You think you’ve got
The baddest scene
But you you don’t know
What the baddest means
So don’t tell stories
That aren’t true
’Cause when you come around
You’ll have something to prove
(Slapshot) |
Die Kunst des Zitats
Manchmal
scheint es, als sei Zitieren eine Tätigkeit bei der Wörter aus
einem Text in einen anderen eingefügt werden. So zitieren etwa
Mario und Sören im Cee Ieh 102 Karl Marx: „Sowenig man das,
was ein Individuum ist, nach dem beurteilt, was es sich selbst
dünkt, ebensowenig kann man eine (...) Umwälzungsepoche aus
ihrem Bewußtsein beurteilen, sondern muß vielmehr dies
Bewußtsein aus den Widersprüchen des materiellen Lebens, aus
dem vorhandenen Konflikt zwischen gesellschaftlichen
Produktivkräften und Produktionsverhältnissen erklären.“ Um
daraus dann selbst zu schlußfolgern: „Es geht also gerade
darum, das Geschwafel von WKK, BgR u.a. materialistisch, das
heißt ideologiekritisch zu erden, also die Relation von
objektivem Handeln und subjektiver Verlautbarung
herzustellen“. Und hier offenbart sich auch schon ein Problem
mit diesem Verständnis von Zitieren. Zweifelsohne stimmen die
Worte, aber was sagen sie? Marx erklärt, daß analog zu der
Banalität, ein Mensch solle nicht nur nach seinen Worten
beurteilt werden, auch gesellschaftliche Verhältnisse nicht
nach den Verlautbarungen beurteilt werden dürfen, die sie
hervorbringen. Statt dessen sei der Konflikt, der sie antreibt
zu untersuchen. Was aber folgern Mario und Sören daraus? Sie
interessieren sich nur für die Banalität und wiederholen sie.
Weil sie aber den entfalteten Zusammenhang, den sie zitieren,
nicht begriffen haben, vermischen sie die Banalität mit Reden
über den Materialismus, der sich bei ihnen in der Betrachtung
der Taten erschöpft. Am Ende bleibt eine verdoppelte
Banalität, die durch einen falschen Zusammenhang plausibel
geworden sein soll. Die mit dieser Methode des Zitierens
demonstrierte Schwäche, beim Lesen von Texten nicht mehr als
nur Fragmente aufnehmen zu können, sollte zur Vorsicht
gemahnen, nicht nur wenn Zitate die Autorität eines Textes
aufbessern helfen sollen, sondern vor allem, wenn Meinungen
zitiert werden, denen Kritik gilt. Vielleicht wurden auch
diese nur halb oder falsch verstanden, was nicht immer wie im
dargestellten Fall schon durch das Zitat selbst kenntlich
werden muß. Wir würden das hier nicht so ausbreiten, wenn wir
nicht in diesem Heft immer wieder zitiert würden. In letzter
Zeit erneut mit zunehmender Häufigkeit - und oft falsch oder
nur halb verstanden. Da andererseits meist nicht alles falsch
ist, was sich die Texte verfassenden Personen so denken, sehen
wir uns gezwungen, wieder etwas Klarheit bezüglich unserer
Aussagen zu schaffen. Wir wollen also zumindest die gröbsten
Mißverständnisse aus der Welt räumen und nebenbei die ein oder
andere Position beziehen.
Das Verhältnis zur
Friedensbewegung
Beginnen wir
mit einem unserer Fehler. Der Mobilisierung zu einer eigenen
Demonstration am Tag X in Leipzig lag eine gründliche
Fehleinschätzung zugrunde. Der Glaube, mit einer eigenen
Position gegen den beginnenden Krieg linke Gruppen von der
Beteiligung an der Friedensbewegung abhalten zu können,
entpuppte sich als naiv. Bei der unmittelbar anschließenden
Aktion gegen diese Friedensbewegung zeigte sich, daß das
Demonstrationsbündnis nichts wert war und wir uns auf
verschiedenen Seiten befanden. Es sei allen, die das
vorhergesehen haben, das Recht zugestanden, zu sagen, das
hätten wir wissen können oder sollen. Ihr Fehler beginnt, wenn
aus dieser Kritik eine tiefergehende Analyse herbeigezaubert
wird. Dann wird nicht mehr kritisiert, daß das Engagement
gegen die Friedensbewegung stärker hätte ausfallen müssen und
die Durchführung einer eigenen Aktion im
Friedensbewegungspluralismus untergehen mußte, dann wird
vielmehr unterstellt, es sei das Ziel gewesen, Teil dieser
Friedensbewegung zu werden. Dieser Analyse folgend wird
weiterhin vorausgesagt, dieses Ziel bestünde mehr oder minder
heimlich fort.
Um das behaupten zu können, müssen nicht nur die Texte
ignoriert werden, die wir seit dem zum Thema veröffentlicht
haben (vgl. etwa das Referat von Phase 2 auf dem SPOG-Kongreß
in München, das sich explizit gegen die Zusammenarbeit mit
Friedens- oder Globalisierungsbewegung richtet). Es muß auch
die Intention der von uns organisierten Demonstration
ausgeblendet bleiben. Und vor allem ist die Leistung zu
erbringen, unser tatsächliches Engagement gegen die
Friedensbewegung aus dem Bewußtsein zu tilgen. Statt dessen
wird, um es mit einem inzwischen geflügelten Wort zu sagen,
gelogen, gelogen und gelogen. So schreiben Mario und Sören:
„In dem Papier ‚So nicht’ heißt es in puncto Übergriffe auf
Antideutsche: ‚Linksradikale Gesellschaftskritik, die das
Streben nach sozialer Emanzipation nicht völlig aufgegeben
hat, kann derartig regressive Tendenzen (!) nicht
dulden (und jetzt anschnallen, die inhaltliche Distanzierung
des BgR von linken Antisemiten und Antikommunisten) oder
ohne Abgrenzung gemeinsam mit ihren VertreterInnen
demonstrieren. Wenn aus antiamerikanischem Ressentiment
und deutsch-nationaler Motivation gehandelt wird, dann
bestehen für eine kommunistische Praxis keine politischen
Anknüpfungspunkte.’ (Herv. d.A.) So sieht also eine
‚Abgrenzung’ linker Bewegungsfetischisten aus: Immer auf der
Suche nach ‚Anknüpfungspunkten’.“ In dem zitierten Abschnitt
geht es wieder mal um etwas anderes als behauptet wird. Es
geht um das Verhalten des Demonstrationsbündnisses zu den
Übergriffen. Was die beiden gegen uns mit Elan vertreten
wollen, daß es in der Friedensbewegung keine Suche nach
Anknüpfungspunkten geben kann, erklären wir in diesem Absatz
jenen, mit denen sich ein Bündnis nicht schließen ließ und
läßt, weil sie es nicht kapieren wollen.
Auch ein anderer Abschnitt aus „So nicht“, der sich gegen jene
richtet, die die Übergriffe verteidigen wollen, wird ähnlich
mißverstanden: „‚Selbst wenn wir der anstürmenden Meute
euphemistisch eine Artikulation der eigenen Kritik an den
Positionen der AKG unterstellen, so entbehrt diese Form der
Auseinandersetzung jeglicher Unterstützung unsererseits.
Kritik kann und muß sich anders äußern.’ Die Autoren des
vorliegenden Textes stellen dagegen in aller Deutlichkeit
fest: 1. Wer sich so öffentlich bezüglich übler Antisemiten
äußert und mit Liebesentzug (‚jeglicher Unterstützung’) droht,
ist Teil des Problems, weil er sich – auch wider Willen – mit
dem Pack gemein macht, denn nur wer grundsätzlich
‚Unterstützung’ leisten will, kann mit der Versagung selbiger
drohen. 2. Solches Pack gehört nicht kritisiert, wie es
vielleicht dem BgR vorschweben mag, sondern rücksichtslos
bekämpft wie jede andere faschistische Gefahr auch. 3. Das
bedeutet zugleich, ihnen keinerlei Rückzugsgebiet oder ruhiges
Hinterland zu gewähren, wie es in Leipzig in unterschiedlicher
Form insbesondere das BgR und die Zeitschrift Incipito
praktizieren“. Das die „euphemistische“ Interpretation nicht
unsere ist, kann, wer will, in „So nicht“ lesen: „Die Mehrheit
der recht wütenden DemonstrantInnen hatte wohl nicht die
Kritik am Transparent ‚Hinter dem Ruf nach Frieden verschanzen
sich die Mörder!’ der AKG im Sinn, als ein größerer Mob auf
eben jenes zustürmte. Eine klar antisemitische Motivation
legen erklungene ‚Scheiß Juden’ Rufe nahe. Auch waren sich die
FriedensdemonstrantInnen nicht zu schade, einzelne
AktivistInnen als ‚Judensau’ zu bezeichnen. Die artikulierte
Solidarität mit Israel und die Unterzeile des Transparentes
‚Die antiamerikanische und antizionistische Internationale
stoppen.’ dürften also viel eher handlungsleitend gewesen
sein. Die um das Transparent wehenden roten und israelischen
Fahnen taten wohl ihr übriges. Diese Vorkommnisse lassen
unsere Forderung nach der Notwendigkeit eines Angriffs gegen
den antiamerikanischen Konsens plastisch werden.“
Nun können die beiden zwar sagen, die im Bündnis vertretenen
Gruppen seien alle um keinen Deut besser als die unmittelbar
angreifenden und an sie sei deshalb auch nicht das Wort zu
richten, um ihnen zu erklären, warum das Bündnis mit ihnen
eine Farce war und folglich aufzukündigen sei. Wir halten eine
solche Erklärung aber gerade nach dem offenkundigen Scheitern
des Bündnisses an diesen Fragen für notwendig. Daraus folgt
nicht, um das hier noch einmal explizit zu sagen, daß aus der
Hoffnung auch andere davon überzeugen zu können, das Richtige
zu tun, folgt, daß wir Bündnisse im Stile des Tages X
anstreben. Die damit verknüpfte Strategie eines Hineinwirkens
auch nur in die linken Teile von Friedens- und
Antiglobalisierungsbewegung ist zum Scheitern verurteilt. Ihr
ist eine Strategie der Polarisierung vorzuziehen, die sich an
den politisch entscheidenden Grundpositionen orientiert.
Darin, was diese Grundpositionen sind, unterscheidet sich
unsere Position allerdings manchmal von der Überzeugung
unserer KritikerInnen.
Ein entscheidender Grund für die Organisation einer eigenen
Demonstration am Tag X war das Verhältnis zum Irakkrieg. Das
heißt, es ging weder darum, „die bewegten Massen dort
abzuholen, wo sie stehen“ („Die Linke macht Staat“-Flugblatt
der AKG), noch „an die Hebel der Politik, welche nicht mit
radikaler Kritik, sondern nur mit den Massen erreichbar sind“
(ebd.) zu gelangen. Die Demonstration entstand vielmehr aus
einer Ablehnung dieses Krieges. Und das nicht einfach, weil
wir jeden Krieg ablehnen, obwohl wir wohl immer Probleme damit
haben werden, vom Schreibtisch aus einen Krieg „irgendwo da
unten“ gut zu finden. Entscheidend war vielmehr die dahinter
stehende Position, daß aus einer linksradikalen Position immer
zunächst die Alternativen befürwortet werden sollten, die
einer Emanzipation zuträglich sind, ohne das Menschen sterben
müssen (Unterstützung entsprechender gesellschaftlicher
Kräfte, Öffnung von Migrationswegen, Kampf gegen die deutsche
Unterstützung des Baathregimes, ...). Diese Position hat mit
dem deutschen Friedenswillen nicht viel zu tun. Mehr noch, aus
ihr heraus veranstalteten wir am Tag als die Saddamstatuen in
Bagdad fielen und die AKG laut eigenem Bekunden die zweite
Wahl ihrer Alkoholika konsumierten (vgl. „Die Linke macht
Staat“), eine Diskussion mit Exliierten des Irakregimes, in
der diese mehrheitlich den Krieg und den Sieg der Alliierten
begrüßten. Heute ist bei uns, wie bei allen anderen, das
Interesse an der Emanzipation im Irak wieder verschwunden, was
nahe legt, daß wir auch damals schon die Organisation einer
expliziten auf Vermutungen beruhenden Antkriegsdemonstration
hätten unterlassen sollen - und dafür besser nur das Richtige
getan hätten. Das Richtige ist neben, der Auseinandersetzung
mit den obigen Punkten, „gegen antiamerikanische Aufmärsche
vorgehen, um das Bedürfnis nach deutscher Gemeinschaft
anzugreifen“ („Die Linke macht Staat“).
Allerdings können wir der AKG nicht zustimmen, wenn sie die
konkrete Analyse der deutschen Verhältnisse als bloße
Politikwissenschaft denunziert. Wer zu den Wechseln von
Kriegsbegeisterung (Jugoslawien) und Friedensliebe (Irak)
außer Volksgemeinschaft nichts zu sagen weiß, wandelt auch
„nicht auf den Wegen der Kritik der Politischen Ökonomie“
(„Die Linke macht Staat“). Ein erster Versuch aus dem Umkreis
der AKG einer Analyse, die über die Feststellung des
Charakters der Massenbewegung hinausgeht, erschien erst in
Phase 2.09, ohne unserer Antwort in Phase 2.10 vorzugreifen,
können wir allerdings hier schon sagen, daß die
Auseinandersetzung mit Strategien auf dem Weg Deutschlands zur
Weltmacht für uns die Voraussetzung ist, aus einem
antideutschen Bekenntnis eine antideutsche Position zu machen.
Wer glaubt, eine Analyse biedere sich an eine Bewegung an, nur
weil sie die Bewegung so nennt, wie diese sich selbst, sollte
die Reaktionen auf unsere Zivilgesellschaftsanalyse zur
Kenntnis nehmen. Bis weit hinein in die Reihen derer, die sich
heute als KommunistInnen fühlen, stößt gerade die Kritik unter
diesem Label auf Ablehnung, weil sie deren Strategien in Frage
stellt. Ein Mißverständnis ist es in diesem Zusammenhang auch,
davon auszugehen, wir glaubten mit unseren Flugblättern Massen
zu erreichen oder gar aufzuklären. Wir vertreten nicht den
Ansatz der Agitation.
Unsere Flugblätter dokumentieren den Stand unserer Analyse und
die Gründe für unser Handeln. Deshalb sollen sie auch nicht
die deutsche Zivilgesellschaft, aufklären, hinweisen oder an
der Ehre packen, wie in „Die Linke macht Staat“ unterstellt
wird, schon gar nicht, um ihr nahezulegen, sie sei nur das
Ergebnis höherer Mächte. Denn auch wenn wir Strategien zu
identifizieren vermögen, heißt das noch nicht, daß die
Bewegung auf den Straßen sich nicht auch von selbst
zusammenfindet. Das Wechselspiel zwischen Strategien und ihrer
selbsttätigen Verwirklichung ist vielmehr Gegenstand der
Analysen. Aus diesen ergibt sich dann auch der Zusammenhang
zwischen Arbeitskritik, Kritik der Zivilgesellschaft und einer
Europäisierung, die für einen Teil der AKG in Cee Ieh 103 nur
„quirligster Praxisfetischismus“ als „Konsequenz eines trüben
Geistes“ sind, für uns aber mit der aktuellen deutschen
Realität mehr zu tun haben als die Kritik des Islam, die uns
der besagte Teil als Thema verordnen will.
Das Beschweigen der
Ressentiments
Beim Lesen der
Papiere von Mario, Sören und der AKG fällt auf, daß die Kritik
vom Ressentiment bestimmt wird. Zwar merken alle ab und an,
daß wir als Gruppe noch nie einen Massenansatz vertreten
haben, der alle unter einer Fahne sammeln will. Ja, eigentlich
wissen sie, daß das bgr sich immer explizit von
sozial-revolutionären Anwandlungen abgegrenzt hat, selbst um
den Preis von BündnispartnerInnen, die es ihren WählerInnen
oder dem halluzinierten revolutionären Subjekt nicht zumuten
mochten, als Teil eines „rechten Konsens“ oder Angehörige des
„zivilgesellschaftlichen Militarismus“ bezeichnet zu werden.
Doch andererseits verliert sich dieses Wissen immer wieder. Es
werden Zitate zurechtgebogen und eine Kritik wird konstruiert,
auf die zu antworten ermüdend ist, weil Antworten wie dieser
Text nur wiederholen können, was anderen Orts bereits explizit
und besser erklärt worden ist. Wer dann aber auch noch glaubt,
daß wir ein permanentes Interesse am Dialog mit Leuten haben,
die uns offenkundig nicht, halb oder falsch verstehen wollen,
belügt sich selbst.
Obwohl selbst einer der Veranstalter nach dem Referat von
Justus Wertmüller der Meinung war, dieser hätte in seiner
Kritik an den in Leipzig vertretene Positionen vorbeigeredet,
schreiben Mario und Sören: „Eine AKG-Veranstaltung im Mai mit
dem Berliner BAHAMAS-Redakteur Justus Wertmüller im Conne
Island bescherte den Mitgliedern des Leipziger Klüngels aus
WKK, BgR und der Zeitung Incipito Einsichten, die ihnen
schmerzlich bewußt machten, wie sehr ein Moment bitter sein
kann, in dem man die Wahrheit über sich selbst erfährt und die
man erschrocken beschweigt – sie also dadurch bravourös
belegt, daß man sich getroffen zeigt. Es waren knapp hundert
Anwesende, die Maulaffen feil boten, als der Wertmüller nicht
seine Meinung geigte, sondern ihnen ihre eigene Melodie
vorsang. Und nicht wenige Leipziger Linke taten zum ersten Mal
seit langem etwas Richtiges: sie schwiegen einfach; und das
war auch klug so.“ Aber was soll auch noch richtig gestellt
werden, wenn der Referent nicht einmal bgr-Positionen oder
Phase 2 für seine Behauptungen zitiert, obwohl er selbst das
zum Kriterium seiner Kritikstrategie erhebt. Ein Erschrecken
mag da gewesen sein, aber sicher nicht angesichts der
„Wahrheit über sich selbst“, sondern wegen des Niveaus der
Kritik.(2)
Statt Zitate in einem sinnerhaltenden Zusammenhang zu
präsentieren, schlagen sich Mario und Sören gefolgt vom
erwähnten Teil der AKG mit der Frage herum, was sie eigentlich
wollen. Das geht schließlich bei Mario und Sören soweit: „Es
geht also um die Betonung des Unterschiedes zwischen
konsequenzlos idealistischem Gefasel und materialistischer
Erdung. Das heißt, Kritik als der konkrete Versuch der
Abschaffung von etwas zielt tatsächlich in erster Linie
darauf, wie Marx schrieb, den Gegenstand als ihren ‚Feind’ zu
betrachten, ‚den sie nicht widerlegen, sondern vernichten
will’, und damit eben nicht einfach nur auf den Text, sondern
vor allem auf den Autor.“ Es macht etwas ratlos, wie leicht
hier antideutschen Deutschen die Vokabel Vernichtung mit Bezug
auf Menschen über die Lippen geht. Wir hoffen deshalb, daß
dieser Formulierungsfehler sich dazu relativiert, daß dem
„Gegenstand dadurch gerecht zu werden“ gehofft wird, daß „die
mutmaßlich kritischen Geister von WKK und BgR usf. zum
Schweigen gebracht werden“. (vgl. ähnlich auch die Teil-AKG in
ihrem Text)
Die in dieser Aussage enthaltene Drohung stimmt uns weniger
für uns selbst bedenklich, als für die AKG selbst. Wer in
seiner Kritik aneinander die Möglichkeit ausschließt, anders
mit den Kritisierten umzugehen, als sie zum Schweigen zu
bringen, muß wohl ein Schicksal in Spaltung erdulden, bis die
Diskussion endgültig ihre Relevanz verliert, weil die
angestrebten Individuen sich nur noch für sich allein zu
artikulieren vermögen. Daß es uns lieber wäre, mit Gruppen
konfrontiert zu sein, die Standpunkte austauschen, diskutieren
und dadurch auch außerhalb von Artikeln und Veranstaltungen zu
vertreten vermögen, als mit einem Haufen Einzelheinzen, die
sich gegenseitig bespucken, gehört zur Ironie der
gegenwärtigen Situation.
Verständnisschwierigkeiten
Die Diskussion
in der wir gegenwärtig mitverhandelt werden, trägt als
Überschrift „Die Leipziger Verhältnisse“. Diese Verhältnisse
sollen ein Zustand gegenseitiger Aufmerksamkeit und
Diskussionsbereitschaft sein, in dem nicht einmal die
krudesten Positionen, so sie sich den links nennen,
ausgeschlossen werden. Wer noch weiß, daß diese Bezeichnung
auf unser Flugblatt „So nicht“ zurückgeht, in dem wir das
genau Gegenteil feststellen, wird sich nicht wundern, daß wir
diese Verhältnisse in Leipzig nicht erblicken können. Dieser
Text sollte sein übriges getan haben, zu zeigen, warum wir
glauben, hier würde eine Halluzination gejagt. Gegenwärtig
erkennen wir beileibe kein Zuviel an Diskussion. Vielmehr ist
die Qualität der über Incipito, Cee Ieh und per Flugblatt
ausgetauschten Noten inzwischen soweit gesunken, daß wir oft
nicht mehr verstehen, worum es geht.
Da schreiben die Wertkritischen KommunistInnen: „Kommunismus
heißt: Überwindung von Subjekt und Objekt als Bruch mit der
fetischistischen Herrschaft, der Herrschaft toter Dinge über
die Menschen. Das Ende des Subjekts bedeutet genau das
Gegenteil vom Ende der Individualität.“ Bei uns kann niemand
erklären, was das heißen soll. Aber die Teil-AKG hat es im Cee
Ieh 103 nicht nur begriffen, sondern auch kritisiert („Der
dialektische Widerspruch von gesellschaftlicher Konstitution
des Subjekts und gleichzeitiger, dem unmittelbaren Zugriff der
Objektivität sich widersetzender Reflexionsinstanz ist damit
virtuell liquidiert.“) Wenn jetzt die Teil-AKG das Subjekt auf
seine Möglichkeiten hinzuweisen versucht, während die Gruppe
WKK, es bei den Montagsdemos gegen Sozialabbau zur großen
Auflösungsbewegung überreden will, ist es an der Zeit „sich
vielleicht doch wieder auf traditionellere Themen“ (Teil-AKG)
zu besinnen.
Gerade in Zeiten, in denen Land auf Land ab, anhand der
sozialen Frage der Klassenkampf neu entdeckt wird, finden wir
es entscheidend, zu verstehen, wie die alten Konzepte
modernisiert werden. Was heißt es, bei der AKG an den
Subjekten festhalten zu wollen statt sie zu beschimpfen („Ihr
beschissenen reaktionären antiamerikanischen Deutschen“ - „Die
Linke macht Staat“)? Was wollen die WKK, wenn sie sich von der
ArbeiterInnenklasse verabschiedet haben auf Montagsdemos?
„Traditionell“ sind bei uns in diesem Zusammenhang die
Analysen, nach denen eine soziale Frage in Deutschland sich in
den nationalen Diskurs einbindet, die soziale Lage von
ZwangsarbeiterInnen und anderen Opfern Nationalsozialismus
samt ihren Angehörigen Vorrang haben muß, vor dem Wohlergehen
des deutschen Kollektivs und schließlich alle, die an
irgendjemand in Deutschland appellieren, sich immer des
Problems bewußt sein müssen, es sind Deutsche, mit denen ihr
redet. Zusammen mit der Diskussion um die Analysen zwischen
Zivilgesellschaft und Volksgemeinschaft also viel
Diskussionsstoff.
bgr
Fußnoten
(1)
"Unsere Schuld, unsere übergroße Schuld“, eine
Abwandlung des in der Eröffnung der katholischen Messe
enthaltenen allgemeinen und öffentlichen Schuldbekenntnisses.
(2) Eine Dokumentation der Veranstaltung, die in
den Händen der AKG bzw. Justus Wertmüllers liegt, könnte
dieses Niveau belegen.
Die zitierten Papiere finden
sich in den genannten Ausgaben des CEE IEH oder im Internet:
AKG, Die Linke macht Staat:
www.akg-leipzig.info/texte/zivilgesellschaft-blank.html
bgr, So nicht: CEE IEH #99 und
www.nadir.org/nadir/initiativ/bgr/pages/tagx1.htm
Mario Möller und Sören Pünjer, Wer nichts zu sagen hat, soll
auch nicht sprechen: CEE IEH #102
www.nadir.org/nadir/initiativ/ci/nf/102/17.html
Gegner der „Leipziger Verhältnisse“ in der AKG [hier: Teil-AKG],
Zum Unglück der Leipziger Verhältnisse: CEE IEH #103 und
www.nadir.org/nadir/initiativ/ci/nf/103/20.html
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