17. März 2025
Internationaler Tag der politischen Gefangenen am 18. MÄrz
Auch der diesjährige 18. März als Internationaler Tag der politischen Gefangenen ist Anlass, darauf hinzuweisen, dass Aktivist*innen der kurdischen Freiheitsbewegung sowie linker türkischer Organisationen nicht nur in der Türkei die Haftanstalten füllen.
Seit 2011 werden in Deutschland lebende Kurdinnen und Kurden auch auf der Grundlage des 2002 in Kraft getretenen §129a/b StGB (Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung) angeklagt, inhaftiert und zu mehrjährigen Freiheitsstrafen verurteilt. Derzeit befinden sich 16 Kurd:innen in deutschen Gefängnissen.
Dabei beschränkte sich die für die §129b-Verfahren zuständige Bundesanwaltschaft bei der Strafverfolgung nicht auf Personen, die sich in Deutschland aufhalten. Die meisten der neuen Anklagen und Verurteilungen im letzten Jahr erfolgten gegen Personen, die zuvor auf der Grundlage des europäischen Haftbefehls nach Deutschland ausgeliefert worden waren. Im September letzten Jahres wurde etwa der aus Zypern ausgelieferte Aktivist Kenan Ayaz nach einem fragwürdigen Prozess vom OLG Hamburg zu 4 Jahren und 3 Monaten Freiheitsstrafe verurteilt.
Allen Angeklagten werden keine individuellen Straftaten vorgeworfen, sondern es werden legale politische Tätigkeiten kriminalisiert – wie das Organisieren von Veranstaltung und Demonstrationen. Die Strafbarkeit dieser Tätigkeiten sieht die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe allein dadurch gegeben, dass die Personen angeblich in PKK-Strukturen eingebunden seien. Belegt wird dies in den Prozessen im Wesentlichen durch oft monatelang durchgeführte Telefonüberwachungen und Observationen.
Dass Anklagen und Inhaftierungen nach dem §129a/b politisch motiviert sind, zeigt eine Besonderheit dieses Paragrafen: Ermittlungen dürfen erst geführt werden, wenn eine entsprechende Verfolgungsermächtigung durch das Bundesjustizministerium vorliegt. Im letzten Jahr gab es hier den Trend seitens der Staatsanwaltschaften, die Schwelle für solche Verfolgungsermächtigungen zu senken. Auch sogenannte „Frontarbeit für die PKK“ wird nun immer häufiger nach §129b verfolgt. Darunter fallen auch normale politische Aktivitäten auf örtlicher Vereinsebene. Ziel dieser Verfolgungsausweitung ist eine weitere Verunsicherung der kurdischen Community in Deutschland.
Viele schauen aktuell mit Hoffnung auf den am 27. Februar vom PKK-Vorsitzenden Abdullah Öcalan verbreiteten Friedensaufruf. Mit Blick auf eine anzustrebende Demokratisierung in der Türkei und Gleichberechtigung der dort lebenden Bevölkerungsgruppen forderte Öcalan die PKK auf, bei einem nun vorzubereitenden Kongress ihre Auflösung zu beschließen. Als Rechtshilfefonds Azadî e.V. unterstützen wir diesen Aufruf und fordern von der zukünftigen neuen Bundesregierung, ihren Teil für Frieden und Demokratie in der Türkei beizutragen.
Dazu gehören aus unserer Sicht die Aufhebung des seit 1993 bestehenden PKK-Verbots, die Streichung der PKK von der EU-Terrorliste, die Beendigung der Kriminalisierung der politischen Aktivitäten von Einzelpersonen und kurdischen Einrichtungen hier in Deutschland sowie eine Amnestie der in Deutschland nach §129b angeklagten und verurteilten Aktivist:innen.
In eigener Sache:
Auch wenn es Grund für vorsichtigen Optimismus gibt, gehen wir nicht davon aus, dass sich die Verfolgungspraxis der deutschen Justiz in absehbarer Zeit generell ändert. Auf journalistische Nachfragen nach dem Aufruf von Abdullah Öcalan antwortete das Bundesinnenministerium „es bestünde im Moment noch kein Anlass zur Neubewertung der PKK.“ Vergleichbare Aussagen gab es von der für die Strafverfolgung zuständigen Bundesanwaltschaft. In den letzten Jahren ist die Anzahl der von Azadî finanziell unterstützten politische Gefangenen kontinuierlich angestiegen. Das liegt zum einen an der ausgeweiteten Praxis der Auslieferung über den europäischen Haftbefehl, zum anderen an den oben beschriebenen niederschwelligeren Anklageerhebungen nach §129b.
Nur ein Teil der nach §129b Gefangenen in Straf- oder Untersuchungshaft hat in Deutschland familiäre Bindungen, welche die für Gefängniseinkäufe notwendigen finanziellen Mitteln bereitstellen könnten. Daher nutzen wir unsere diesjährige Pressemitteilung zum internationalen Tag der politischen Gefangenen auch für einen Spendenaufruf an Azadî, um die weitere Unterstützung der sich in Haft befindenden politischen Aktivist:innen gewährleisten zu können.