Es gibt nur einen rechten Konsens
Liebe Leute,
das Motto der im Oktober vorigen Jahres staatlicherseits verhinderten Demonstration lautete bekanntlich: "Den rechten Konsens durchbrechen". Im Vorbereitungbündnis zu dieser Demonstration haben wir lange darüber gestritten, ob dieses Motto für diese Demonstration tatsächlich wieder tauglich ist. Heraus kam dabei der Kompromiß, daß wir hier "gegen jeden rechten Konsens" demonstrieren. Wir müssen an dieser Stelle sagen, daß es für uns, trotzdem wir das Demomotto mittragen, in Deutschland nicht unzählig viele rechte Konsense gibt, sondern nur einen. Dieser äußert sich insbesondere allerorten auf die gleiche Weise:
brutaler Einsatz der Polizei gegen DemonstrantInnen (v.a. aus Berlin, Hamburg und Leipzig) ... Überall nimmt im Grunde niemand an der rassistischen Politik dieses Staates Anstoß. Es ist traditionell Konsens in diesem Land, daß das zum Fremden Konstruierte erst einmal Unbehagen und Bedrohungsgefühle auslöst. Die "Andersartigkeit" von allem, was von der deutschen Norm abweicht, wird in Deutschland im Gegensatz zu anderen westlichen Ländern schon immer als Gefahr statt als Bereicherung begriffen. Das Staatsbürgerrecht dieses Landes beruht, ebenfalls traditionell, auf den völkischen Werten von Blut und Boden. Die "deutschen Sekundärtugenden" von Ordnung, Fleiß und Disziplin sind hierzulande ein hochgehandeltes Gut. Auf dieser Basis wird überall alltäglich eine Heimattümelei betrieben, die sich heutzutage "Standortfaktor" schimpft. Diese deutsche Spezifik bei der Betrachtung des rechten Konsens nicht mitzudenken, führt unseres Erachtens immer am eigentlichen Thema vorbei. Deshalb auch gehen wir von keiner super-spezifischen Situation in Saalfeld aus, sondern sind uns bewußt, daß eine ähnliche Konstellation tatsächlich jederzeit überall vorzufinden ist. Der Konsens zwischen Behörden, Bevölkerung und Nazis lautet: Wir sind alle Deutsche. Und dabei kümmert man sich einen Scheiß um bürgerliche Werte, die doch tatsächlich partiell im Grundgesetz noch zu finden sind bzw. besser: zu finden waren. Deshalb auch ist es ein Leichtes, genau diese Passagen, rechtsstaatlich abgesichert, aus der Freiheitlich-Demokratischen-Grundordnung zu verbannen. An ihre Stelle treten rigide, bürgerliche Rechte abschaffende Klauseln, die den Staat immer mehr zur Sicherheits-Bastion gegen Minderheiten und ungebetene Meinungen machen.
... möglich, durch den rechten Konsens in Deutschland Wenn uns jemand vor der Wiedervereinigung gesagt hätte, daß eine radikale Linke heutzutage überall dazu verdammt ist, die bürgerlichen Ideale zu verteidigen, hätten wir das für dummes Zeug gehalten. Inzwischen sehen wir uns tatsächlich in diese Rolle gedrängt. Denn wer kritisiert bitteschön anhand von Saalfeld und der hiesigen Situation die bürgerlichen Verhältnisse. Statt dessen ringen und kämpfen wir hier fast verzweifelt darum, überhaupt noch demonstrieren zu können und kundzutun, daß wir gegen Nazis und ihre Hofiererei sind. Sich mit einer solchen Situation zu arrangieren und das Maul zu halten, kommt für uns grundsätzlich nicht in Frage. Wir wissen aber, daß die Zukunft wohl kaum eine Besserung bringen wird und wir immer mehr mit dem Rücken Richtung Wand gedrängt werden.
Es würde uns unseres Erachtens allen zur notwendigen Ernüchterung verhelfen, wenn wir angesichts solcher Verhältnisse die Revolutionsträume - sagen wir mal vorsichtig - zumindest relativieren. Wir brauchen uns auch in puncto Antifaschismus nichts vormachen. Gegen die Nazis und die, die sie wohlwollend dulden bzw. verharmlosen, wird uns niemand hierzulande zur Seite stehen, außer wir uns selbst. Um so wichtiger ist es, daß wir, die wir hier demonstrieren, uns durch nichts einschüchtern lassen und uns gegenseitig versprechen, in unserem antifaschistischen Kampf nicht von allein nachzulassen.
Bündnis gegen Rechts Leipzig
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