22. Dezember 2022
Kurdischer Aktivist vom OLG MÜnchen
zu einem Jahr und vier Monaten Freiheitsstrafe verurteilt
Heute wurde vor dem Oberlandesgericht (OLG) München der kurdische Aktivist Mustafa T. zu einem Jahr und vier Monaten Freiheitstrafe ohne Bewährung verurteilt. Aufgrund der bereits verbüßten Untersuchungshaft, konnte Mustafa den Gerichtssaal nach dem Urteil als freier Mann verlassen. Der entsprechende Haftbefehl wurde (vorläufig) aufgehoben.
Vorgeworfen wurde ihm, als Mitglied einer „terroristischen Vereinigung im Ausland“ (§§ 129, 129a, 129b StGB) von Juli bis Dezember 2020 das Gebiet München/Südbayern verantwortlich geleitet zu haben. Ein weiterer Anklagepunkt, die PKK-Gebietsleitung in Ulm zwischen Juni 2019 und Mai 2020, wurde von der Staatsanwaltschaft zur Abkürzung des Verfahrens aufgrund des schlechten Gesundheitszustandes des Angeklagten eingestellt. Aus eben diesen Gründen verzichtet auch die Verteidigung auf weitere Rechtsmittel, so dass das Urteil rechtskräftig ist.
Auf Betreiben der Verteidigung ging das Gericht sowohl in der Beweisaufnahme als auch in seiner mündlichen Urteilsbegründung ausführlich auf die aktuelle Politik der Türkei und die Geschichte des türkisch/kurdischen Konflikts ein. Mit klaren Worten wie „Folter“ und „Massaker“ wurden in der Urteilsbegründung sowohl die aktuellen als auch historischen Missstände eingeräumt. Die persönliche und familiäre Betroffenheit des Angeklagten durch erlittenes Unrecht wurde vom Gericht zwar als strafmildernd anerkannt, rechtfertige aber nicht die ihm vorgeworfenen Vergehen.
In der Anklageschrift wurden Mustafa T. seine Teilnahme an Protestveranstaltungen, u.a. gegen völkerrechtswidrige Angriffe der türkischen Armee auf von Kurd:innen bewohnte Regionen im Nordosten Syriens oder des Nordiraks, als „terroristische Aktivitäten“ ausgelegt. Zum Vorwurf erhoben wurde zudem, dass er eine Verhandlung gegen kurdische Angeklagte vor dem OLG Stuttgart-Stammheim besucht oder sich an einer Demonstration gegen die Verurteilung von politisch Aktiven der linken türkischen TKP/ML in München beteiligt habe. Zudem wurden ihm soziale Tätigkeiten – etwa die Teilnahme an einer Trauerfeier für einen angeblichen PKK-Aktivisten - sowie die Unterstützung von humanitären Spendenkampagnen des kurdischen Roten Halbmonds Heyva Sor zur Last gelegt.
Die Anklage basierte hauptsächlich auf „Erkenntnissen“ aus der Telekommunikationsüberwachung durch die Landeskriminalämter von Bayern und Baden-Württemberg. Weil sich Mustafa T. dem Strafverfahren – wie von der Generalstaatsanwaltschaft München behauptet wurde – hätte entziehen können und damit Fluchtgefahr bestünde, befand er sich seit seiner Verhaftung im Dezember 2020 in Untersuchungshaft in München.