Heute ist der 1.September, an dem sich zum 64. Mal der Überfall
Deutschlands auf Polen jährt.
Und wie in jedem Jahr wird aus diesem Grund an diesem Datum der
Weltfriedenstag begangen.
Wir haben uns deshalb heute versammelt, um gegen die deutschen
Ambitionen im Rahmen der Europäischen Union zu demonstrieren, die
- begleitet von scheinheiliger Friedensmoral - an alte
Großmachtträume anknüpfen.
Der Angriff auf Polen am 1.9.1939 bedeutete den Beginn des Zweiten
Weltkrieges. Dieser kostete in seiner Folge sechzig Millionen
Menschen das Leben und durch die nationalsozialistischen Projekte
der Judenvernichtung und des „Rassenkrieges“ stellt er ein vorher,
in dieser Form nie da gewesenes, historisches Ereignis dar.
Mit dem Sieg der Alliierten ist das geteilte Deutschland zunächst
wirtschaftlich und außenpolitisch geschwächt worden.
Doch durch die Wiedervereinigung fand Deutschland zu neuer Stärke
zurück und ist nun wieder auf der weltpolitischen Bühne aktiv, was
das Führen von Kriegen mit einschließt. Dabei lassen sich die
wieder erwachten Großmachtträume am besten im Rahmen einer starken
Europäischen Union erfüllen. Aber natürlich agiert Deutschland
auch wieder eigenständig. Zur Legitimation der Interventionen muss
hierbei mehr und mehr die eigene Geschichte herhalten.
Aus dem 2.Weltkrieg, dem Massenmord an Jüdinnen und Juden, wird so
der Schluss gezogen, dass Deutschland heute die moralische
Verpflichtung hätte andere Länder, wie zum Beispiel Jugoslawien
anzugreifen. Unter dem moralischen Vorwand ein weiteres Auschwitz
oder den nächsten Hitler zu verhindern, werden imperiale
Ambitionen verwirklicht.
Neben der Tatsache, dass der Holocaust als Begründung für
außenpolitische Eingriffe dienen muss, entledigen sich die
Deutschen zugleich der Unvergleichlichkeit ihrer eigenen Schuld.
Intellektuelle wie Habermas tragen zur Transformation von
Auschwitz in eine europäische Erfahrung bei und versuchen damit
das Bewußtsein für das angeblich gemeinsam erfahrene Leid zu
stärken.
Doch nicht nur aus der Lehre der beiden Kriege wird eine tolerante
europäische Einheit halluziniert. Denn daneben muss gerade die
Verschiedenheit in Kultur und Sprache als Begründung für ein
geschlossenes Europa herhalten, welches sich angeblich immer für
Menschenrechte und Gleichheit einsetzt hat.
Auf diesem Konstrukt baut auch noch die gemeinsame europäische
Identität auf.
Die besondere Betonung der ethischen Grundwerte dient dabei vor
allem zur Abgrenzung von den Vereinigten Staaten. Um sich von
deren militärischer Übermacht und den daraus resultierenden Formen
der Intervention zu unterscheiden, verweist man gerne auf das
europäische Konzept angeblich „zivilerer Konfliktlösung“. Auch
wenn das natürlich nicht bedeutet, den Krieg als Mittel
abzulehnen, denn immerhin hat Deutschland nach den USA die meisten
Truppen im Ausland stationiert, wird die europäische Strategie
bewusst als Alternative zur aggressiveren US-Außenpolitk
dargestellt. Das diese moralische Argumentation einen plötzlichen
Aufwind erlebt, liegt wohl im Wesentlichen daran, dass Deutschland
und die EU militärisch weit abgeschlagen sind. Zwar wird die
Rüstungsindustrie zunehmend mehr gefördert und man versucht mit
einer europäischen Interventionsarmee erste Ansätze innerhalb
einer gemeinsamen Verteidigungspolitik zu schaffen, doch zurzeit
und in den nächsten Jahrzehnten wird man sich wohl kaum mit den
USA vergleichen oder gar messen können. Deshalb geht es im Grunde
weiterhin um die Suche nach zivilen Mitteln und Methoden um
Einfluss auch gegenüber den USA ausüben zu können. Nur Europa als
Gegenmacht könne es schaffen die USA am Zaum zu halten und
friedensstiftende Institutionen wie die UNO zu schützen. Die
Konfrontation von ‚old europe‘ mit den USA im Vorfeld des
Irakkrieges zeigt, welches Souveränität Deutschland wiedererlangt
hat. Aber nicht nur militärisch möchte sich ‚Deutsch- Europa‘
abgrenzen. So wird von amerikanischen raubtierhaften Zuständen
gesprochen und der angeblich soziale und auf Gleichheit bedachte
Kapitalismus Deutschlands hochgehalten.
Vor allem die Zivilgesellschaft wehrte sich auf den Friedensdemos
nicht nur gegen den Krieg, sondern auch – wie sollte es auch
anders sein - gegen ‚das Böse‘ schlechthin, also die USA. Man
glaubt sich in einer solidarischen Gemeinschaft und betont immer
wieder die eben beschriebenen Unterschiede.
Aufgrund dieser ideellen Basis verkriecht sich die
Friedensbewegung mit ihren antiamerikanischen Vorurteilen dann
auch in ihre Löcher, wenn Deutschland in Jugoslawien oder im Kongo
aktiv wird. Operiert jedoch die USA militärisch, bringt dies
Millionen von Menschen auf die Straße.
Wir demonstrieren heute an diesem geschichtsträchtigen 1.
September, der an die mörderische Umsetzung deutscher
Großmachtphantasien erinnern soll, gegen Deutsch-Europa und seine
Befürworterinnen und Befürworter.
Denn für uns steht fest, dass wir uns weder einer
zivilgesellschaftlichen Bewegung, die die Großmachtambitionen mit
trägt, anschließen, noch das Projekt Europa, in dem Deutschland
nun wieder seine Weltmachtrolle geltend machen kann, unterstützen
werden. Wir lehnen dieses somit kategorisch ab.
Die zukünftige supranationale Nation unterscheidet sich nicht von
einem üblichen Nationalstaat, in dem mit Gesetz und Gewalt die
kapitalistische Ordnung und damit einhergehend die Verwertung des
Menschen aufrechterhalten wird. Da wir die kapitalistische
Grundordnung als solches bekämpfen, ergibt sich auch eine
Ablehnung gegenüber Kampagnen für ein besseres oder sozialeres
Deutschland. Denn innerhalb dieses Systems ist nichts zu holen.
Für eine antideutsche Linke, gegen Kapitalismus und Arbeit
fight europe, fight the system |