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Redebeitrag BGR 1.9.2003
Zur Demonstration "Kein Frieden mit Deutschland"
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Heute ist der 1.September, an dem sich zum 64. Mal der Überfall Deutschlands auf Polen jährt.  Und wie in jedem Jahr wird aus diesem Grund an diesem Datum der Weltfriedenstag begangen.  Wir haben uns deshalb heute versammelt, um gegen die deutschen Ambitionen im Rahmen der Europäischen Union zu demonstrieren, die - begleitet von scheinheiliger Friedensmoral - an alte Großmachtträume anknüpfen.

Der Angriff auf Polen am 1.9.1939 bedeutete den Beginn des Zweiten Weltkrieges. Dieser kostete in seiner Folge sechzig Millionen Menschen das Leben und durch die nationalsozialistischen Projekte der Judenvernichtung und des „Rassenkrieges“ stellt er ein vorher, in dieser Form nie da gewesenes, historisches Ereignis dar.
Mit dem Sieg der Alliierten ist das geteilte Deutschland zunächst wirtschaftlich und außenpolitisch geschwächt worden.
Doch durch die Wiedervereinigung fand Deutschland zu neuer Stärke zurück und ist nun wieder auf der weltpolitischen Bühne aktiv, was das Führen von Kriegen mit einschließt. Dabei lassen sich die wieder erwachten Großmachtträume am besten im Rahmen einer starken Europäischen Union erfüllen. Aber natürlich agiert Deutschland auch wieder eigenständig. Zur Legitimation der Interventionen muss hierbei mehr und mehr die eigene Geschichte herhalten.

Aus dem 2.Weltkrieg, dem Massenmord an Jüdinnen und Juden, wird so der Schluss gezogen, dass Deutschland heute die moralische Verpflichtung hätte andere Länder, wie zum Beispiel Jugoslawien anzugreifen. Unter dem moralischen Vorwand ein weiteres Auschwitz oder den nächsten Hitler zu verhindern, werden imperiale Ambitionen verwirklicht.
Neben der Tatsache, dass der Holocaust als Begründung für außenpolitische Eingriffe dienen muss, entledigen sich die Deutschen zugleich der Unvergleichlichkeit ihrer eigenen Schuld. Intellektuelle wie Habermas tragen zur Transformation von Auschwitz in eine europäische Erfahrung bei und versuchen damit das Bewußtsein für das angeblich gemeinsam erfahrene Leid zu stärken.

Doch nicht nur aus der Lehre der beiden Kriege wird eine tolerante europäische Einheit halluziniert. Denn daneben muss gerade die Verschiedenheit in Kultur und Sprache als Begründung für ein geschlossenes Europa herhalten, welches sich angeblich immer für Menschenrechte und Gleichheit einsetzt hat.

Auf diesem Konstrukt baut auch noch die gemeinsame europäische Identität auf.
Die besondere Betonung der ethischen Grundwerte dient dabei vor allem zur Abgrenzung von den Vereinigten Staaten. Um sich von deren militärischer Übermacht und den daraus resultierenden Formen der Intervention zu unterscheiden, verweist man gerne auf das europäische Konzept angeblich „zivilerer Konfliktlösung“. Auch wenn das natürlich nicht bedeutet, den Krieg als Mittel abzulehnen, denn immerhin hat Deutschland nach den USA die meisten Truppen im Ausland stationiert, wird die europäische Strategie bewusst als Alternative zur aggressiveren US-Außenpolitk dargestellt. Das diese moralische Argumentation einen plötzlichen Aufwind erlebt, liegt wohl im Wesentlichen daran, dass Deutschland und die EU militärisch weit abgeschlagen sind. Zwar wird die Rüstungsindustrie zunehmend mehr gefördert und man versucht mit einer europäischen Interventionsarmee erste Ansätze innerhalb einer gemeinsamen Verteidigungspolitik zu schaffen, doch zurzeit und in den nächsten Jahrzehnten wird man sich wohl kaum mit den USA vergleichen oder gar messen können. Deshalb geht es im Grunde weiterhin um die Suche nach zivilen Mitteln und Methoden um Einfluss auch gegenüber den USA ausüben zu können. Nur Europa als Gegenmacht könne es schaffen die USA am Zaum zu halten und friedensstiftende Institutionen wie die UNO zu schützen. Die Konfrontation von ‚old europe‘ mit den USA im Vorfeld des Irakkrieges zeigt, welches Souveränität Deutschland wiedererlangt hat. Aber nicht nur militärisch möchte sich ‚Deutsch- Europa‘ abgrenzen. So wird von amerikanischen raubtierhaften Zuständen gesprochen und der angeblich soziale und auf Gleichheit bedachte Kapitalismus Deutschlands hochgehalten.
Vor allem die Zivilgesellschaft wehrte sich auf den Friedensdemos nicht nur gegen den Krieg, sondern auch – wie sollte es auch anders sein - gegen ‚das Böse‘ schlechthin, also die USA. Man glaubt sich in einer solidarischen Gemeinschaft und betont immer wieder die eben beschriebenen Unterschiede.
Aufgrund dieser ideellen Basis verkriecht sich die Friedensbewegung mit ihren antiamerikanischen Vorurteilen dann auch in ihre Löcher, wenn Deutschland in Jugoslawien oder im Kongo aktiv wird. Operiert jedoch die USA militärisch, bringt dies Millionen von Menschen auf die Straße.
Wir demonstrieren heute an diesem geschichtsträchtigen 1. September, der an die mörderische Umsetzung deutscher Großmachtphantasien erinnern soll, gegen Deutsch-Europa und seine Befürworterinnen und Befürworter.
Denn für uns steht fest, dass wir uns weder einer zivilgesellschaftlichen Bewegung, die die Großmachtambitionen mit trägt, anschließen, noch das Projekt Europa, in dem Deutschland nun wieder seine Weltmachtrolle geltend machen kann, unterstützen werden. Wir lehnen dieses somit kategorisch ab.
Die zukünftige supranationale Nation unterscheidet sich nicht von einem üblichen Nationalstaat, in dem mit Gesetz und Gewalt die kapitalistische Ordnung und damit einhergehend die Verwertung des Menschen aufrechterhalten wird. Da wir die kapitalistische Grundordnung als solches bekämpfen, ergibt sich auch eine Ablehnung gegenüber Kampagnen für ein besseres oder sozialeres Deutschland. Denn innerhalb dieses Systems ist nichts zu holen.

Für eine antideutsche Linke, gegen Kapitalismus und Arbeit
fight europe, fight the system

BGR Leipzig (Bündnis gegen Realität)
 

subpage last updated: 02. September 2003