3.
Dezember 2003
OLG
Hamburg: Freiheitsstrafe gegen kurdischen Politiker
Ali Z.: Deutsche Politik verharrt in der Logik der Verbote
Das Oberlandesgericht Hamburg verurteilte heute den kurdischen
Politiker Ali Z. wegen „Mitgliedschaft in einer kriminellen
Vereinigung“ (§ 129 StGB) sowie Anstiftung zu schwerem
Haus- und Landfriedensbruchs zu einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren
und 6 Monaten. Der Vorwurf der Geiselnahme wurde fallen gelassen.
Die Bundesanwaltschaft (BAW) hatte am 19. November 3 Jahre und
9 Monate gefordert.
Ali
Z. wurde von der Anklage vorgeworfen, als führender Funktionär
der Arbeiterpartei Kurdistans von Januar 1998 bis Mai 1999 die
PKK-Region Nordwest geleitet zu haben und seit April 2002 für
den KADEK tätig gewesen zu sein. In dieser Eigenschaft habe
er als Reaktion auf die Verschleppung des damaligen PKK-Vorsitzenden
Abdullah Öcalan in die Türkei die Besetzung der SPD-Landesgeschäftsstelle
in Hamburg am 17. Februar 1999 angeordnet.
Die
Verteidiger von Ali Z. hatten in der Verhandlung am 25. November
für ihren Mandanten Freispruch gefordert. Er habe sich am
Tag der Besetzung weder in Hamburg aufgehalten noch Kontakt zu
den Besetzern gehabt. Rechtsanwalt Dr. Heinz Jürgen Schneider
kritisierte, dass die Vorwürfe gegen den Angeklagten „allein
mit seiner politischen Rolle“ begründet worden seien.
Ali Z. war wegen seiner politischen Betätigung bereits 15
Jahre in der Türkei inhaftiert, u.a. in dem berüchtigten
Gefängnis in Diyarbakir.
Weil
die Bundesrepublik „über keine Kurdenpolitik verfüge“
– so Ali Z. in seinem Schlusswort am 25. November –, seien
die Kurden „der Willkür der Bundesanwaltschaft und
des Bundeskriminalamtes ausgeliefert“. Das PKK-Verbot sei
erlassen worden, weil sich Hunderttausende Kurden - auch in Europa
- organisiert hätten, um die „Verleugnungs- und Vernichtungspolitik“
des türkischen Staates auf die internationale Tagesordnung
zu bringen. „Unter der Führung der USA und durch die
praktische Unterstützung der Bundesrepublik Deutschland“
sei die PKK mit dem Vorwurf des Terrorismus belegt worden. Auf
diese Weise sei versucht worden, den Kampf der Volksbewegung „zu
isolieren bzw. einzugrenzen, ihn von Lösungsprozessen fernzuhalten
sowie seine gerechten und legitimen Forderungen zu behindern“.
Die kurdische Bewegung habe nach militanten Aktionen in Deutschland
Anfang der 1990er Jahre „tiefgreifende Selbstkritik“
geübt und sich im Laufe der Jahre grundlegend verändert.
Die Gegenseite jedoch verfolge weiter eine „Logik des Verbots“
und beharre auf der Vergangenheit. Obgleich die Kurden „in
allen Staaten Europas organisiert“ seien, tue sich „nach
der Türkei die Bundesrepublik bei der undemokratischen Praxis
gegenüber dem kurdischen Volk besonders hervor“: Weil
„die Gewinner des Verbots ihre Interessen gefährdet
sehen, halten sie eine gegen die Kurden gerichtete Praxis für
legitim“. Eine solche Herangehensweise ziele – so
Ali Z. - nicht auf eine Lösung der Probleme.
Die
kurdische Bewegung bemühe sich seit Jahren darum, „Wege
und Ansätze für eine demokratische Lösung des Konflikts
zu finden“.
AZADI
fordert vor dem Hintergrund der Auflösung des KADEK und der
Neugründung des VOLKSKONGRESSES (KONGRA-GEL) vor wenigen
Wochen sowie der Aufrechterhaltung des vor 10 Jahren erlassenen
Verbots der Betätigung für die längst nicht mehr
bestehende PKK ein Umdenken der herrschenden Politik. Die Bemühungen
der kurdischen Bewegung, sich zu verändern, zu demokratisieren
und neue Wege zu gehen, müssen endlich Anerkennung finden.