Verwirrspiel um Naziaufmarsch in Leipzig
Antifaschisten wollen am 1. Mai NPD/JN blockieren
Weiterhin unklar ist, ob die Verbotsverfügung der Stadt Leipzig gegen den geplanten NPD/JN-Aufmarsch am 1. Mai vor dem Oberverwaltungsgericht (OVG) Bautzen Bestand haben wird. Gegen die Verbotsbestätigung durch das Verwaltungsgericht Leipzig hat die NPD Beschwerde eingelegt. Mit der endgültigen Entscheidung ist nicht vor Donnerstag abend zu rechnen. 1997 erging die Bestätigung des Verbots des NPD-Aufmarsches durch das OVG Bautzen am späten Abend des Vortages. Die NPD kann sich darauf berufen, eine zugelassene Partei zu sein und auf den Wahlkampfcharakter ihrer Veranstaltung verweisen.
Über sogenannte Nationale Infotelefone wird weiterhin zur Teilnahme an der Kundgebung am Völkerschlachtdenkmal unter dem demagogischen Motto »Arbeitsplätze zuerst für Deutsche« aufgerufen. Die Nazis beabsichtigen, vom alten Messegelände durch den Leipziger Stadtteil Stötteritz zum Völkerschlachtdenkmal zu marschieren.
Das Leipziger »Bündnis gegen Rechts« schätzt ein, daß das Verbot keinen Bestand haben wird und ruft dazu auf, mit den Mitteln des zivilen Ungehorsams die Route der Nazi-Demo zu blockieren. Angesichts der Wahlerfolge der rechtsextremistischen DVU bei den Wahlen im benachbarten Sachsen-Anhalt hält es das Bündnis für um so dringender zu verhindern, die Nazis am 1. Mai Stärke demonstrieren zu lassen. Die Leipziger »Initiative 1. Mai ohne Naziaufmarsch«, ein Zusammenschluß antifaschistischer Organisationen, darunter das »Bündnis gegen Rechts«, will mit dezentralen Veranstaltungen entlang der Nazi-Route den Aufmarsch verhindern. Zu diesem Zweck plant die IG Metall für die Zeit von 8 bis 12 Uhr eine Kundgebung am Völkerschlachtdenkmal. Die PDS sowie verschiedene andere Organisationen haben Veranstaltungen entlang der von der NPD angemeldeten Strecke sowie an anderen relevanten Orten angemeldet. Am Vorabend des 1. Mai findet ein Rock-gegen-Rechts-Konzert am Völkerschlachtdenkmal statt. Die Kölner Gruppe BAP sowie X-perience, Messer Banzani, die Maßlosen und weitere haben ihr Kommen zugesagt.
Sollte das Verbot der NPD-Veranstaltung Bestand haben, ist nach Angaben einer Vertreterin des »Bündnisses gegen Rechts« davon auszugehen, daß die NPD auch kurzfristig in der Lage ist, ihre Anhänger in Städte im weiteren Umkreis von Leipzig zu dirigieren. Die rechtsextreme JN behauptet über Infotelefon, für den Verbotsfall bereits eine Kundgebung an ungenanntem Ort angemeldet zu haben. Auf einer Informationsveranstaltung am Dienstag abend in Berlin nannte eine Antifaschistin Dresden, Halle und Magdeburg als mögliche Ausweichorte. Sie appellierte an die Bereitschaft zur Flexibilität der Antifaschisten. Es gehe darum, genau dort zu protestieren, wo die Nazis aufmarschieren. Daß die Nazis auf eine Kundgebung unter freiem Himmel verzichten und sich beispielsweise in eine der Messehallen zurückziehen, gilt als sehr unwahrscheinlich.
Die NPD will möglicherweise am 1. Mai im thüringischen Gera demonstrieren, falls das Verbot für Leipzig vom OVG bestätigt wird. Wie eine Sprecherin der örtlichen Polizei sagte, meldete die NPD dort eine Kundgebung mit bis zu 6 000 Teilnehmern an. Eine entsprechend große Demonstration meldete die Partei, Polizeiangaben zufolge, auch in Halle/Saale in Sachsen-Anhalt an. Der Zug soll vom Riebeckplatz zum Marktplatz und wieder zurück führen. Die Behörden der Saalestadt prüfen ein Verbot.
Informationen über Verbote von antifaschistischen Veranstaltungen am 1. Mai liegen bisher nicht vor.
Christoph Laubscher Junge Welt, 30.04.1998
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