AZADI  RECHTSHILFEFONDS
für Kurdinnen und Kurden in Deutschland e.V.

Pressemitteilung

 

13. Juli 2017

OLG Stuttgart verurteilt kurdischen Politiker zu mehrjÄhriger Haftstrafe
Muhlis Kaya: Die hÖchste Gerechtigkeit ist die des Gewissens

Heute endete vor dem Oberlandesgericht Stuttgart der im November 2016 begonnene Prozess gegen den kurdischen Politiker Muhlis KAYA mit der Verurteilung zu einer Haftstrafe von 3 Jahren und drei Monaten. Der 6. Strafsenat sah es als erwiesen an, dass der 47-Jährige als PKK-Mitglied an der „ausländischen terroristischen Vereinigung“ (§ 129b StGB) beteiligt gewesen und von 2013 bis 2015 verschiedene „Sektoren“ der PKK in Deutschland verantwortlich geleitet haben soll.
 
Während die Vertreter der Bundesanwaltschaft eine Strafe von 3 Jahren und 9 Monaten gefordert hatten, plädierten Verteidigerin Busl und Verteidiger Heydenreich auf Freispruch und Aufhebung des Haftbefehls. In zahlreichen Anträgen haben sie die Verfassungsmäßigkeit der §§ 129a/b, Aspekte des Völkerstrafgesetzbuches, grundsätzliche Fragen des Rechts auf Widerstand, die politischen Entwicklungen in der Türkei und die gewaltsame, kriegerische Bekämpfung der Kurden durch den türkischen Staat thematisiert. Hierzu wurde im März auch der im Exil lebende HDP-Abgeordnete Faysal SARIYILDIZ gehört, der insbesondere über das grausame Massaker der türkischen Sicherheitskräfte während der staatlich verhängten Ausgangssperren 2015 und 2016 an kurdischen Zivilisten in Cizre im Südosten der Türkei berichtet hatte.
 
Wie Muhlis Kaya in seinem Schlusswort am 6. Juli ausführte, gehörte zu seinen als „terroristisch“ stigmatisierten Aktivitäten u.a. die „Organisierung von genehmigten Demonstrationen, Kundgebungen und Konferenzen, Newrozfeierlichkeiten, Essens- und Getränkeständen“. Es sei ein „paradoxer Mechanismus“, dass selbst genehmigte Veranstaltungen den Kurden „als Straftat zur Last gelegt“ würden und dafür „so viel Mühe“ investiert werde. Es handele sich „in jeder Hinsicht um politische Prozesse“ und zeige die „feindliche Haltung den Kurden und ihrem Freiheitskampf gegenüber“. Für ihn sei die „höchste Gerechtigkeit die des Gewissens“.
 
Auch dieses Urteil untermauert den Eindruck von Muhlis Kaya und zeigt, dass Politik und Justiz ungeachtet der dramatischen politischen Umwälzungen in der Türkei hin zu einer Präsidialdiktatur, in der jede Rechtsstaatlichkeit außer Kraft gesetzt wurde, an ihrem Vorgehen gegen Kurdinnen und Kurden in Deutschland festhalten.
Sie haben nach wie vor auch hier den Preis zu zahlen für die geostrategischen, wirtschaftlichen und politischen Interessen, die den deutschen mit dem türkischen Staat verbinden.
Dass sich Gerichte diesen unterordnen, sich letztlich zu Handlangern eines Despoten wie Recep Tayyip Erdoǧan instrumentalisieren lassen und nicht den Mut haben, ihre Unabhängigkeit von politischen Interessen und Vorgaben unter Beweis zu stellen, ist eine traurige Realität.
 
AZADÎ fordert ein Ende der Kriminalisierung von Kurdinnen und Kurden, die Einstellung der politisch motivierten Verfahren und die Freilassung der politischen Gefangenen.

 
Derzeit befinden sich zehn kurdische Aktivisten wegen Terrorismusvorwurfs (§129b StGB) in Straf- bzw. Untersuchungshaft.
Seit 2015 wurden acht Kurden zu Freiheitsstrafen zwischen einem Jahr, 9 Monaten und 3 ½ Jahren verurteilt und bei zwei Aktiven der Haftbefehl nach Urteilsverkündung aufgehoben.
Vor dem Hanseat. OLG Hamburg läuft zur Zeit noch das Verfahren gegen Zeki Eroǧlu; die Urteilsverkündung erfolgt am 21. Juli, 9.00 Uhr, Saal 288, Sievekingplatz 3, Hamburg.
Das Hauptverfahren nach § 129b StGB gegen Hıdır Y. wird voraussichtlich im September 207 vor dem Kammergericht Berlin eröffnet.

   

 
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