „Integrieren statt Ignorieren“.