1. März 2017
AnwÄlte legen Verfassungsbeschwerde gegen VerfolgungsermÄchtigung des Bundesjustizministeriums ein
Um Strafverfahren wegen angeblicher Mitgliedschaft in einer ausländischen „terroristischen Vereinigung“ (§§129a/b StGB) durchzuführen, ist eine „Verfolgungsermächtigung“ erforderlich, die einzig das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz - in Abstimmung mit dem Bundesinnen- und Außenressort sowie dem Bundeskanzleramt - erteilt. Diese Regelung wurde infolge der Anschläge vom 11. September im Jahre 2002 eingeführt.
Seit Oktober 2010 wird der § 129b auch gegen die PKK angewendet. Verfolgungsermächtigungen müssen inhaltlich nicht begründet werden und sind einer gerichtlichen Nachprüfung entzogen; Angeklagten wird die Möglichkeit zur Anhörung versagt. Entschieden wird insbesondere nach außenpolitischen Interessen, was den politisch motivierten Charakter der Prozesse gegen kurdische Politiker*innen und Aktivisten deutlich macht.
Deshalb wandten sich die Verteidiger des nach §129b angeklagten kurdischen Politikers Ahmet Çelik direkt an das Bundesjustizministerium und übergaben am 22. September 2016 einen ausführlichen Antrag mit der Forderung nach Rücknahme der Strafverfolgungsermächtigung hinsichtlich der PKK/KCK. Diese war am 6. September 2011 allgemein gegen angebliche Funktionsträger erteilt worden und gilt bis heute fort.
Die Verteidiger sind der Auffassung, dass eine solche Ermächtigung willkürlich, nicht verfassungskonform und angesichts der politischen Entwicklungen in der Türkei überholt ist und zurückgenommen werden muss. Auch müssten die historischen Hintergründe des türkisch-kurdischen Konflikts beleuchtet, die Entstehungsgeschichte der PKK als Folge der brutalen Vernichtungspolitik des türkischen Staates berücksichtigt und ihre fundamentalen Paradigmenwechsel in den vergangenen Jahren in eine Gesamtbewertung mit einbezogen werden. Dazu gehöre auch die insbesondere von Abdullah Öcalan forcierte Phase des Friedensprozesses zwischen der kurdischen Bewegung und türkischer Regierung, die im Sommer 2015 einseitig von Recep Tayyip Erdoǧan für beendet erklärt wurden. Seitdem sind Massaker an der kurdischen Zivilbevölkerung, Kriegsverbrechen und Menschenrechtsverletzungen durch den türkischen Staat wieder an der Tagesordnung, weshalb dieser kein taugliches Schutzobjekt sein könne.
Ohne mit einem Wort auf die Argumente und Ausführungen der Anwälte einzugehen, lehnte das Bundesjustizministerium eine Rücknahme der Verfolgungsermächtigung vom 6. September 2011 ausnahmslos ab und bestätigte gleichzeitig, dass weder eine Erteilung noch eine Rücknahme von Ermächtigungen einer Begründung bedürften. Schließlich handele es sich um eine Ermessensentscheidung des BMJV, die eine juristische Überprüfung ausschließe. Diese Sichtweise wurde auch vom Kammergericht Berlin gestützt.
Deshalb werden die Anwälte Berthold Fresenius, Dr. Björn Elberling und LukasTheune am 2. März Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht einlegen.
Kontakt: Lukas Theune, Tel. 030 - 23564436