AZADI  RECHTSHILFEFONDS
für Kurdinnen und Kurden in Deutschland e.V.

Pressemitteilung

 

1. September 2023

Verhandlungstermine in §129b-Prozessen gegen kurdische Aktivisten
September 2023

(Termine können kurzfristig geändert werden)

Die strafrechtliche Verfolgung kurdischer Aktivist:innen begann bereits Ende der 1980er Jahre entweder nach § 129a StGB (Mitgliedschaft in einer „terroristischen“ Vereinigung), oder ab Mitte der 1990er Jahre nach § 129 StGB (Mitgliedschaft in einer „kriminellen“ Vereinigung). Der Bundesgerichtshof entschied im Oktober 2010, nach türkischen linken und tamilischen Organisationen, auch die Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) als eine „terroristische Vereinigung im Ausland“ gem. § 129a/b einzustufen. Hunderte politisch aktiver Kurdinnen und Kurden sind seit Ende der 1980er Jahre von deutschen Strafverfolgungsbehörden angeklagt und von Staatsschutzsenaten der Oberlandesgerichte verurteilt worden.

In den meisten 129b-Verfahren geht es nicht um individuelle Straftaten von Angeklagten, sondern um deren politische Gesinnung. Grundlage ist das umstrittene Betätigungsverbot der PKK von 1993 und die laut § 129b Abs. 1 Satz 3 StGB erforderliche Ermächtigung des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) zur strafrechtlichen Verfolgung von Funktionsträger:innen (Gebiets-, Regions- und Sektorleiter). Eine generelle Ermächtigung hat das Ministerium am 6. September 2011 ausgestellt, die bis heute automatisch gegen diesen Personenkreis angewendet wird. Jederzeit können aber auch Einzelermächtigungen erteilt werden gegen Menschen, deren Funktion die Behörden als weniger hochrangig einstufen. Nach unserer Kenntnis sind nach aktuellem Stand 65 Aktivist:innen von abgeschlossenen bzw. laufenden §129a/b-Verfahren betroffen; e l f  Kurden befinden sich derzeit in deutschen Gefängnissen in Straf- bzw. U-Haft. 

In jüngster Zeit erteilt das FDP-geführte Bundesjustizministerium zunehmend Einzelermächtigungen zur strafrechtlichen Verfolgung von Aktivist:innen nach §§ 129a/b. Weil die Behörden bei den meisten wegen eines festen Wohnsitzes und einer Familiengebundenheit keine Fluchtgefahr annehmen, bleiben sie von einer Inhaftierung verschont. Ihre genaue Zahl ist AZADÎ nicht bekannt.

Auf die folgenden Prozesse möchten wir aufmerksam machen:

Ali Ö., OLG Frankfurt/M. (Prozesseröffnung 24.4.2023)

Montag, 18. September
Freitag, 22. September
Mittwoch, 27. September und
Freitag, 29. September

Die Verhandlungen beginnen jeweils um 9:30 Uhr, Saal II, Gebäude E,
Konrad-Adenauer-Str. 20, Frankfurt/M.

 

Sabri Ç., OLG Koblenz (Prozesseröffnung 31.8.2023)

Mittwoch, 6. September
Donnerstag, 7. September
Dienstag, 12. September
Mittwoch, 13. September
Donnerstag, 14. September
Dienstag, 19. September
Mittwoch, 20. September
Freitag, 22. September
Montag, 25. September und
Mittwoch, 27. September

Die Verhandlungen finden jeweils ab 9:30 Uhr vor dem OLG Koblenz, Regierungsstraße 7, statt.

Mehmet ÇAKAS, OLG Celle 

Montag, 4. September (P r o z e s s e r ö f f n u n g)

Die Verhandlung beginnt um 10:00 Uhr in Saal H 94, Eingang Kanzleistraße in Celle.

Die weiteren Termine: 

Montag, 18. September, 10:00 Uhr
Mittwoch, 20. September, 9:30 Uhr und
Mittwoch, 27. September, 9:30 Uhr.

Auf Antrag der deutschen Strafverfolgungsbehörden wurde Mehmet Çakas Anfang Dezember 2022 in Mailand/Italien fest- und in Auslieferungshaft genommen. Eine Überstellung an die deutsche Justiz erfolgte Anfang März dieses Jahres. Er befindet sich in Untersuchungshaft in der JVA Hannover.

Die Anklage wirft dem Aktivisten vor, im Rahmen seiner PKK-Mitgliedschaft unter dem „Decknamen“ Servan/Shervan von Juli 2017 bis Januar 2018 das „PKK-Gebiet“ Berlin verantwortlich geleitet zu haben, ab 2018 das Gebiet Hannover und von 2019 bis mindestens Sommer 2021 das Gebiet Bremen. Der 44-Jährige soll in dieser Funktion – laut Anklage „stets konspirativ“ - für die Koordinierung organisatorischer, personeller und finanzieller Angelegenheiten zuständig gewesen sein. Vorgehalten wird ihm außerdem, in dem von ihm geleiteten Gebiet „mehrfach als Schlichter“ tätig gewesen zu sein und anlässlich einer Trauerveranstaltung „eine PKK-Propagandarede“ gehalten zu haben. Einer individuellen Straftat wird Mehmet Çakas nicht beschuldig; strafbar ist lediglich die ihm von der Anklage vorgeworfene PKK-Mitgliedschaft. Der Generalbundesanwalt hat das Verfahren wegen „minderer Bedeutung“ an die Generalstaatsanwaltschaft Celle abgegeben.

Die durch das Bundesjustizministerium erteilte generelle Ermächtigung zur strafrechtlichen Verfolgung datiert vom 6. September 2011; eine zusätzliche Einzelermächtigung erfolgte am 2. Oktober 2018 (§129b Abs. 1 Satz 3 StGB).

Zum Prozessauftakt haben die Initiativen „Women Defend Rojava“ und „Defend Kurdistan“ zur einer Solidaritätskundgebung um 9:00 Uhr vor dem OLG Celle aufgerufen. Unter dem Motto „Freiheit für alle politischen Gefangenen – Frieden für Kurdistan“ sollten sich viele treffen, um ihre Solidarität mit Mehmet Çakas und anderen Betroffenen staatlicher Repression zu zeigen.

 

Wir möchten ferner auf das umfangreiche 129b-Verfahren gegen Özgül Emre, Ihsan Çibelik und Serkan Küpeli vor dem 7. Strafsenat des OLG Düsseldorf hinweisen. Ihnen wird vorgeworfen, das sog. Deutschland-Komitee für die DHKP-C gebildet zu haben. Der Prozess war am 14. Juni 2023 eröffnet worden und wird im September wie folgt fortgesetzt:

Dienstag, 19. September
Mittwoch, 20. September
Mittwoch, 27. September und
Donnerstag, 28. September

Die Verhandlungen beginnen jeweils um 9:30 Uhr (am 27.9.: 9:30 bis 12:30 Uhr) vor dem OLG Düsseldorf-Hamm, Kapellweg 36.

   
 
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