"Hamburger Extremisten
reagieren mit Protestaktionen auf den Irak-Krieg
Der Krieg der von den USA und Großbritannien angeführten alliierten Streitkräfte gegen den Irak löste erwartungsgemäß unter den verschiedenen extremistischen Gruppen in Hamburg massive Proteste aus. Die Anti-Kriegs-Demonstrationen blieben zunächst überwiegend friedlich. Nach einem Sternmarsch von Hamburger Schülern kam es jedoch zu Ausschreitungen. Erste Demonstrationen am "Tag X" Am 20. März, dem so genannten "Tag X" (Kriegsbeginn), folgten rund 5.500 Teilnehmer, die überwiegend dem bürgerlichen Protestspektrum angehörten, einem Aufruf des orthodox-kommunistisch beeinflussten "Hamburger Forum für Völkerverständigung und Abrüstung", um gegen den Krieg der USA gegen den Irak zu demonstrieren. Hinter diesem Aufruf standen u.a. die PDS und die DKP. Am selben Tag führte auch das "Antikriegsbündnis", dem vorwiegend Autonome und Antiimperialisten (Antiimps) angehören, unter dem Tenor "Stoppt den Krieg" eine Demonstration vom S-Bahnhof Sternschanze zum US-Generalkonsulat an der Außenalster durch, an der bis zu 1.600 Menschen teilnahmen. Vor der Absperrung zum Generalkonsulat verschärfte sich die Situation kurzzeitig, als mehrere hundert Demonstranten auf die Polizeikette zuliefen, einzelne Demonstranten mit Flaschen warfen und mit Pyro-Waffen in die Luft schossen. Großdemonstration des "Hamburger Forums" Für den 22.03. hatte das "Hamburger Forum" eine weitere Großdemonstration angemeldet. Im Vergleich zu 1991, als sich am ersten Wochenende nach dem Beginn der Operation "Desert Storm" 16.000 Menschen in der Hamburger Innenstadt versammelt hatten, fiel die Teilnahme diesmal deutlich geringer aus: Insgesamt zählte die Polizei rund 10.000 Demonstranten. Darunter befand sich eine über 300 Personen starke Gruppe von gewaltbereiten Linksextremisten, so genannten "erlebnisorientierten" Jugendlichen und ebenfalls aggressiv auftretenden Arabern. Außer einer Sachbeschädigung und leichten Rangeleien mit der Polizei kam es jedoch zu keinen weiteren nennenswerten Störungen. Neonazis protestieren gegen "US-Terror" Auch die Hamburger Neonazi- und Skinhead-Szene mobilisierte für den "Tag X", um gegen den "US-Terror" zu protestieren. Zu einer Demonstration am S-Bahnhof Wandsbeker Chaussee hatten sich in den Abendstunden des 20.03. allerdings nur etwa 80 Rechtsextremisten eingefunden. Die Polizei gestattete wegen der geringen Teilnehmerzahl keinen Aufzug, sondern nur eine stationäre Kundgebung. Da die Gruppe den Auflagen der Polizei nicht nachkommen wollte, wich sie zum U-Bahnhof Wandsbek-Gartenstadt aus. Der anschließende Versuch, von dort aus in Richtung Bramfeld zur Zentrale von "Coca Cola" zu marschieren, wurde von der Polizei unterbunden. Gegen 21:00 Uhr stoppte die Polizei die Neonazis erneut am U-Bahnhof Jungfernstieg, als sie sich dort zu einem neuen Protestmarsch formieren wollten. Die Beamten nahmen vier Personen vorübergehend fest und 40 in Gewahrsam. Am 22.03. nutzten Angehörige der Bramfelder Neonazi- und Skinhead-Szene einen bereits seit längerem angemeldeten Infotisch in der Hertastraße zur Agitation gegen den Irak-Krieg. Newroz-Demonstrationen des KADEK verliefen ohne Zwischenfälle Der Beginn des Krieges fiel auch zeitlich zusammen mit dem kurdischen Newroz-Fest. Der KADEK (ehemals PKK) führte zu diesem Anlass am 20.03. einen Aufzug mit 120 Teilnehmern in Hamburg durch und nahm die Gelegenheit wahr, gegen den befürchteten Einmarsch der türkischen Armee in den Nord-Irak zu demonstrieren. Der Aufzug verlief ohne Zwischenfälle. Auch die bundesweite Newroz-Demonstration am 22.03. in Frankfurt/Main, an der 27.000 Kurden teilnahmen, davon 1.200 aus der Metropolregion Hamburg, nahm einen friedlichen Verlauf. Von islamistischen Organisationen und Gruppierungen waren bisher keine öffentlichen Reaktionen zu vernehmen. Schülerdemonstration gegen den Irak-Krieg am 24.03. in der Hamburger Innenstadt Nach einer Großdemonstration von Hamburger Schülern am 24.03. kam es in der Nähe des US-Generalkonsulats zu Auseinandersetzungen mit der Polizei, die nach Polizeiangaben maßgeblich von Jugendlichen ausländischer Herkunft provoziert worden waren. Dabei wurden Steine, Flaschen und andere Gegenstände auf die Polizeibeamten geworfen. Die Polizei nahm 30 überwiegend jugendliche Störer vorübergehend fest, weitere 145 Teilnehmer wurden in Gewahrsam genommen. Wiederholten Aufforderungen, den Platz zu verlassen, wurde nur teilweise Folge geleistet. Die Polizei setzte daraufhin Wasserwerfer ein, um die Versammlung aufzulösen. Aufgerufen zu dieser Demonstration, die zunächst an der SPD-Zentrale in der Kurt-Schuhmacher-Allee endete und danach mit einer neuen Anmeldung und mit weniger Teilnehmern fortgesetzt wurde, hatte die Initiative "Jugend gegen Krieg" (JgK), ein bundesweiter Zusammenschluss lokaler Friedensgruppen. In Hamburg besteht die Gefahr einer Beeinflussung dieser Initiative durch die trotzkistische Vereinigung "Sozialistische Alternative Voran" (SAV). Anhaltspunkte dafür, dass die Ausschreitungen von extremistischen Organisationen oder Gruppen initiiert wurden oder diese daran beteiligt waren, liegen hingegen nicht vor. Bislang keine Anhaltspunkte für Gewaltaktionen von Extremisten Insgesamt sind die ersten Reaktionen der extremistischen Szene nicht heftiger als befürchtet ausgefallen. An der Vorbereitung, Organisation und Durchführung der Demonstrationen waren Linksextremisten maßgeblich beteiligt. Im Vordergrund der Veranstaltungen stand jedoch die von großen Teilen der Bevölkerung geteilte Kritik am Irak-Krieg. Ob die Proteste zunehmen und ob militante Islamisten oder deutsche Extremisten möglicherweise zu gewalttätigen Aktionen übergehen, hängt nicht zuletzt von der Dauer und Härte des Konflikts ab. Insbesondere in der islamistischen Szene hat sich die Stimmung gegen die USA weiter aufgeheizt und könnte sich auch in Hamburg in spontanen Gewalttaten entladen. Konkrete Anhaltspunkte liegen jedoch dafür gegenwärtig nicht vor. Die Gefährdung der inneren Sicherheit durch militante Islamisten und terroristisch aktive Gruppen ist als unverändert hoch einzuschätzen und wird durch den Irak-Konflikt nicht wesentlich verschärft. Ein zusätzlicher Unsicherheitsfaktor ist allerdings der KADEK. Sollte die Türkei als Kriegspartei in den Konflikt im Nordirak eingreifen, könnte es auch in Deutschland zu Gewalttaten gegen türkische Einrichtungen kommen. Stand: 26.03.2003" |