Aus: CONTRASTE Nr. 171 vom 9.12.98:
McDONALDS BESIEDELT DEUTSCHLAND
Wie McDonalds das Saarland rettete
Der nachfolgende Beitrag beschäftigt sich mit der Diskussion zwischen
Oktober'97 und Juli'98 um drei McDonalds-Filialen im Saarland:
eine bestehende und zwei geplante. Eine Geschichte voller Absurditäten und satirischer Events. Wichtiger als die Frage, ob die eine oder andere MC Donalds-Filiale nun gebaut werden darf oder nicht, erscheint dabei die in den Debatten auflodernde Angst - und stellenweise Hysterie -, die Nichtansiedlung käme einer wirtschaftlichen wie kulturellen Verwüstung einer gerade noch intakten Infrastruktur gleich und bedeute damit eine Abkopplung vom angestrebten Entwicklungspfad.
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von Roland Röder, Red. Saarland -
"Die Zahl der Gesetze und Vorschriften überschreite die
Grenze jeder Vernunft und sei zu einem Standortnachteil für Deutschland
geworden. (...) Der schwierige Strukturwandelprozess im Saarland könne nur durch Kreativität und auch den einen oder anderen Farbtupfer am Rande der Vorschriften bewältigt werden. Diese Erkenntnis sei noch nicht in allen Amtsstuben verbreitet. In diesem Zusammenhang forderte Tabillion eine kritische Überprüfung unsinniger Standards und teilweise grotesker Überregulierungen auf allen administrativen Ebenen."
So heißt es im O-Ton einer Pressemitteilung des umweltpolitischen Sprechers der saarländischen SPD Landtagsfraktion, Dr. Rainer Tabillion, vom 5.2.1998. Mittlerweile ist Tabillion in der Saarländischen SPD-Hierarchie aufgestiegen und seit Mitte November'98 Vorsitzender der SPD-Landtagsfraktion.
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SPD-Umweltpolitiker
kämpft für McDonald
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Was der SPD-Umweltexperte unter der Überschrift "Manchen Behörden fehlt das Leitbild" hier
forderte, bezog sich weniger auf den Wegfall investitionshemmender Umweltauflagen bei der Ansiedlung einer Chemiefabrik. Nein, es ging ihm einzig und allein um eine aufblasbare Werbefigur, die McDonalds auf das Dach einer seiner saarländischen Filialen montiert hatte: Die bei McDonalds-Kindergeburtstagen eingesetzte Clown- & Sympathiefigur "Ronald". Das Landesamt für Straßenwesen ordnete zunächst an, die Puppe zu entfernen, weil sie die Aufmerksamkeit der Autofahrer auf der naheliegenden Autobahn zu stark ablenken würde.
In der Folge engagierten sich dann die "Saarbrücker Zeitung",
die einzige Tageszeitung im Saarland, und der
SPD-Umweltexperte für den Erhalt des Wirtschaftsstandortes Saarland, indem sie
forderten, die Figur wieder aufzustellen. Letztendlich wurde ihrem
Wunsch entsprochen, die staatliche Strassenverwaltung begriff
"die strukturpolitische Herausforderung, vor der das
Saarland steht" (O-Ton SPD-Umweltexperte), ließ ihre Bedenken
In der Schublade verschwinden und die Figur mit Namen "Ronald" wurde
Mitte April'98 wieder aufgeblasen.
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"... den Anschluss nicht verlieren"
McDonalds als entwicklungspolitische Leitidee
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Auf einem ähnlichem Niveau bewegte sich die Debatte um die
Geplante Ansiedlung zweier McDonalds-Filialen in zwei kleinen
Saarländischen Kommunen, Merzig und Losheim.
Der Konzern bzw. seine Franchising-Nehmer wollten an einer
Autobahn und einer stark befahrenen Bundesstrasse Hamburger-Restaurants bauen. SPD und CDU waren dafür, also wurden die Bebauungspläne für beide Filialen
genehmigt. Kritik und Ablehnung kam vorwiegend von Bündnis90/Die Grünen.
Die Argumentation der Befürworter bezog sich im wesentlichen
auf zwei Punkte. Zum einen würde die Ansiedlung Arbeitsplätze
bringen. Auffallend dabei war, dass deren Zahl von Tag zu Tag und von Interview zu Interview stetig anstieg: von zunächst 40 auf zuletzt 65 mit weiterhin steigender Tendenz (Saarbr. Ztg. 22.11.1997), ohne dass diese Zahlen je von McDonalds bestätigt worden sind.
Im Mittelpunkt der McDonalds Fangemeinde stand
aber die Angst, eine Nichtansiedlung könne die Entwicklung
der gesamten Region verhindern. "Merzig darf
Anschluss nicht verlieren (...) McDonalds gehört zur
Infrastruktur jeder größeren Stadt dazu." so der
bildungspolitische Sprecher der CDU Landtagsfraktion
und örtliche Kreisvorsitzende, Jürgen Schreier. Mit seiner
Aussage "Man kann den Zeitgeist nicht aufhalten" (Saarbr.
Ztg. 22.11.97) verlieh der sozialdemokratische
Oberbürgermeister der saarländischen Kleinstadt
Merzig, Dr. Alfons Lauer, der McDonalds Ansiedlung fast schon naturgesetzliche Züge.
Und Naturgesetze dürfen nicht durch Ideologie an ihrer
Verwirklichung gehindert werden. "Das zeigt wieder, dass wir
an das Thema McDonalds nicht ideologisch rangehen durften,
sondern entsprechend den Wünschen der Jugend.", so der SPD-OB. (Saarbr. Zeitung,
10.7.98). Eine Projektgruppe des örtlichen Gymnasiums hat im
Rahmen des Wettbewerbs "Jugend forscht", die Wünsche der Jugend erkundet. "Die meisten
Jugendlichen wünschten Fast Food", lautete, voll
im Trend liegend, das Ergebnis. Nebenbei fanden sie an
weiteren Mängeln noch heraus, dass der saarländischen
Kleinstadt Merzig "eine durchgehende Ladenfront"
in der Innenstadt fehlt sowie der Anteil von Wohnhäusern in
der Innenstadt mit 29,8% zu hoch sei. Das Grundbedürfnis
`Wohnen' also als störendes Element beim
Konsum von Fast Food & Co. Als Konsequenz dieser
Standortnachteile fahren Jugendliche nach Angaben
der Projektgruppe "Jugend forscht" zum Einkaufen in
andere Städte. Als Belohnung erhielten die jugendlichen
Forscher für ihre Arbeit auf Bundesebene den Sonderpreis der
deutschen Schulgeographen.
In Formulierungen wie "Anschluss nicht verlieren"
schimmert deutlich die Angst durch, den Anschluss an
den herrschenden Entwicklungspfad zu verlieren. Und
wer einmal den Anschluss verloren hat, ist draußen.
McDonalds wird - unabhängig von der Qualität und
Quantität an Arbeitsplätzen und Nahrungsmitteln
- gleichgesetzt mit einem anzustrebenden (kulturellen)
Entwicklungsideal, das sich vor allem durch die sinnstiftende
Schaffung einer weltweiten Gemeinschaft die gleichen
Hamburger essenden Menschenkinder zwischen
Tokio, New York und dem saarländischen Merzig auszeichnet.
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McDonalds besiedelt Deutschland
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Wenn die AnsiedlungsbefürworterInnen als "Argument" die "Mc
Deutschland-Karte" aufführen (Saarbr. Ztg. 22.11.1997), die überall dichte Besiedelung und
lediglich in Teilen des Saarlandes einen weißen Fleck
aufweist - zufällig genau die Region, in der die Ansiedlung
geplant ist - dann wird zusätzlich auf der Tastatur
spezifisch saarländischer Minderwertigkeitskomplexe gespielt:
Die Angst, nicht zu Deutschland zu gehören. Zweimal war diese
Angst und die dahinter stehende Sehnsucht nach nationaler
Geborgenheit bereits wegweisend in diesem Jahrhundert: 1935 bei der Ablehnung des seit
dem Versailler Vertrag bestehenden Völkerbund-Mandates über
das damalige Saargebiet und dem mit großer Mehrheit gewollten Anschluss an Nazideutschland, sowie 1955, als die Mehrheit der SaarländerInnen sich gegen Frankreich
und für Deutschland bzw. die BRD entschied. Da aber die
industriellen Hauptstandorte in der BRD bereits vergeben waren, führte dies, zusammen mit
der bestehenden industriellen Monostruktur im Kohle-/
Stahlsektor mit zu den bis heute andauernden ökonomischen
Problemen wie hohe Arbeitslosigkeit und geringe
Steuereinnahmen. Nicht zuletzt ihrer Fähigkeit, diesen
weit verbreiteten Minderwertigkeitskomplex in
unterschiedlichen sozialen wie kulturellen Schichten (vom
Stammtisch bis zur Kulturschickeria), mit der Pose des
frechen Oskar (Lafontaine) der es denen da drüben "im
Reich" mal zeigt, aufzugreifen, verdankt die SPD-Saar ihre seit 1985 dominierende Rolle.
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Chancenlose Realpolitik gegen McDonalds
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Die KritikerInnen der McDonaldsansiedlung, vorwiegend Bündnis
90/Die Grünen, beschränkten sich weitestgehend auf realpolitische Sachargumente:
* hohes Müllaufkommen durch Einweggeschirr
* kein regional erzeugtes Fleisch, was der Konzern auch strikt ablehnt
* Verdrängung örtlicher, kleinerer, Gastronomiebetriebe
* kaum Gewerbesteuer, da "Großunternehmen wissen, wie sie durch Franchisegebühren, Verwaltungskosten, Werbekostenzuschüsse und Lizenzgebühren ihre Gewinne dorthinverlagern können, wo sie einer niedrigeren Besteuerung unterliegen" (Redebeitrag des bündnisgrünen Fraktionssprechers Jürgen Millen in der Gemeinderatssitzung der Gemeinde Losheim am See, 7.11.1997).
Diese wurde recht überzeugend dargestellt. Verweise bezüglich der Vereinheitlichung und Uniformierung von Lebensformen (McDonaldisierung) für die der Hamburger-Konzern ein (!) Beispiel ist, fehlen jedoch - bewusst oder unbewusst - in ihrer Argumentation. Letztlich konnten sie dem euphorischen Entwicklungsdenken nichts als die Rufe nach Mehrweggeschirr entgegensetzen. Ihre politischen Gegner verfüg(t)en dagegen über den umfassenderen und plausibleren Lebensentwurf.
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Fußball oder McDonalds als Religion?
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Für McDonalds war die Diskussion auf jeden Fall ein Gewinn.
Sie wurde nicht nur mit hohem Unterhaltungswert geführt und
verwies ungewollt auf den zentralen Kern der McDonalds Konzeption, der weit über die Produktion und den Verkauf von Bic Mac & Co hinausgeht:
Fast Food & Normierung als zwei zentrale Entwicklungsleitbilder mit quasi religiösen Zügen. Wer hier den Anschluss verpasst, darf im Team der global players weder
mitspielen noch auf der Ersatzbank, mit der Hoffnung auf Einwechslung, Platz nehmen.
Diese kritiklose Akzeptanz der Leitbilder von McDonalds ist
allemal wichtiger als die Zustimmung zu den
Ansiedlungsprojekten, wovon der Konzern selber mittlerweile
eines fallen ließ, und der Zulassung der aufblasbaren
Werbefigur auf einer ihrer saarländischen Filialen.
Und diese Leitbilder finden sich als aufblasbare und
jederzeit abrufbare Bilder in den Köpfen vieler
McDonalds-KundInnen wie - Kostverächtern.
P.S.: Alle zwei Wochen - mit Ausnahme der Sommermonate - gönne
ich mir eine garantiert McDonalds-freie
Zone. Die Bratwürste im Homburger Waldstadion bei
den Heimspielen des FC 08 Homburg werden weder vom
saarländischen McDonalds-Adel (siehe Kasten) angeboten noch
durch die Beimischung von Soja auf vegetarisch getrimmt. Sie
schmecken nach Fleisch, riechen wie Fleisch und sind es mit hoher Wahrscheinlichkeit.
Seit einiger Zeit schmecken sie sogar besser als der FC spielt. Aber die Leiden eines Fans sind ein anderes Thema. Um den Anschluss nicht zu verlieren...
Die erwähnten Zeitungsartikel und Presseerklärungen können
zum Selbstkostenpreis von 5 DM (incl. Porto) bezogen werden über: AKTION 3.WELT Saar, Weiskirchener Str. 24, D-66674 Losheim, Tel. (0 68 72) 99 30-56, Fax -57.
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Roland Röder ist Mitarbeiter der AKTION 3.WELT Saar und
Fan des FC 08 Homburg
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Na, da schau her: Mit McDonalds kommt der Adel ins Saarland
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Im Saarland wohnen und geadelt werden - dies passiert nur
wenigen. Das Saarland gehört bekanntlich
zu den ärmeren Bundesländern, weshalb Bayern
und Baden-Württemberg häufig den Ruf nach Auflösung dieses
Hungerleiders bzw. die Angliederung
an Rheinland-Pfalz fordern. Adel und Millionäre
sind im Saarland so selten wie die Aufenthalte saarländischer
Fußballvereine in der 1. oder 2. Bundesliga. Ausnahmen
bestätigen die Regel. Eine dieser
Ausnahmen sind Harald und Sigrid Getrey, die jetzt
geadelt wurden (Saarbrücker Zeitung, 20.4.98).
Kein Geringerer als der US-Fast Food Multi McDonalds ist der
Absender des Adelszertifikates "Golden Arch Award", das
weltweit nur zehn von 5.000 Franchise Nehmern alle zwei Jahre überreicht
wird. Beim Franchising sind UnternehmerInnen
mehr oder weniger selbständig und übernehmen
gegen Leihgebühr das Betriebs- und Marketingkonzept des
Lizenzgebers, hier also das von McDonalds. Die Ernennung zum
Adelsstand gibt es nicht umsonst. Voraussetzung ist, ein Restaurant stets vorbildlich
zu führen, freundlichen und schnellen Service zu garantieren
sowie Wert auf Sauberkeit und Hygiene zu legen. Wer dann auch noch "das soziale
Engagement im lokalen Umfeld" (Saarbr. Ztg. 20.4.98) nicht zu kurz kommen lässt, kann der adeligen Veredelung nicht mehr entgehen.
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