AZADI  RECHTSHILFEFONDS
für Kurdinnen und Kurden in Deutschland e.V.

Pressemitteilung

 

27. Oktober 2023

Verhandlungstermine in §129b-Prozessen gegen kurdische Aktivisten
November 2023

(Termine können kurzfristig geändert werden)

Die strafrechtliche Verfolgung kurdischer Aktivist:innen begann bereits Ende der 1980er Jahre entweder nach § 129a StGB (Mitgliedschaft in einer „terroristischen“ Vereinigung), oder ab Mitte der 1990er Jahre nach § 129 StGB (Mitgliedschaft in einer „kriminellen“ Vereinigung). Der Bundesgerichtshof entschied im Oktober 2010, nach türkischen linken und tamilischen Organisationen, auch die Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) als eine „terroristische Vereinigung im Ausland“ gem. § 129a/b einzustufen. Hunderte politisch aktiver Kurdinnen und Kurden sind seit Ende der 1980er Jahre von deutschen Strafverfolgungsbehörden angeklagt und von Staatsschutzsenaten der Oberlandesgerichte verurteilt worden.

In den meisten 129b-Verfahren geht es nicht um individuelle Straftaten von Angeklagten, sondern um deren politische Gesinnung. Grundlage ist das umstrittene Betätigungsverbot der PKK von 1993 und die laut § 129b Abs. 1 Satz 3 StGB erforderliche Ermächtigung des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) zur strafrechtlichen Verfolgung von Funktionsträger:innen (Gebiets-, Regions- und Sektorleiter). Eine generelle Ermächtigung hat das Ministerium am 6. September 2011 ausgestellt, die bis heute automatisch gegen diesen Personenkreis angewendet wird. Jederzeit können aber auch Einzelermächtigungen erteilt werden gegen Menschen, deren Funktion die Behörden als weniger hochrangig einstufen. Nach unserer Kenntnis sind nach aktuellem Stand 65 Aktivist:innen von abgeschlossenen bzw. laufenden §129a/b-Verfahren betroffen;
e l f  Kurden befinden sich derzeit in deutschen Gefängnissen in Straf- bzw. U-Haft.

In jüngster Zeit erteilt das FDP-geführte Bundesjustizministerium zunehmend Einzelermächtigungen zur strafrechtlichen Verfolgung von Aktivist:innen nach §§ 129a/b. Weil die Behörden bei den meisten wegen eines festen Wohnsitzes und einer Familiengebundenheit keine Fluchtgefahr annehmen, bleiben sie von einer Inhaftierung verschont. Ihre genaue Zahl ist AZADÎ nicht bekannt.

Auf die folgenden Prozesse möchten wir aufmerksam machen:

 

AYAZ Kenan (offiziell AYAS), Hanseat. OLG Hamburg

Freitag, 3. November, 9:30 Uhr, Saal 237 Hanseat. OLG (Prozesseröffnung)

Kenan Ayaz (49) war Mitte März am Flughafen in Larnaka/Zypern aufgrund eines deutschen Auslieferungsersuchens festgenommen worden, als er zu einem Familienbesuch nach Schweden reisen wollte. Trotz vielfältiger, auch internationaler Proteste und intensiver Bemühungen seines Rechtsbeistands, stimmte das zuständige Gericht einer Überstellung an Deutschland zu; seit Anfang Juni befindet sich Kenan Ayaz im Hamburger Untersuchungsgefängnis Holstenglacis. Ihm wird vorgeworfen,  von 2018 bis 2020 als mutmaßliches PKK-Mitglied verschiedene Gebiete, unter anderem Hamburg, verantwortlich geleitet und hierbei personelle, finanzielle und organisatorische Angelegenheiten koordiniert zu haben.
Kenan Ayaz lebte seit 2013 als anerkannter politischer Flüchtling im griechischen Teil Zyperns. Wegen seiner politischen Aktivitäten war er bereits in der Türkei insgesamt zwölf Jahre im Gefängnis.
In der JVA Hamburg-Holstenglacis unterliegt der Aktivist strengen Sonderhaftbedingungen.

Das  Solidaritätskomitee #FreeKenan hat für den 3. November zu einer Kundgebung um 8:30 Uhr vor dem OLG aufgerufen.

Dienstag, 7. November
Montag, 13. November
Donnerstag, 16. November
Donnerstag, 23. November
Freitag, 24. November
Montag, 27. November und
Donnerstag, 30. November
Die Verhandlungen finden jeweils um 9:30 Uhr in Saal 237 vor dem Hanseatischen Oberlandesgericht Hamburg, Sievekingplatz 3, statt.

 

ÇIMEN Sabri, OLG Koblenz (Prozesseröffnung 31.8.2023)

Dienstag, 7. November
Mittwoch, 8. November
Dienstag, 14. November
Mittwoch, 15. November
Dienstag, 21. November und
Mittwoch, 22. November
Die Verhandlungen beginnen um 9:30 Uhr vor dem OLG Koblenz, Regierungsstr. 7

 

ÇAKAS Mehmet, OLG Celle (Prozesseröffnung 4.9.2023)

Mittwoch, 1. November
Dienstag, 7. November
Mittwoch, 8. November
Dienstag, 21. November
Mittwoch, 22. November
Dienstag, 28. November und
Mittwoch, 29. November
Die Verhandlungen beginnen jeweils um 9:30 Uhr vor dem 4. Strafsenat des OLG Celle, Kanzleistraße, statt.

 

ÖZEL Ali, OLG Frankfurt/M. (Prozesseröffnung 24.4.2023) 

Montag, 30. Oktober
Mittwoch, 8. November
Montag, 13. November (an diesem Tag wird Ali ÖZEL eine persönliche Prozesserklärung abgeben)
Freitag, 17. November 
Freitag, 24. November

Weitere konkrete Termine für November lagen der Verteidigung noch nicht vor.
 
Die Verhandlungen beginnen jeweils um 9:30 Uhr vor dem OLG Frankfurt/M., Saal E II, Konrad-Adenauer-Str 20

 

Des weiteren findet vor dem 7. Strafsenat des OLG Düsseldorf das Verfahren gegen Özgül Emre, Ihsan Çibelik und Serkan Küpeli statt. Ihnen wird vorgeworfen, das sog. Deutschland-Komitee für die DHKP-C gebildet zu haben. Der Prozess war am 14. Juni 2023 eröffnet worden. Die weiteren Termine:

Donnerstag, 2. November
Dienstag, 14. November
Mittwoch, 15. November
Dienstag, 21. November
Mittwoch, 22. November
Dienstag, 28. November und
Mittwoch, 29. November
Die Verhandlungen beginnen jeweils um 9:30 Uhr vor dem OLG Düsseldorf-Hamm, Kapellweg 36

   
 
AZADI Rechtshilfefonds für Kurdinnen und Kurden e.V.,
Hansaring 82, 50670 Köln • Tel.: 0221-16 79 39 45 • E-Mail: azadi@t-online.de 
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