Köln, den 21. Juli 1999
Offener Brief an Außenminister Fischer
Sehr geehrter Herr Fischer,
wieder einmal hat es der NATO-Mitgliedsstaat Türkei in einer geheimdienstlichen
Operation und mit offensichtlicher Unterstützung des NATO-Ost-Kandidaten
Moldawien erreicht, daß ein kurdischer Politiker in die Hände
seiner Folterer gelangt ist. Das ERNK-Mitglied Cevat SOYSAL, seit 1995
anerkannter Asylbewerber in Deutschland, war bereits über 10 Jahre
Gefangener in dem berüchtigten Gefängnis von Diyarbakir.
In Anbetracht der derzeitigen politischen Verhältnisse in der Türkei
infolge der Verschleppung des PKK-Vorsitzenden Abdullah Öcalan und
der gegen ihn verhängten Todesstrafe, aber auch aufgrund der Tatsache,
daß nun die MHP/Grauen Wölfe einen erheblichen Einfluß
auf die Entwicklung in diesem Land nimmt, ist eine Intervention insbesondere
von seiten der deutschen Politik erforderlich. Deutschland muß aufgrund
der seit langem besonders gut funktionierenden Beziehungen zur Türkei
auf den Gebieten der Rüstungsexporte, der Wirtschafts- und Polizeihilfe
endlich den Schwerpunkt mehr auf den menschenrechtspolitischen Aspekt legen
und auf diesem Gebiet seiner Verantwortung nachkommen. Diese Möglichkeiten
haben Sie als Außenminister in einem rot- grünen Kabinett. Verwirklichen
Sie die Menschenrechtspolitik, die Sie und Ihre Fraktion in den Oppositionsjahren
stets von der Regierung Kohl eingefordert haben.
Wir gehen davon aus, daß Ihnen bewußt ist, in welcher Situation
sich Cevat Soysal (und zahlreiche gerade aus Deutschland abgeschobene kurdische
Aktivistinnen und Aktivisten) befinden kann. Deshalb fordern wir Sie dringend
auf, sich für die Sicherheit und das Leben von Cevat Soysal einzusetzen
und darauf hinzuwirken, daß ihm die unverzügliche Rückkehr
nach Deutschland, wo auch seine Familie lebt, ermöglicht wird.
Tragen Sie durch Ihren Einsatz dazu bei, den vom PKK- Vorsitzenden Abdullah
Öcalan seit Jahren und in Haft erneut bekräftigten Prozeß
einer friedlichen Lösung des Kurdistan- Konflikts zu unterstützen.
Der Krieg in Kurdistan und die brutale Verfolgungspolitik des türkischen
Staates gegen die kurdische Bevölkerung und die oppositionellen Kräfte
müssen endlich beendet werden.
Dies würde sich selbstverständlich auch auf die im deutschen
Exil lebenden Kurdinnen und Kurden auswirken. Die Aufhebung des PKK-Verbotes
und die Freilassung der zahlreich in deutschen Gefängnissen einsitzenden
politischen AktivistInnen ist zudem ein längst überfälliger
Schritt hin zu einem Prozeß der Entspannung. Es ist nur schwerlich
erklärbar, einen Krieg um die Menschenrechte in einem Nicht-NATO-Land
zu führen, eine von Experten als Drogen-, Mafia- und Terrortruppe
bezeichnete UCK als Befreiungsarmee anzuerkennen und zu unterstützen
und ausgerechnet mit dem NATO-Land Türkei den »Frieden«
im Kosovo zu sichern.
Setzen Sie sich bitte in dem gleichen Maße für die Menschenrechte
und vor allem für eine Lösung der Kurdistan- Frage in der Türkei
ein, wie Sie dies sehr leidenschaftlich und emotional im Falle der Kosovo-Albaner
getan haben. Es wäre ein wichtiger Schritt.
In dieser Hoffnung sind wir mit freundlichen Grüßen
Monika Morres
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